Der Kapitalismus muss reguliert werden, um gute Ergebnisse für die gesamte Bevölkerung zu erreichen. Das ist die Kernbotschaft des Ökonomen Hagen Krämer. Im Kontrast-Interview spricht er darüber, dass sich eine neue Form des Kapitalismus ausbreitet, in der wirtschaftliche und politische Macht in denselben Händen konzentriert sind und Errungenschaften wie eine unabhängige Justiz und ein starker Sozialstaat bedroht werden. Dieser Bedrohung stellt er das Konzept des “Sozialen Kapitalismus” gegenüber, in dem Wohlstand gerechter verteilt wird und staatliche Institutionen gestärkt werden.
Kontrast: Einer ihrer neuen Texte trägt den Titel „Sozialer Kapitalismus, innerer Widerspruch oder machbare Vision?“. Was kann man sich unter einem sozialen Kapitalismus vorstellen und wie unterscheidet sich dieser von der aktuellen Wirtschaftsordnung, die wir haben?
Hagen Krämer: Wir haben in Österreich und in Deutschland eine Marktwirtschaft, die durch staatliche Eingriffe und den Wohlfahrtsstaat abgefedert und abgesichert wird. Dies ist sinnvoll, denn eine reine Marktwirtschaft kann zwar prinzipiell effiziente Ergebnisse hervorbringen, achtet aber nicht ausreichend auf soziale Aspekte und die gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen. Darum geht es beim sozialen Kapitalismus im Wesentlichen: wirtschaftliche Dynamik soll bestehen bleiben, aber stärker mit sozialer Verantwortung verbunden werden.
Das Konzept des sozialen Kapitalismus geht dabei über die soziale Marktwirtschaft hinaus, indem es auf tiefgreifende strukturelle Veränderungen setzt – mit einer progressiven Steuerpolitik, stärkeren Gewerkschaften, gezielten Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und in öffentliche Dienstleistungen, einer strengen Regulierung der Digital- und Finanzmärkte und sozialer Inklusion als zentraler Leitlinie. Im Unterschied zur marktorientierten Ordnungspolitik der sozialen Marktwirtschaft steht hier eine Politik im Vordergrund, die die gesamte Wirtschaft im Blick hat.
Der Wohlfahrtsstaat ist kein „Luxus“
Kontrast: Was ist denn aus Ihrer Sicht an einer reinen Marktwirtschaft so problematisch?
Hagen Krämer: Der Markt verteilt Einkommen zunächst einmal nach dem Leistungsprinzip. Macht spielt natürlich auch eine Rolle, aber idealtypisch herrscht das Leistungsprinzip. Menschen, die nicht leistungsfähig sind, weil sie arbeitslos oder krank sind oder sich in schwierigen Lebenssituationen befinden, fallen dabei oft durchs Raster. Deshalb braucht es Umverteilung und einen leistungsfähigen Wohlfahrtsstaat. Diese Einsicht begleitet uns im Grunde schon seit Beginn der Industrialisierung vor rund 150 Jahren.
Der Wohlfahrtsstaat ist kein „Luxus“, sondern eine Grundvoraussetzung moderner Demokratien. Er verbindet individuelle Sicherheit mit gesellschaftlicher Stabilität und sorgt dafür, dass wirtschaftlicher Fortschritt nicht nur wenigen zugutekommt, sondern allen.
Heute steht der Wohlfahrtsstaat jedoch wieder unter erheblichem Druck – teils aus finanziellen Gründen, teils aus ideologischen. Das reicht von neoliberalen Positionen bis hin zu libertären Ideen, die die Rolle des Staates grundsätzlich infrage stellen. Da derzeit viel auf dem Spiel steht, soll mit dem Konzept des sozialen Kapitalismus ein Gegenentwurf formuliert werden.
Kontrast: Wie schätzen Sie denn die aktuelle Situation ein?
