Reichste Österreicher: Sie haben ihr Vermögen selten selbst aufgebaut, sondern als Erben erhalten. Ihre Familien sind seit Generationen reich. Von wegen „vom Tellerwäscher zum Millionär“. In der Regel gilt: Wer reich geboren ist, bleibt reich. Wir stellen Österreichs Geldadel vor und zeigen, wie er zu seinem Reichtum gekommen ist.
Bei den 50 reichsten Menschen haben in 38 Fällen Erbschaften eine Rolle gespielt. Das lässt sich aus der aktuellen Reichenliste des Wirtschaftsmagazins trend herauslesen.
4 von 5 Multi-Millionären ist also Geld ohne Leistung in den Schoß gefallen.
Die wohlhabendsten Familien von heute haben meist Vorfahren, die schon vor Jahrzehnten zu den reichsten Familien gehört haben. Der Reichtum wurde von Generation zu Generation – über Erbschaften – weitergegeben. Österreichs Familiendynastien sind außerdem eng mit Konzernen und deren Vermögen verbunden.
Neben Unternehmer-Dynastien spielt auch der Adel eine große Rolle. Bis 1918 bedeuteten Adelstiteln nämlich Grund und Boden, das eine oder andere Schloss und Abgaben der Bauern. Zwar gibt es heute in Österreich keinen Adel mehr, doch profitieren die Nachkommen noch immer von ihren Vorfahren aus Monarchie-Zeiten.
Eine dritte Variante, an Vermögen zu kommen, ist das Geld eines verstorbenen Partners zu erben. Ein Beispiel: Heidi Horten. Ihr Vermögen stammte in erster Linie aus einer Hinterlassenschaft von Helmut Horten. Der war ein deutscher Unternehmer, der durch die Zwangsenteignungen („Arisierung“) jüdischer Kaufhäuser reich wurde. Den Adeltitel bekam Heidi Horten dann durch ihren dritten Ehemann, Graf Karl Anton Goëss. Sie ließ sich auch „Gräfin“ ansprechen.
Studien haben untersucht, was solche Millionen-Erbschaften für die Vermögensverteilung im Land insgesamt bedeuten. So hat Sebastian Leitner, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche, gezeigt, dass Erbschaften in Österreich mit knapp 40 Prozent der wichtigste Faktor für ungleiche Verteilung sind. Einkommen sind viel weniger relevant, wenn es darum geht, sich Vermögen aufzubauen (20 Prozent). Auch aktuelle Ergebnisse der Österreichischen Nationalbank zeigen, dass das reichste Prozent der Haushalte in Österreich fast ein Viertel des Gesamtvermögens besitzt. Die „unteren“ 50 Prozent haben dagegen nur 4 Prozent.
In Österreich ist die Vermögensungleichheit seit Jahren auf konstant hohem Niveau und zählt zu den höchsten in ganz Europa.
Doch die Forschung ist schwierig, weil die Datenlage nach wie vor ungenügend ist. Die Liste der reichsten Österreicher ist nur ein Schnappschuss. An der Vermögens-Spitze bleibt vieles im Verborgenen – was auch im Interesse der Vermögenden selbst liegt.
Warum sollte es uns überhaupt interessieren, was irgendwelche Familien besitzen – und woher ihr Reichtum stammt? Nun ja, unter anderem, weil Vermögende Einfluss auf das politische Geschehen üben können – und weil sie Vorteile im Alltag gegenüber anderen Mitmenschen haben.
Die Österreichische Nationalbank bietet hierzu einen guten Überblick.
Die Diskussion zu den ÖVP-Parteispenden zeigt, wie die Reichsten des Landes die Politik beeinflussen wollen. Hier fand und finden sich Heidi Horten und viele andere als Großspender wieder. Für die Familie Mitterbauer spendete Peter Mitterbauer 300.000 Euro für die ÖVP. Seine Tochter Maria-Theresia Niss-Mitterbauer kam in den Nationalrat. Sie kandidierte für die Wiener ÖVP.
Und mit Klaus Ortner findet sich auch ein Vertreter der Ortner-Familie, der sich sehr spendable gegenüber der ÖVP zeigt. Klaus Ortner ist Teil der einflussreichen “Adler-Runde”, eine Gruppe von Tiroler Unternehmern und Erben, die immer wieder als Kurz-Unterstützer aufgetreten sind. Das Brisante: Im Wahlkampf 2017 forderte die „Adler-Runde“, dass die zukünftige Regierung den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche einführen und die Sozialversicherungs-Beiträge für Unternehmen senken soll. All diese Forderungen hat die Regierung ÖVP-FPÖ erfüllt. Ortner tritt auch gegen die Erbschafts- und Vermögenssteuer ein. Eine Forderung, die auch die ÖVP vehement vertritt. Ganz nebenbei bemerkt ist Iris Ortners unlängst von der Regierung Kurz in den Aufsichtsrat der neuen Staatsholding ÖBAG berufen worden.
Die Schnittmenge zwischen den ÖVP-Spendern und den Reichsten der Reichsten Österreich ist groß: Mit dabei sind die Rauch-Familie (Fruchtsäfte), die Gürtler-Familie (Rechtsanwalt), Familie Kaindl (Krono Group), Familie Senger-Weiss (Logistik) sowie Familie Umdasch (Umdasch Group). Sie zahlten zusammen mehrere Millionen Euro an die ÖVP. Wohl nicht zuletzt, weil die Partei von Kurz sich gegen Erbschafts- und Vermögenssteuern einsetzt, Steuern für Konzerne senkt und die Rechte von Beschäftigten einschränkt.
Dass es sich rentiert, Sohn oder Tochter sein, zeigen auch andere Länder. Ein Beispiel: Italien.
Die Ökonomen Guglielmo Barone und Sauro Mocetti haben dort zur Vererbung von Reichtum geforscht. Sie untersuchten im Auftrag der Banca D‘Italia den Reichtum in der Stadt Florenz seit dem Jahr 1427. Denn seit damals wurden in der ehemaligen Wirtschaftsmacht die Steuern akribisch aufgezeichnet. Und sie kamen zu dem bemerkenswerten Ergebnis:
Die beiden Wissenschaftler haben für ihre Studie Steuerarchive durchforstet und dabei herausgefunden, dass die reichsten fünf Familien aus dem Jahr 1427 auch heute noch die reichsten fünf Familien sind. Aber nicht nur die Spitze der Pyramide ist gleichgeblieben. Wer damals im oberen Drittel stand, ist auch heute mit ziemlicher Sicherheit dort anzutreffen.
Und Ebenso gilt: einkommensschwache Familien von damals haben mit einer großen Wahrscheinlichkeit auch heute noch denselben Status. Weder die industrielle Revolution, die Einführung der allgemeinen Schulpflicht noch der Ausbau des Sozialstaates hätten daran viel geändert.
Eine Handvoll Menschen bekommt in Österreich beinahe das gesamte vererbbare Vermögen, während alle anderen praktisch leer ausgehen. Von der Erbschaftssteuer ist nur eine ganz kleine reiche Minderheit betroffen.
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