Die FPÖ hat sich eine eigene Medienwelt aufgebaut. Die FPÖ-Nähe ist allerdings nicht bei jedem Magazin gleich erkennbar. Wir haben uns angesehen, wie viel FPÖ in den Zeitschriften „unzensuriert“, „Info-Direkt“, „Wochenblick“ und Co. steckt.
Initiiert wurde das Projekt unzensuriert.at im Jahr 2009 vom damaligen Dritten Nationalratspräsidenten, dem FPÖ-Mann Martin Graf, dessen damaliger Pressesprecher Alexander Höferl als Chefredakteur galt. Höferl war Kommunikationschef der FPÖ und arbeitet nun im Kabinett von Herbert Kickl. Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter von Graf, Walter Asperl, ist heute Geschäftsführer von „unzensuriert“. Die Adresse des Herausgebers ist der Sitz einer deutschnationalen Burschenschaft.
Das Magazin wurde bereits wiederholt wegen übler Nachrede zu Geldstrafen verurteilt (siehe auch hier und hier). Nach Gewaltaufrufen und positiver Bezugnahme auf den rechtsextremen Attentäter Anders Breivik kam es außerdem zu einer Anzeige durch die Parlamentsdirektion. Seit April 2017 hat das Portal einen deutschen Ableger.
Eine Undercover-Journalistin hat für das RTL-Magazin „Extra“ dem Redaktionsbüro von „unzsenuriert“ einen Besuch abgestattet. Ihr Urteil über die Artikel des Blogs: „Viele sind hetzerisch.“
Angelangt im „unzensuriert“-Büro in Wien, in einer Burschenschafter-Bude im 8. Bezirk, will die Journalistin wissen: Was will unzensuriert.at? Der Chefredekteur Höferl antwortet – überraschend – offen:
„Wir machen ja nicht dieses Medium, weil uns am unabhängigen Journalismus so sehr gelegen ist, sondern weil wir diese politischen Bewegungen in gewisser Weise unterstützen wollen. Im Prinzip wollen wir versuchen, dass wir uns mittelfristig vor allem gegenüber der AfD ähnlich positionieren, wie wir in Österreich gegenüber der FPÖ positioniert sind. – Eine reine Positiv-Berichterstattung zu fahren.“
Die Undercover-Journalistin verfolgt die Arbeit in der Redaktion, bekommt mit, wie Artikel entstehen und verbreitet werden. So werden Behauptungen, die Redakteure im Netz finden, nicht auf ihre Richtigkeit überprüft, sondern reproduziert, sofern sie ins Weltbilder der FPÖ und in ihr taktisches Konzept passen:
„Ihr Ziel: Rechte Parteien wie die FPÖ und die AfD zu stärken. Mit objektiver Berichterstattung hat das aus unserer Sicht nichts zu tun. Die Leser werden dabei manipuliert.“
Die Recherche-Ergebnisse der RTL-Journalistin wurden in der „Extra“-Sendung zum Thema Fake News veröffentlicht:
„Info-Direkt „wurde 2015 gegründet und ist bei der Österreichischen Landsmannschaft in Linz angesiedelt. Es gibt klare Verbindungen zur FPÖ. Detlef Wimmer, FPÖ-Stadtrat von Linz, hat schon Räumlichkeiten für Veranstaltungen der Zeitschrift organisiert. Ulrich Püschel, Büroleiter des Linzer FPÖ-Verkehrsstadtrats Markus Heinz, ist Miteigentümer des Magazins. So kommt es, dass die FPÖ bei „Info-Direkt“ prominent und vorteilhaft vorkommt. FPÖ-Politiker und Burschenschafter werden im Magazin als „Experten“ angeführt.
„Info-Direkt“ stellt Stefan Magnet als „Gast-Autor“ vor. Magnet war Aktivist des Bunds Freier Jugend. Die Organisation rekrutierte laut DÖW „Skinheads und jugendliche Neonazis„. In einem Prozess wegen Wiederbetätigung gegen BFJ-Aktivisten wurde er 2009 rechtskräftig freigesprochen.
„Identitären“-Werbung
„Info-Direkt“ machte auch Werbung für die als rechtsextrem eingestuften „Identitären“. Auf der Startseite gibt es Einschaltungen für deren Webshop:
„Info-Direkt“-Miteigentümer Plüschel ist selbst Fan der „Identitären“. Er marschierte bei Aufmärschen der rechtsextremen Gruppierung mit. „Identitären“-Mitglieder bekommen im Heft eine Bühne. Martin Sellner gehört zum Kader der „Identitären“ und war in der Neonazi-Szene aktiv. Im Februar 2017 verhängten die Behörden gegen Sellner ein Waffenverbot.
Artikel auf „Info-Direkt“ stammen nicht immer aus eigener Feder, Interviews werden erfunden . Das zeigt eine Recherche des ehemaligen Grünen-Abgeordneten Karl Öllinger, der zahlreiche Plagiate auf „Info-Direkt“ nachwies. Unter den Kolumnisten befindet sich auch Partei-Flip-Flopper Marcus Franz.
Das Heft wurde 1997 von Andreas Mölzer, der damals für die FPÖ im Nationalrat saß, gegründet und wird vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) als „publizistisches Bindeglied zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus“ eingestuft.
Inhaltlich bewegt sich das Heft auch schon mal im Grenzbereich zur Wiederbetätigung: 1999 wurde ein „Zur Zeit“-Autor wegen seines Artikels sogar zu einer einjährigen Haftstrafe nach dem Verbotsgesetz verurteilt, nachdem er Adolf Hitler als „Großen Sozialrevolutionär“ beschrieb, der keine Schuld am Zweiten Weltkrieg trage.