Hagen Krämer: Nach der Finanzkrise 2008/09 galt der Neoliberalismus zunächst als nachhaltig diskreditiert. Gegenwärtig zeigt sich jedoch eine Rückkehr dieser Ideen – teilweise in radikalisierter Gestalt. Es entwickeln sich immer mehr Tendenzen hin zu einem autoritären Neoliberalismus, der durch enge Verflechtungen wirtschaftlicher und politischer Macht gekennzeichnet ist. Ein Beispiel dafür sind Donald Trump und sein Umfeld, darunter auch CEOs aus dem Tech-Sektor. In solchen Konstellationen wird demokratische Partizipation eingeschränkt, das Justizsystem verliert seine korrigierende Funktion, und es entstehen illiberale Ordnungen. Diese Entwicklungen sehen wir derzeit nicht nur in den USA, sondern auch in Südamerika und in Teilen Europas. Praktisch alle rechtspopulistischen Parteien in ganz Europa zeigen Sympathien für diesen Ansatz. Das besorgt mich sehr.
Sehnsucht nach dem starken Mann
Kontrast: Warum setzen sich derzeit solche Modelle durch?
Hagen Krämer: Wir sehen mehrere Ursachen: wirtschaftliche Unsicherheit und die Angst vor sozialem Abstieg, eine unzureichende soziale Infrastruktur und öffentliche Daseinsvorsorge sowie Sorgen über Zuwanderung und den Strukturwandel. In solchen Situationen erscheinen autoritäre Führungspersonen für viele Menschen attraktiv, weil sie schnelle und einfache Lösungen versprechen. Demokratische Prozesse hingegen sind oft langwierig – gerade in einer multiplen Krise, in der viele Herausforderungen gleichzeitig auftreten. Da wächst bei einigen der Wunsch nach einer starken Führungsperson, meist männlich konnotiert, die „mal ordentlich durchgreift“.
Sozialer Kapitalismus oder autoritärer Neoliberalismus
Kontrast: In Ihrem Text schreiben Sie, dass man, um eine weitere Ausbreitung des autoritären Neoliberalismus zu verhindern, eine Hinwendung zum sozialen Kapitalismus braucht. Zeichnen Sie damit das Bild einer Weggabelung – zwischen dem von Ihnen vorgeschlagenen sozialen Kapitalismus und einem autoritären Neoliberalismus auf der anderen Seite?
Hagen Krämer: Ja, genau – wir sehen tatsächlich eine Art Weggabelung, weil gerade zentrale Grundlagen unseres Wirtschaftsmodells der letzten 60 bis 70 Jahre wegbrechen. Wenn wir etwa auf Österreich und Deutschland schauen, haben beide Länder in den vergangenen Jahrzehnten stark von der Globalisierung profitiert: von einer exportorientierten Wirtschaft, einem hohen Industrieanteil mit gut bezahlten Arbeitsplätzen und starken Gewerkschaften. Jetzt aber gerät die Globalisierung ins Stocken – verstärkt durch politische Maßnahmen wie Zölle und dem Wegbrechen der internationalen Handelsordnung. Wenn diese Grundlage wegfällt, muss sich unser Wirtschaftsmodell zwangsläufig neu ausrichten.

Hinzu kommt die Notwendigkeit, den Klimawandel zu bekämpfen und dazu Wirtschaft und Gesellschaft zu dekarbonisieren. Die notwendige sozial-ökologische Transformation wird aber von vielen als Schreckensszenario wahrgenommen: hohe Kosten, Angst vor Statusverlust, Unsicherheit. Hinzu kommen die militärischen Spannungen. Das ist es, was manche als Polykrise bezeichnen: mehrere, gleichzeitig wirkende Krisen, in denen unterschiedliche gesellschaftliche Kräfte um die Deutungshoheit ringen.
Comeback des Neoliberalismus
Der Neoliberalismus schien nach der Finanzkrise eigentlich diskreditiert, erlebt aber jetzt ein Comeback – bis hinein in bürgerliche Parteien, die wieder verstärkt auf Angebotsorientierung und internationale Wettbewerbsfähigkeit setzen, mit dem dann der Abbau sozialstaatlicher Leistungen begründet wird. Der deutsche Bundeskanzler Merz hat beispielsweise behauptet, der Sozialstaat sei angesichts dessen, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar. Aus meiner Sicht ist dies die falsche Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit. Statt Sozialleistungen zurückzufahren, müssen wir Menschen in Zeiten multipler Krisen mehr Sicherheit geben und die soziale Infrastruktur stärken. Das wäre der richtige Weg in dieser Situation, um dem Populismus das Wasser abzugraben und um der Wirtschaft wieder ein stabiles Fundament zu geben.
