Die Wohnkosten in Österreich sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Die neue Regierung hat mit dem „Mietpreisstopp“ einen ersten Dämpfer versprochen: Für 2025 werden viele Mieten jetzt eingefroren. Was das konkret für Mieter:innen bedeutet, wer profitiert und warum der Markt nicht alles regeln darf, erklärt Elke Hanel-Torsch, Geschäftsführerin der Mietervereinigung Wien, im Gespräch.
Frau Hanel-Torsch, der Nationalrat hat auf Initiative der neuen Dreierkoalition beschlossen, bestimmte Mieten für das laufende Jahr einzufrieren. Was bringt das den Betroffenen?
Elke Hanel-Torsch: Wer etwa in einer 70-Quadratmeter-Wohnung lebt und zehn Euro pro Quadratmeter zahlt, hätte ohne den Mietpreisstopp heuer mit einer Erhöhung von rund 20 Euro monatlich rechnen müssen. Für viele Leute ist das viel Geld.
In der Mietervereinigung sehen wir täglich, wie Alleinerziehende, alleinstehende Pensionist:innen oder migrantische Familien jeden Cent umdrehen müssen. Da machen 20 Euro einen großen Unterschied.
Wie weiß ich, ob mein Mietvertrag von dieser Regelung betroffen ist?
Elke Hanel-Torsch: Mieter:innen sollten sich zunächst fragen: In welcher Art Wohnung lebe ich? Davon hängt alles ab. Einfach gesagt, gilt der Mietpreisstopp für alle Gemeindewohnungen und teilweise für Genossenschafts- oder Altbauwohnungen.
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Wie sieht es bei den Genossenschaftswohnungen im Detail aus?
Elke Hanel-Torsch: In Genossenschaftswohnungen bleibt 2025 der Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrag – kurz EVB – unverändert. Auch das Wiedervermietungsentgelt und die Grundmiete bei ausbezahlten Wohnungen werden nicht angehoben.
Welche Regelungen gelten für Genossenschaftswohnungen, die noch nicht ausbezahlt sind?
Elke Hanel-Torsch: Hier gibt es keinen Stopp für das kostendeckende Entgelt, mit dem gemeinnützige Wohnbaugesellschaften ihre Kredite tilgen. Steigen die Kreditzinsen, wird das direkt an die Mieter:innen weitergegeben. Trotzdem profitieren sie leicht, weil der EVB eingefroren bleibt – das dämpft die monatlichen Kosten.
Kommen wir zu den Altbaumieten – für welche gilt die neue Regelung?
Elke Hanel-Torsch: Das hängt davon ab, ob man einen Richtwert-, Kategorie- oder angemessenen Mietzins zahlt. Bei der Richtwertmiete greift die Regelung nur, wenn im Vertrag eine Richtwertsicherungsvereinbarung nach dem Richtwertgesetz steht. Bei Kategoriemieten profitieren Mieter:innen mit Verträgen, die vor 1994 abgeschlossen wurden – oder wenn sie in einen solchen Vertrag eingetreten sind. Sie entgehen gleich zwei Erhöhungen: denn das in Miete und den Betriebskosten enthaltene Verwaltungshonorar bleibt heuer unverändert.
Für welche Altbaumieten gilt der Mietpreisstopp nicht?
Elke Hanel-Torsch: Ausgenommen sind Mieter:innen mit einem sogenannten „angemessenen“ Mietzins sowie jene in Wohnungen über 130 Quadratmeter in den Kategorien A oder B.
Profitieren Mieter:innen ungeregelter Wohnungen gar nicht?
Elke Hanel-Torsch: Doch, wenn im Vertrag steht, dass die Betriebskosten nach Paragraph 21 bis 24 des Mietrechtsgesetzes abgerechnet werden. Dann bleibt zumindest dieser Posten eingefroren.
Warum gilt die neue Regelung nicht einfach für alle Mieter:innen?
Elke Hanel-Torsch: Das war eine Sofortmaßnahme, um die unmittelbar drohende Mieterhöhung abzufangen – daher der Begriff „Mietpreisstopp“. Die Wohnkosten in Österreich sind durch die Inflation in den letzten Jahren stark gestiegen. Ohne diesen Eingriff würden Kategorie- und Richtwertmieten ab April um bis zu 4,2 Prozent steigen – das wäre die höchste Erhöhung für Kategorie-A-Wohnungen. Die anderen Mieter:innen wurden aber nicht vergessen. Als Nächstes soll eine gesetzliche Wertsicherung für den gesamten Wohnbereich kommen, die der Inflation entgegenwirkt. Ziel ist eine Kappung, wie sie ab 2028 bei geregelten Mieten besteht, also drei Prozent. Das muss jedoch genau geprüft werden, um rechtlich wasserdicht zu sein – und das dauert.
