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News-Chef und Ex-Krone-Redakteur warnten vor Kurz-Einfluss auf Medien

Jetzt wird es sogar konservativen Medienmachern zu wild: Horst Pirker, Herausgeber des Magazins „News“, machte publik, dass ihm das Finanzministerium die Streichung von Inseraten als Strafe für einen kritischen Artikel angedroht haben soll. Der ehemalige Chronik-Chef der Krone, der mit Kurz lange Zeit auf Du und Du war und mit dem Kanzler in New York weilte, kritisierte Kurz und Co heftig und spricht davon, dass er aus „unsäglichem Ekel“ vor dem System schlussendlich seinen Job an den Nagel hängen musste.

Es ist nicht gut bestellt um Österreichs Medien. Die türkise Message-Control hat ihre Spuren hinterlassen. Der Medienmanager Horst Pirker und der ehemalige Chronik-Chef der Kronen Zeitung, Thomas Schrems, haben ausgepackt. Inserate werden als Druckmittel verwendet. Zwischen Politiker:innen und Journalist:innen hat sich eine ungesunde „Verhaberung“ breitgemacht. Pirker spricht gar von einer Spielart der Orbanisierung.

Selbst Konservative sind wegen Kurz besorgt

Bemerkenswert ist, dass beide nicht als Gegner der ÖVP bekannt sind. Pirker leitete den Styria Verlag, der im kirchlichen Besitz steht und bezeichnete sich als jemand, „der sich der ÖVP durchaus nahe gefühlt hat“. Schrems pflegte hingegen auch Kontakte zu Kurz selbst. In einem langen Facebook-Posting, in dem er die Praktiken von Sebastian Kurz kritisiert, beschreibt er ein enges Verhältnis: Kurz rief ihn vor seiner Ernennung zum Außenminister an und fragte Schrems, ob er den Posten annehmen sollte. Die beiden sind per Du und der Ex-Chronik Chef berichtet von einem feucht fröhlichen Abend auf einer New Yorker Roof-Top Bar mit Kurz und dessen Pressesprecher Gerald Fleischmann.

Wegschauen und schweigen

Schrems kritisiert in seinem Facebook-Posting vor allem die Verhaberung zwischen Politik und Medien. Auch die Journalist:innen, die sich einkochen lassen, kommen dabei nicht gut weg: „Und so ging es eben Schlag auf Schlag. Mit dem systematischen Einlullen und Gefällig-Machen von Journalisten. Mit dem alten Spiel aus Geben und Nehmen (da eine exklusive Story, dort Publicity für den aufgehenden Politik-Stern).“, so der Ex-Chronik Chef. Dabei nimmt er sich selbst auch nicht aus: „Bloß, weil sie dich plötzlich am Handy anrufen. Bloß, weil sie dir (rein dienstlich natürlich) die tollsten Reisen anbieten, die besten Exklusivgeschichten, dich in die teuersten Restaurants entführen und so weiter. Und da kann es dann auch passieren, dass man (wenn auch leicht beschämt und mit reichlich Alkohol kompensiert) wegsieht und schweigt …“

ÖVP-Machtexzess: Bis zu 100 PR MitarbeiterInnen

Pirker hingegen kritisiert ein System von „Inseratenkorruption“. Pirker sagt bekanntlich, dass seiner Verlagsgruppe der Entzug von Inseratengeldern angekündigt wurde, nach dem eine Story mit dem Titel „Message Control: So mies geht’s türkis“ erschienen ist. Er erklärt, dass es zwar schon immer eine gewisse Abhängigkeit zwischen Medien und Politik gab – nie jedoch auf einem Niveau, wie unter türkis-grün. Dabei kritisiert er unter anderem die massive Aufstockung von PR-Mitarbeiter:innen, die je nach Zählart mittlerweile zwischen 50 und 100 liege.

Kurz orbanisiert Österreich

Pirker findet die Praktiken von Kurz gefährlich und zieht einen Vergleich zu Ungarn. Kurz und die ÖVP verfolgen eine „Spielart der Orbanisierung“. Laut Pirker sei das Parlament und die Regierung bereits in türkiser Hand. Das Justizsystem als dritte Gewalt im Staat werden von der ÖVP massiv attackiert und die Medien werden anders als in Ungarn, nicht von Vertrauten aufgekauft, sondern mit öffentlichen Geldern gefügig gemacht.

„Die erste Wahl ist, dass man einzahlt. Wenn das nicht funktioniert, wie Türkis sich das vorstellt, dann wird bestraft mit Entzug von öffentlichen Mitteln, mit dem Entzug von Steuergeld – obwohl es um Anliegen geht die parteilicher Natur sind. (…) Wenn man Orban studiert, war dieser Zugriff auf die Medien ein wichtiger Punkt seiner Machterhaltung“, so Pirker gegenüber dem Radiosender Ö1.

Geld für die Kleinen und für Qualität als Auswege aus der Orbanisierung

Pirker hielte es für besser, wenn es gar keine Inseratengelder mehr geben würde, als das aktuelle System aufrecht zu erhalten. Die aktuelle Praxis verzerre den Wettbewerb und halte Medien am Leben, die es ohne öffentliche Gelder gar nicht mehr geben dürfe. Pirker fordert stattdessen, die Medienfinanzierung auf eine gesetzliche Ebene zu stellen, bei der nicht nur nach Druckauflage und Regierungsgefälligkeit gefördert wird. So sollen von einem Teil des Geldes kleine Medien überproportional profitieren, ein anderer Teil soll sich nach der Druckauflage richten und ein dritter Teil durch einen Expertenrat aus beispielsweise Universitäts-Professor:innen, nach Qualitätskriterien vergeben werden.

Niederösterreichische Nachrichten verweigerten Inserat mit Sobotka-Kritik

Welche Blüten die Message-Control treiben könnte, zeigt ein aktuelles Beispiel der Niederösterreichischen Nachrichten. Die Gewerkschaft vida wollte in der NÖN ein ÖVP-kritisches Inserat schalten. Das Inserat zeigt Wolfgang Sobotka mit seinem Zitat: Bei uns hat jede Person, die Auskunftsperson ist, eine ungeheure Sorge, dort etwas Falsches zu sagen, weil sie dort unter Wahrheitspflicht steht.” Darunter ein Foto des vida-Vorsitzenden Roman Hebenstreit und einem Zitat aus der Bibel: „8. Gebot – Du sollst nicht lügen!”. Die Niederösterreichischen Nachrichten lehnten das Inserat ab. Weil es ihren „ethisch-christlichen Werten” widerspräche. Die Gewerkschaft kauft der NÖN ihre Begründung nicht ab: „Ich denke, dass es in Wahrheit darum ging, sich einer politisch nicht genehmen Information zu entledigen“, sagt Franz Binderlehner, Generalsekretär der vida: „Wir kommen wieder in die Zeit vor der französischen Revolution zurück, wenn die Kirche uns vorschreibt, was wir äußern dürfen und was nicht.“

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Santiago-Pilger
Santiago-Pilger
9. Juli 2021 06:11

Besser als mit einer Presse die ohne Probleme ein ganzseitiges Orbaninserat gegen Brüssel schaltet und einer NÖN die ein medienpolitisches Schutzpatronat zugunsten Sobotkas türkisem Wahrheitstrauma betreibt könnte man den morbiden medienpolitischen Zustand dieser Republik nicht beschreiben.

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