Kapitalismus muss reguliert werden
Kontrast: Und der soziale Kapitalismus stellt das ganze Wirtschaftssystem vom Kopf auf die Füße?
Hagen Krämer: Nein, wir wollen das System an sich nicht abschaffen, sondern – ganz im Sinne von John Maynard Keynes – erhalten und stabilisieren. Es erhält sich jedoch nicht selbst, sondern muss gestaltet werden, gerade weil fundamentale Unsicherheiten und Instabilitäten bestehen. Nehmen wir das Phänomen der Gewinnermärkte – heutzutage etwa in den Tech-Industrien zu beobachten. Hier entstehen Monopole, die langfristig überhöhte Preise und geringere Innovation nach sich ziehen und zugleich zu erheblicher wirtschaftlicher wie politischer Macht führen. Deshalb braucht es Regulierung und einen Staat, der klare Rahmenbedingungen setzt.
Wir haben den existierenden Begriff des sozialen Kapitalismus aufgegriffen und weiterentwickelt, weil – wie schon Marx und Schumpeter gezeigt haben – sich der Kapitalismus historisch betrachtet als einzigartig effizientes Wirtschaftssystem erwiesen hat: Er hat das Potenzial, langfristig Wachstum und Innovation hervorzubringen. Aber er muss reguliert und gesteuert werden, damit er nachhaltig und inklusiv funktioniert.
Deutschland hat sich aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen
Kontrast: Nochmal zurück zum Wohlfahrtsstaat. Sie kritisieren, dass dieser fälschlicherweise oft als Institution dargestellt wird, die vor allem vermeintlichen Müßiggängern diene. Was wäre aber jetzt ein besseres, ein korrekteres Verständnis des Sozialstaats?
Hagen Krämer: Die Bedeutung des Sozialstaats zu vermitteln, ist heutzutage nicht leicht. Bestimmte Medien spielen dabei eine Rolle, weil einzelne Fälle von Sozialmissbrauch medial stark herausgestellt werden. Natürlich gibt es solche Fälle, sogar organisierte Formen von Sozialbetrug, und darüber muss man sprechen. Das ist aber viel leichter skandalisierbar als etwa übergroßer Reichtum, der gesellschaftlich häufig wenig Nutzen stiftet und nicht automatisch zu Innovationen oder risikoreichen Unternehmungen führt – obwohl das oft behauptet wird.
Wichtig ist, den Menschen klarzumachen, dass der Sozialstaat im Zweifel für alle da sein muss. Nehmen wir das Pensionssystem: Es wird seit Jahren immer wieder die angebliche Untauglichkeit des Umlageverfahrens im demografischen Wandel thematisiert. Viele junge Menschen glauben deshalb, sie würden später praktisch keine staatlichen Pensionen mehr erhalten. Ich merke das bei meinen Studierenden: Sie sind erst Anfang 20, aber denken schon jetzt voller Sorge an ihre spätere Pension. Gerade deshalb muss die Politik jungen Menschen klar und verständlich vermitteln, dass das Umlagesystem nicht ein Auslaufmodell ist, sondern bei verantwortungsvoller Gestaltung auch für ihre Generation eine verlässliche Pension sichern kann.
Ein weiteres großes Thema ist die Wohnungsnot in Großstädten. Deutschland hat sich vor Jahren weitgehend aus dem sozialen Wohnungsbau zurückgezogen. In vielen Regionen fehlt es jetzt an bezahlbarem Wohnraum, und das erzeugt enorme Sorgen bei den Jungen und den nicht so gut betuchten Menschen. In Wien ist die Lage besser, das sollte uns als Vorbild dienen.
Um Ihre Frage konkret zu beantworten: Wir müssen besser vermitteln, dass der Sozialstaat ein Sicherheitsnetz ist – ob bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder persönlichen Lebensbrüchen. Ein Sozialstaat stabilisiert Gesellschaft und Wirtschaft.