2012 gab es gleich zwei Beschwerden vom Presserat – unter anderem für die mehrmalige Verwendung des N-Wortes in einem Artikel.
2014 bezeichnete das Magazin Proteste gegen den Ball deutschnationaler Burschenschaften in der Wiener Hofburg als „Kristallnacht“, eine Verharmlosung des Novemberpogroms 1938. Selbst ein ehemaliger Autor beschreibt das redaktionelle Umfeld der „Zur Zeit“ als „altdeutsch faschierte Großdeutschtümler„. 2015 untertitelte das Magazin ein Bild, das eine Kindergartengruppe in Wien zeigte, wie folgt:
„Kindergarten in Wien: Die rassische Durchmischung ist unübersehbar.“
Die oberösterreichische Zeitschrift „Wochenblick“ gibt es seit März 2016. Die Inhalte der Zeitschrift sind sehr eingeschränkt: Flüchtlinge und Migration sind die vorherrschenden Themen. Mehrere RedakteurInnen sind bzw. waren Funktionäre in der FPÖ und ihren Vorfeldorganisationen. Ein Beispiel ist Nicole di Bernardo. Sie hat für die FPÖ bei der Nationalratswahl 2017 kandidiert. Die Stadt Wels, die von einem FPÖ-Bürgermeister regiert wird, schaltet Inserate im wohlwollend schreibenden Magazin. So trägt man zur Finanzierung bei.
Über die eigene Redaktion oder die konkrete Finanzierung gibt „Wochenblick“ keine Auskünfte.
Seit 2015 ist „alles roger?“ in Vertrieb und wird gelegentlich gratis verteilt. Laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) verbreitet das Heft „verschwörungstheoretische Positionen“. Das Mauthausen Komitee Österreich klassifiziert „alles roger?“ als tendenziell antisemitisch. Seit November 2018 sitzt mit Regina Zeppelzauer die ehemalige Pressreferentin von Sozialministerin Hartinger-Klein (FPÖ) in der Chefredaktion.
Das Heft „alles roger?“ wurde von Ronnie Seunig gegründet. Dieser leitet das Einkaufszentrum „Excalibur“ an der österreichisch-tschechischen Grenze. Seunig ist eine schillernde Figur: Bis 2002 war er FPÖ-Mitglied, sympathisierte mit dem Haider-Flügel und trat nach Knittelfeld aus der Partei aus. 2003 bemerkte ein „trend“-Journalist während eines Interviews, dass auf Seunigs Zimmerdecke ein dunkles Gemälde von Adolf Hitler im Profil abgebildet ist. Darauf angesprochen antwortete Seunig:
Und Seunig ergänzte, dass es nicht Hitler war, der den Zweiten Weltkrieg initiiert hat – man habe ihn lediglich provoziert, so seine Deutung.
Seunig und Chefredakteur Roland Hofbauer lassen sich zudem gerne bei rechtsextremen Veranstaltungen blicken, etwa beim Kongress „Verteidiger Europas“.
Im Magazin finden sich Homestories über „Identitäre“ und Interviews mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache oder dem damaligen FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer. Beide Politiker haben – als Dankeschön – Werbung für das Magazin gemacht. Die politische Sympathie ist eindeutig. Fehlt es an InterviewpartnerInnen, kauft das Magazin Beiträge von Agenturen aus dem Ausland. Dabei kommt es auch vor, dass gefälschte Interviews veröffentlicht werden.
Die „AULA“ ist das Zentralorgan der deutschnationalen Korporationen in Österreich. Der AULA-Verlag gehört den Freiheitlichen Akademikerverbänden (FAV), die als Vorfeldorganisationen der FPÖ angesehen werden können. Das Magazin „AULA“ wird vom DÖW als rechtsextrem eingestuft. 2009 wurde der Holocaust in der Aula als per Gesetz verordnetes Geschichtsbild (Ausgabe 3/2009, S. 26) bezeichnet. Die NGO SOS Mitmensch kritisiert, dass die „AULA“ mit der NPD in Deutschland sympathisiert und das Verbotsgesetz ablehnt.
Trotz dieser Ausrichtung, die sich in den vergangen Jahren noch zuspitzte, haben FPÖ-Funktionäre in diesem Medium publiziert, selbst Parteichef Strache gab der „AULA“ bereits Interviews, in denen er bekräftigte, die „AULA“ fände in der FPÖ „immer einen verlässlichen Ansprechpartner“. Zudem inserierte die FPÖ regelmäßig und in hohem Ausmaß im Magazin.
In der Mai-Ausgabe 2018 kommentierte der AULA-Autor Thomas Seifert den Eurovision Song Contest und beschimpfte Cesar Sampson als „Quotenmohr“. Es hagelte daraufhin heftige Kritik. Die FPÖ behauptete, nichts mit der AULA zu tun zu haben. Einige FAV-Ableger, die Anteilseigner der AULA waren, haben sich strategisch zurückgezogen. Der größte Anteilseigner, der Freiheitliche Akademikerverband Steiermark (er hält 36,8 Prozent des AULA-Verlags) bleibt der AULA treu. FPÖ-Politiker und Burschenschafter, darunter der Nationalratsabgeordnete Kassegger oder der steirische FPÖ-Politiker Sickl, sind Funktionäre des FAV Steiermark.
Ab Herbst 2018 soll es ein Magazin unter anderem Namen geben.
Zum Weiterlesen:
„Was zur Hölle geht eigentlich bei unzensuriert?“ (VICE)
Die politische Rechte und ihre Gegenöffentlichkeit (Wiener Zeitung)
Wie FPÖ-nahe Medien politische Gegner an den Pranger stellen (Profil)
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