Besteht Grund zur Sorge, dass Vermieter:innen nun auf andere Weise Mieterhöhungen durchdrücken könnten?

Elke Hanel-Torsch: Manche werden es versuchen – etwa, indem sie trotzdem Erhöhungsschreiben schicken oder mit aufgeblähten Betriebskosten aus vorgeschobenen Gründen kommen. Mein Rat: Jede Vorschreibung vom Vermieter sofort prüfen lassen.
Aus der Immobilienbranche und von Interessensvertretungen gibt es Kritik: Niemand würde mehr Mietshäuser bauen, wenn es zu viele „Bremsen“ gibt.
Elke Hanel-Torsch: Natürlich soll Vermietung Geld einbringen. Aber Wohnen darf kein Bereich sein, in dem man sich auf Kosten anderer unendlich bereichert.
Es ist ein Grundbedürfnis, kein Spekulationsobjekt.
Die Branche sagt gern: „Der Markt regelt das.“ Doch wie das aussieht, zeigte Wien um 1900: totale Willkür, Vermieter:innen setzten Menschen über Nacht vor die Tür, Tausende konnten sich nur ein Bett leisten, das sie teilten. Das waren furchtbare Zustände. Nein, der Markt darf nicht alles regeln – es braucht regulierende Gesetze.
Sie sprechen oft von einem „fairen Mietrecht für alle“. Was meinen Sie damit?
Elke Hanel-Torsch: Ein Mietrechtsgesetz, das für alle gilt – außer im gemeinnützigen Wohnbau, der hat ein eigenes Gesetz. Jede:r soll geschützt sein und Rechte durchsetzen können. Wer im ungeregelten Bereich wohnt, kann heute nicht zur Schlichtungsstelle gehen, um den Vertrag prüfen zu lassen. Wucher vor Gericht anzufechten ist möglich, aber riskant – nicht jede:r hat die Nerven oder Zeit dafür. Ein einheitliches Gesetz könnte Spekulation eindämmen.
Im neuen Regierungsprogramm stehen weitere Änderungen für Mieter:innen. Auf welche sind Sie besonders stolz?
Elke Hanel-Torsch: Die Befristungsdauer für Mietverträge wurde von drei auf fünf Jahre angehoben. Darüber freue ich mich. Grundbedürfnisse befristet man nicht.
Markiert dieses Regierungsprogramm eine Wende?
Elke Hanel-Torsch: Es ist allen klar geworden, wie wichtig Wohnen ist – auch durch die Pandemie. Als wir zu Hause bleiben mussten, wurde vielen bewusst, was der Rückzugsort Wohnung bedeutet.
Ich sage immer: Es geht nicht nur um Leistbarkeit, sondern auch um Sicherheit. Ein sicherer Wohnort ist so essenziell wie ein sicherer Job.
Aus Ihnen klingt eine gewisse Leidenschaft. Was treibt Sie an?
Elke Hanel-Torsch: Ich habe einen starken Gerechtigkeitssinn und will Menschen zu ihrem Recht verhelfen. Als Landesvorsitzende für Wien verhandle ich nicht mehr selbst, dafür fehlt die Zeit. Aber ich mache weiter Telefonberatungen – ich will die Probleme aus erster Hand hören und wissen, was die Leute gerade umtreibt.
Haben sich die Probleme der Mieter:innen im Lauf der Zeit gewandelt?
Elke Hanel-Torsch: Die Betrügereien haben zugenommen. Jemand schließt einen Mietvertrag ab, zahlt Provision und Kaution – und dann stellt sich heraus, dass die Wohnung vom Anbieter nur per Airbnb gemietet war und gar nicht frei ist.
Wie lange sind Sie schon bei der Mietervereinigung Wien?
Elke Hanel-Torsch: Seit 2006. Es bedeutet mir viel, mit den Kolleg:innen täglich für die Rechte der Mieter:innen zu kämpfen.
Was ist die größte Summe, die Sie bisher erstritten haben?
Elke Hanel-Torsch: Für eine Dame haben wir einmal 80.000 Euro Rückerstattung erreicht. Aber die kleinen Erfolge berühren mich mehr: Wenn wir Betriebskosten prüfen und jemand 100 Euro zurückbekommt – viele kommen persönlich vorbei, um sich zu bedanken.