Die Flut sollte alle Boote anheben, nicht nur die Yachten
Kontrast: Sie diskutieren in ihrem Buch auch die Ursachen die in den letzten Jahrzehnten zu einem starken Rückgang der Lohnquote geführt haben. Wieso ist gerade das so ein Problem?
Hagen Krämer: Eine fallende Lohnquote bedeutet, dass Einkommenszuwächse – die in der Regel aus Produktivitätswachstum entstehen – zunehmend auf Kapitaleinkommen entfallen und nicht auf Arbeitseinkommen. Das hängt stark mit der Globalisierung zusammen: Ein großer Teil der Handelsgewinne ist an die Kapitalseite geflossen. Hinzu kommt, dass Gewerkschaften an Durchsetzungskraft verloren haben, unter anderem weil der Strukturwandel die Verhandlungsposition zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern verändert hat. In Deutschland liegt der Industrieanteil heute nur noch bei etwa 20 %, während über 70 % durch Dienstleistungen erbracht werden.
In vielen Dienstleistungsbranchen sind Gewerkschaften aber schwächer vertreten. So organisieren sich Beschäftigte in modernen Tech- und KI-Bereichen kaum noch. In der Folge werden Produktivitätsgewinne nicht mehr gleichmäßig verteilt. Für uns ist das ein zentraler Punkt des sozialen Kapitalismus: Er muss inklusives und nachhaltiges Wachstum schaffen. Inklusiv bedeutet, dass alle gesellschaftlichen Gruppen profitieren – oder frei nach John F. Kennedy bildlich gesprochen: Die Flut sollte alle Boote anheben, nicht nur die Yachten. Bei uns bleiben die kleineren Boote aber seit Jahrzehnten zurück.
Weniger Steuern für Reiche waren ein Fehler
Kontrast: Aber ist Umverteilung durch höhere Steuern nicht das sprichwörtliche „Gift für die Wirtschaft“?
Hagen Krämer: In den 1970er- und 80er-Jahren lagen die Spitzensteuersätze deutlich höher als heute. Damals lief die Wirtschaft trotzdem recht gut. In Deutschland wurde von der Regierung des Sozialdemokraten Gerhard Schröder dann Ende der 1990er Jahre begonnen, den Spitzensteuersatz von seinerzeit über 50 Prozent auf 42 Prozent zu senken. Später wurde dann die regressiv wirkende Mehrwertsteuer erhöht. Beides hat die Umverteilungswirkung des Steuersystems stark reduziert. Ob dadurch nachhaltige Wachstumsimpulse ausgelöst wurden, ist umstritten. Ich halte jedenfalls die auch von vielen Sozialdemokraten vertretene Auffassung, dass höhere Steuern auf hohe Einkommen zwingend das Wachstum abwürgen, für gelinde gesagt stark übertrieben.
Inflation als Umverteilungsmaschine
Kontrast: Was in Österreich gerade ein großes Thema ist für die Menschen, ist, dass die Preise so kräftig gestiegen sind.
Hagen Krämer: Das ist absolut verständlich. Zwar sind mit Verzögerung auch die Nominaleinkommen von vielen gestiegen, aber man muss sehen, dass Inflation vor allem Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen stärker belastet, weil ein großer Anteil ihres Budgets auf Güter entfällt, deren Preise überdurchschnittlich gestiegen sind, wie zum Beispiel Nahrungsmittel.
Das ist empirisch gut belegt. Eine Inflation ist eine mächtige Umverteilungsmaschine. Wer Markt- und Preissetzungsmacht hat, kann relative Preise zu seinem Vorteil gestalten.
Ein sozialer Kapitalismus müsste hier unbedingt ansetzen.
Kontrast: Daraus ergibt sich für mich die Frage, wie Menschen, die eben diese Sorgen haben, von einem Modell des sozialen Kapitalismus profitieren würden?
Hagen Krämer: Das Beispiel der Inflation zeigt sehr gut, dass es Formen des sozialen Ausgleichs braucht, in dem Fall etwa verstärkte Transferleistungen oder subventionierten Konsum. Preiskontrollen halte ich dagegen allenfalls kurzfristig für praktikabel, langfristig führen sie oft zu anderen Problemen. Aber ein verlässlicher Ausgleich ist notwendig, wenn wir Effizienz mit sozialer Gerechtigkeit verbinden wollen.
