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Roman Hebenstreit: „Abstiegsängste sind kein Randphänomen mehr“

Roman Hebenstreit: „Abstiegsängste sind kein Randphänomen mehr“

Copyright: ÖBB Deopito

ÖBB Deopito

Roman Hebenstreit Roman Hebenstreit
in Verteilungsgerechtigkeit
Lesezeit:3 Minuten
22. Dezember 2016
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Die Verunsicherung ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Doch ist die Zuwanderung – entgegen beliebter Behauptungen – nicht die Ursache dafür, wie Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, in seinem Kommentar schreibt. Es sind die Globalisierung und der Wettbewerbsdruck auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen, die zu gesellschaftlichen Spannungen führen. Ein Denkanstoß aus gewerkschaftlicher Sicht.

Abstiegsängste sind längst kein Randphänomen mehr. Menschen, die sich bescheidenen Wohlstand geschaffen haben, haben Angst, diesen zu verlieren. Die sogenannte „Generation Y“ hat immer stärker das Gefühl, den Lebensstandard der Eltern aus eigener Kraft nicht erreichen zu können. Außerdem setzt der internationale Wettbewerb die ArbeitnehmerInnen immer stärker unter Druck. Die Verunsicherung ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Diese Verunsicherung lässt sich nicht mit Schlagwörtern wie Asyl oder Migration erklären  (übrigens zwei Begriffe, die in der öffentlichen Diskussion allzu gerne vermischt werden). Das heißt nicht, naiv zu behaupten, dass die Zuwanderung überhaupt keine zusätzlichen gesellschaftlichen Spannungen produziert. Aber die Ursache des Problems liegt in der Globalisierung und dem zunehmendem Wettbewerbsdruck, der auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen ausgetragen wird. Und das ist nicht erst seit den Flüchtlingsbewegungen des letzten Jahres der Fall. Dennoch: Migration erfordert Regeln – nicht nur gesellschaftlicher Natur, sondern gerade auch auf dem Arbeitsmarkt. Es darf nicht sein, dass hier durch die Hintertür ein Billiglohnsektor geschaffen wird, der für die ArbeitnehmerInnen noch weitere Belastungen mit sich bringt.

Unsicherheit am Arbeitsmarkt

Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Von den Beschäftigten wird ständig mehr Flexibilität eingefordert, Fixanstellungen sind heute für viele mehr eine Ausnahme als die Regel. Gut ausgebildete junge Menschen haben es zunehmend schwerer, einen Arbeitsplatz zu finden, von dem man anständig leben kann. Einer bestenfalls stagnierenden Reallohnentwicklung für die breite Masse steht eine exorbitante Steigerung der Kapitaleinkünfte des obersten Prozents gegenüber.

Wir müssen wieder die grundsätzlichen Fragen stellen: Wo wollen wir eigentlich hin? Wie gehen wir als Gesellschaft mit diesen Entwicklungen um? Wie sollen unsere sozialen Sicherungssysteme in Zukunft aussehen, um die veränderte Arbeitswelt im 21. Jahrhundert abzubilden? Und wie sollen sie finanziert werden? Konzepte dafür gibt es bekanntlich genug. Wie bauen wir also eine gerechte Leistungsgesellschaft, in der sich jeder nach seinen Fähigkeiten entfalten kann? Eine populistische Mindestsicherungsdiskussion, wie sie manche Kräfte führen, bringt uns in der Bewältigung dieser Probleme nicht weiter. Durch eine Neiddebatte auf dem Rücken der Schwächsten, leistet man lediglich der Entsolidarisierung der Gesellschaft Vorschub.

Geben wir den arbeitenden Menschen ihre Sicherheit zurück! Fordern wir faire Löhne und gute Arbeitsbedingungen ein. Sagen wir „ja“ zu einem starken und modernen Staat, der den Menschen Schutz und Perspektiven bietet.

Wir können mit Recht stolz auf die hohen sozialen Standards in Österreich sein. Natürlich kostet das alles Geld. Aber das ist vorhanden. Unterhalten wir uns doch einfach mehr über eine gerechte Verteilung der Steuerlast zwischen Kapital und Arbeit als über Kürzungen bei den Ärmsten.

Protestparteien profitieren

Aus der beschriebenen Verunsicherung der Bevölkerung schöpfen auch die diversen Protestparteien ihre Kraft. Es wird mit Ängsten Politik gemacht, indem Feindbilder konstruiert werden. Ob nun wahlweise die Zuwanderung, der Islam oder die EU an allem schuld ist, spielt eine untergeordnete Rolle. Dass so viele Menschen diese Parteien wählen, sollte uns zu denken geben.

In den vergangenen Jahrzehnten haben die Menschen auf ihre Fragen von uns zu oft die falschen Antworten bekommen. Wir haben die Hegemonie über die Stammtischdiskussionen verloren.

Die persönlichen Motive für die Wahlentscheidung sind für den einzelnen aber immer legitim. Wenn Kommentatoren hochtrabend erklären, dass diese Menschen quasi dumm sind, werden wir diese Menschen nicht zurückgewinnen. Das verstärkt nur die Opferrolle, in der sich gewisse Akteure so gerne suhlen. Worum es wirklich gehen muss, ist diesen Menschen eine soziale und ökonomische Perspektive zu geben.

 

Roman Hebenstreit (45) ist Konzernbetriebsratsvorsitzender der ÖBB. Seit 5.12.2016 ist der gelernte Lokführer Vorsitzender der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida.

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In keinem Land der Eurozone ist Vermögen so ungleich verteilt wie in Österreich. Die reichsten 1 Prozent besitzen 41 Prozent des gesamten Vermögens, während die ärmere Hälfte Österreichs zusammen nur 3 Prozent des Vermögens besitzt. Der Großteil der Superreichen ist nicht durch harte Arbeit oder kluge Geschäftsideen zu Reichtum gekommen, sondern hat sein Vermögen geerbt. Auf diese gigantischen Erbschaften zahlen sie außerdem keinen Cent Steuern. Der Sozialökonom Stephan Pühringer argumentiert, dass diese Ungleichheit Gift für unsere Gesellschaft ist. Immer mehr Geld und Macht sind in der Hand von einigen wenigen konzentriert, während der Rest der Bevölkerung durch eigene Arbeit kaum mehr zu bescheidenem Wohlstand kommt. Zitat: Das Verhältnis zwischen Superreichen und dem Rest der Bevölkerung ist komplett aus dem Lot geraten. Gigantische Vermögen werden ohne jegliche Leistung oder Besteuerung vererbt. Das gefährdet den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Stephan Pühringer

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