Manche rufen seit Jahren immer vor Weihnachten an, wir plaudern und erinnern uns: „Wissen Sie noch, damals …?“ Wohnen ist etwas zutiefst Persönliches.
Seit der Nationalratswahl sind Sie auch SPÖ-Abgeordnete. Sind Sie mit dem Regierungsprogramm zufrieden?
Elke Hanel-Torsch: Ich hätte mir noch mehr gewünscht. Aber beim Thema Wohnen bin ich froh: Es ist das umfassendste Programm seit zehn Jahren und ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Haben Sie ein Ziel als Abgeordnete?
Elke Hanel-Torsch: Ich will echte Konsequenzen für Vermieter:innen, die gegen Regeln verstoßen. Bisher riskieren sie wenig – im schlimmsten Fall zahlen sie zu Unrecht kassierte Mieten mit vier Prozent Zinsen zurück, ohne Strafe. Aber wenn Wohnen ein Grundbedürfnis ist, verletzt ein Vermieter mit überhöhten Mieten die Rechte der Mieter:innen. Wiederholungstäter sollten Verwaltungsstrafen bekommen.
Also eine Art Mietwucherstrafe?
Elke Hanel-Torsch: Genau. Für zu schnelles Fahren oder Steuerhinterziehung gibt es schließlich auch Strafen. Überall fördern Gesetze regelkonformes Verhalten und ahnden Fehltritte – nur im Mietrecht nicht. Das muss sich ändern.
Was soll mit den Verwaltungsstrafen geschehen?
Elke Hanel-Torsch: Das Geld könnte in den sozialen Wohnbau fließen oder armutsbetroffene Mieter:innen unterstützen. Dann hätten auch die Betroffenen etwas davon.

Elke Hanel-Torsch wurde in Kärnten geboren, studierte Rechtswissenschaften in Wien und arbeitet seit 2006 bei der Mietervereinigung Wien. 2016 wurde die Juristin geschäftsführende Landesvorsitzende. Nach der Nationalratswahl 2024 zog sie für die SPÖ in den Nationalrat ein und ist dort Bereichssprecherin für Wohnen und Bauten.
Bezirksgerichte:
Bei ihrem zuständigen Bezirksgericht erhalten Mieter:innen kostenlose Rechtsauskunft am sogenannten „Amtstag“ – meist ein bestimmter Vormittag pro Woche. Hier erhält man Rechtsauskünfte zu bereits laufenden Gerichtsverfahren oder zur Klärung, ob ein Gang zum Gericht sinnvoll ist. Infos über www.justiz.gv.at.
Mietervereinigung Österreichs:
Mitglieder erhalten kostenfreie, persönliche Beratung zu fixen Zeiten. Die Mitgliedsbeiträge variieren je nach Bundesland (ca. 141 € inkl. Einschreibgebühr im ersten Jahr in Wien). Für Mieter:innen in finanzieller Not gibt es Unterstützungsmöglichkeiten. Infos auf www.mietervereinigung.at.
Österreichischer Mieter- und Wohnungseigentümerbund:
Beratung, Vertretung und Überprüfung in allen wohnrechtlichen Fragen. Mitgliedsbeitrag für Mieter:innen ca. 95 € pro Jahr, Einschreibgebühr ca. 50 € (je nach Landesstelle unterschiedlich). Beratung nach vorheriger Terminvereinbarung unter Tel. +43 1 512 53 60. Infos unter www.mieterbund.at.
Mieterschutzverband:
Beratung österreichweit in Landesstellen. Mitgliedschaft im ersten Jahr ca. 262,20 € (inkl. Einschreibgebühr), ab dem zweiten Jahr ca. 142,20 €. Infos unter www.mieterschutzverband.at.
Österreichische Mieterinteressensgemeinschaft (MIG):
Beratung und Vertretung in allen wohnrechtlichen Angelegenheiten. Mitgliedsbeitrag z.B. 110 € pro Jahr in Wien, in Härtefällen individuelle Lösungen möglich. Infos unter www.mig.at.
Rechtsanwaltskammern:
Die Rechtsanwaltskammern Österreichs bieten österreichweit eine sogenannte „Erste anwaltliche Auskunft“. Bei einem kostenlosen Orientierungsgespräch mit einer/einem Rechtsanwält:in erhalten Mieter:innen Hilfe zu ihrer Rechtslage und zur empfohlenen weiteren Vorgehensweise im konkreten Fall. Infos unter www.rechtsanwaelte.at/service/erste-anwaltliche-auskunft.
Sie können maximal 7 Forderungen auswählen und ihre Abstimmung im Nachhinein ändern.