Verteilungsgerechtigkeit

Pöbel & Tiere: Warum sieht die ÖVP auf uns herab?

Kaum ein Satz offenbart mehr die Überzeugung, etwas Besseres zu sein, als der „Pöbel“-Sager von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid. Der verwaltet nicht nur unsere öffentlichen Anteile an Unternehmen wie der Post oder der OMV, sondern ist auch ein enger und langjähriger Vertrauter von Kanzler Sebastian Kurz.  Und wenn Schmid Menschen ohne große Vermögen oder politische Machtpositionen als „Pöbel“ und „Tiere“ verachtet, verrät das mehr über das politische Projekt von Sebastian Kurz und seiner türkisen Truppe, als diesem lieb ist.

Kurz selbst macht Politik für die Elite, aber er spricht freundlich zu denen, gegen die er Politik macht. Erst hinter der Fassade blitzt die Abwertung und Missachtung gegenüber Leuten hervor, die ihr Geld als KellnerIn, PflegerIn oder am Fließband verdienen. Sie zeigt sich aber nicht zum ersten Mal in den Chats seines ÖBAG-Chefs Thomas Schmid. Die Verachtung gegenüber arbeitenden Menschen blitzte schon hervor, als der Kanzler den ATB-Beschäftigten in Spielberg wochenlang nicht einmal antwortet, als sie ihn um einen Termin baten – sie brauchten seine Unterstützung gegen die Abwanderung ihrer Fabrik nach Polen. Oder als die österreichische Regierung bei der angedrohten Verlagerung des MAN-Werks von Steyr nach Polen den Beschäftigten in den Rücken fiel. Die FacharbeiterInnen im LKW-Werk seien zu teuer, eine Abwanderung nach Polen daher betriebswirtschaftlich rational, argumentierte Österreichs Arbeitsminister gegen die MAN-Arbeiter. Wirtschaftsministerin Schramböck gab Ähnliches von sich: Man müsse „den Standort wettbewerbsfähig machen“ unerwähnt ließ die Ministerin, dass in Steyr 20 Millionen Euro Gewinn gemacht wird, der Konzern Staatshilfen bekam und die Republik bevorzugt bei MAN einkauft.

Die Abwertung der Arbeitenden ist politisches Programm

Kurz und sein türkises Regierungsteam fühlen sich der Elite verpflichtet, mit „gewöhnlichen“ Existenzen wollen sie nicht in Berührung kommen – nur zur Wahl sollen sie gehen. Empfangen wollen Kurz, Blümel und Schmid Österreichs Milliardäre, die ihnen ihre politischen Wünsche in Ministerbüros und Nobel-Lokalen vortragen – die ArbeiterInnen sollen sich von ihnen fernhalten. Auch ihre Interessensvertretung wie Gewerkschaft und Betriebsräte sind lästig, „weg damit!“, wie Schmid in einer SMS schreibt.

„Wenn man die Arbeiter und Arbeiterinnen und den größten Teil der Angestellten nicht als gleichwertig wahrnimmt, sind Angriffe auf deren Menschenwürde in Wort und Tat zu erwarten. Die Abwertung der Arbeitenden ist politisches Programm“, schreiben die beiden Soziologen Jörg Flecker und Carina Altreiter in einem Standard-Gastbeitrag.

Das zeigt sich auch bei den Corona-Hilfen: Das Geld aus den Steuern der ArbeitnehmerInnen hat die Regierung kräftig nach oben verteilt. Kurz, Blümel und Kocher sorgten dafür, dass kein österreichischer Milliardär im Corona-Jahr um seine Gewinnausschüttung umfiel. Viele Branchen wie die Hotellerie wurden stark überfördert, doch auch bei Unternehmensgewinnen muss das Steuergeld nicht zurückgezahlt werden. Wer in der Krise aber seinen Arbeitsplatz verloren hat, hat 50 Prozent seines Einkommens verloren – deutlicher kann man kaum sagen: Ob man von 1.800 oder 1.000 Euro lebt, das macht für uns keinen Unterschied mehr, das ist ohnehin eine Pöbel-Existenz. Aber ob man 50 Millionen mehr oder weniger an Dividende ausschütten kann, das interessiert die Türkisen.

Keine Bedingungen für 35 Milliarden Euro Steuergeld

Dementsprechend hat sich die Regierung auch geweigert, das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent zu erhöhen oder die 35 Mrd. Euro Staatsgelder, die sie an die Unternehmen ausgeschüttet hat, an Pflichten zu koppeln: Etwa den Erhalt von Arbeitsplätzen oder den Verzicht auf Gewinnausschüttung an Aktionäre.

Die Elite hat in diesem Weltbild keine Pflichten, sie diktiert Pflichten. Und der Pöbel muss folgen, Ansprüche stellen darf er keine.

Damit wird auch die gesellschaftliche Übereinkunft aufgekündigt, dass alle Menschen gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft sind und ihre Würde zu achten ist. In Österreich gehört dem reichsten Prozent 40 Prozent des Vermögens. Auf der anderen Seite sind 1,1 Millionen Menschen armutsgefährdet und die Corona-Kosten zahlen zu 80 Prozent die ArbeitnehmerInnen, weil es keine Vermögenssteuern in Österreich gibt. Die soziale Ungleichheit nimmt zu, aber die „Elite“ spürt das nicht. Sie wissen nicht, wie normale Menschen leben und verachten, was sich diese Menschen politisch wünschen. Trotz ihrer Abgehobenheit trifft die Elite aber Entscheidungen, die vor allem die treffen, die sie als Pöbel verachten.

Für Kurz sind ganz normale Menschen „Pöbel“

Während die Elite überall Sozialbetrug wittert, um ihn laut anzuprangern und nach Sozialkürzungen zu rufen, sind Corona-Profiteure in der Elite nicht einmal eine Nebenbemerkung wert. Moralische Maßstäbe gelten nur für die unten. Reichtum und Macht auf Kosten anderer zu vermehren, gilt für sie als Norm. Gute Löhne und soziale Absicherung der Arbeitenden dagegen als Last und Anmaßung.

Interessant ist aber auch, wer für das Kurz-Umfeld zum Pöbel gehört: Das sind die Normalverdiener in Österreich. Schmid will nicht „reisen wie der Pöbel“, also Schlange stehen am Flughafen, statt mit dem Diplomatenpass als VIP bevorzugt zu werden. Dabei reist nur die wohlhabendere Hälfte der ÖsterreicherInnen maximal einmal im Jahr mit dem Flugzeug, 37 Prozent fliegen überhaupt nie. Es ist also die breite Mittelschicht, die den türkisen Eliten bereits zu arm und bedeutungslos ist.

„Pöbel“ unterstellt gewöhnlich einen Mangel an Kultiviertheit und Feingefühl. Wer die Chats des Ex-ÖBAG-Chefs mit einem Jahresgehalt von 600.000 Euro kennt, weiß: An Feingefühl und Kultiviertet mangelt es nicht denen, die eine Urlaubsreise in der Economy Class antreten, sondern überheblichen Menschen wie ihm.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 59%, 1476 Stimmen
    59% aller Stimmen 59%
    1476 Stimmen - 59% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 382 Stimmen
    15% aller Stimmen 15%
    382 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 309 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    309 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 220 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    220 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 4%, 110 Stimmen
    4% aller Stimmen 4%
    110 Stimmen - 4% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 2497
12. März 2024
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Patricia Huber

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