Kontrast: Gibt es eine gesellschaftliche Gruppe, die nicht von einem sozialen Kapitalismus profitieren würde?
Hagen Krämer: Das ist eine interessante Frage. Lassen Sie es mich so sagen: Wenn man für mehr Umverteilung eintritt – etwa über höhere Spitzensteuern, Vermögens- oder Erbschaftssteuern –, dann würden einige sehr privilegierte Menschen natürlich finanzielle Einbußen haben. Aber wir sind überzeugt, dass auch der Mehrheit der Besserverdienenden damit langfristig gedient ist. Der Neoliberalismus – vor allem in seiner autoritären Variante – untergräbt nämlich langfristig die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Wenn das System an seinen inneren Widersprüchen scheitert und ins Chaos abrutscht, würden auch diese Schichten ihre Lebensgrundlagen verlieren. Letztlich sollte also jede gesellschaftliche Gruppe von einem sozialen Kapitalismus profitieren. Vor allem hätte die große Mehrheit der Bevölkerung etwas davon.
Die Ausgaben der einen sind die Einnahmen der anderen
Kontrast: Wie ließe sich denn die Bevölkerung dafür gewinnen, Parteien ins Parlament zu wählen, die den sozialen Kapitalismus vorantreiben?
Hagen Krämer: Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler für den sozialen Kapitalismus zu gewinnen, ist sicher erst einmal nicht leicht – vor allem, wenn sie über Jahre hinweg bestimmte Begriffe und Narrative verinnerlicht haben. Man sieht das daran, wie auch in der Politik ständig von „Kostendruck“ und „internationaler Wettbewerbsfähigkeit“ die Rede ist, wenn es um Wirtschaft geht. Oder wenn pauschal von „der Wirtschaft“ die Rede ist und darunter ausschließlich die Unternehmen verstanden werden – dabei besteht sie ebenso aus den Menschen, die arbeiten und konsumieren. Wenn Wirtschaft vor allem aus der Perspektive von Unternehmen betrachtet wird, entstehen leicht falsche Vorstellungen.
Für ein einzelnes Unternehmen sind Wettbewerbsfähigkeit und Kostensenkung zentrale Ziele – und das wirkt zunächst plausibel. Der Neoliberalismus hat es dadurch kommunikativ oft leichter. Doch diese einzelwirtschaftliche Logik lässt sich nicht einfach auf die Gesamtwirtschaft übertragen. Genau darin liegt der klassische Fehlschluss der Verallgemeinerung. Denn volkswirtschaftlich gilt: Die Ausgaben der einen sind die Einnahmen der anderen. Wenn überall Kosten gesenkt werden, sinken insgesamt die Einkommen. Wirtschaft ist im Wesentlichen ein Kreislaufsystem.
Diese Zusammenhänge zu vermitteln, ist nicht leicht. Dagegen setzen sich vereinfachte Botschaften schneller durch – auch wenn sie falsch sind. Deshalb sind Politikerinnen und Politiker so wichtig, die komplexe Zusammenhänge gut und verständlich vermitteln können.
Hagen Krämer ist ein deutscher Ökonom mit den Forschungsschwerpunkten Einkommens- und Vermögensverteilung sowie Geschichte des ökonomischen Denkens. Er lehrte unter anderem an der Hochschule Karlsruhe, an der Karl-Franzens-Universität Graz, der New School for Social Research in New York und an der Meiji University in Tokio. Krämer erhielt für seine Arbeit mehrere Auszeichnungen, darunter den Kurt-Rothschild-Preis für Wirtschaftspublizistik.
Weitere Literatur: Hagen Krämer (2025): Sozialer Kapitalismus: Innerer Widerspruch oder machbare Vision? in: Wirtschaftsforum der SPD e.V. (Hg.) Visionomics, Fünf Säulen für Wohlstand in einer unsicheren Welt. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachf., S. 114-122.
Hagen Krämer, Christian Proaño, Mark Setterfield (2023): Capitalism, Inclusive Growth, and Social Protection: Inherent Contradiction or Achievable Vision? Cheltenham (UK), Northampton (MA): Edward Elgar Publishing.
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