Gesundheit & Leben

ÖVP und FPÖ beschließen Sonderklasse in Ambulanzen

Im Gesundheitsausschuss hat Ministerin Hartinger-Klein (FPÖ) eine Novelle eingebracht, die eine Sonderbehandlung von privatversicherten Patienten in Ambulanzen ermöglicht. Eigene Wartebereiche, den Wunsch-Arzt und eventuell sogar kürzere Wartezeiten als die anderen Ambulanz-Patienten sollen künftig jenen mit Zusatzversicherung zur Verfügung stehen. Am Tag darauf hat Bundeskanzler Sebastian Kurz versprochen, dass es das nicht geben wird – das soll auch „explizit ins Gesetz“ geschrieben werden. Sieben Tage später beschließen ÖVP und FPÖ das Gesetz inklusive VIP-Ambulanzen.

Die Aufregung war groß, als Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein im Gesundheitsausschuss angekündigt hat, dass es „Sonderklasse in Ambulanzen hinsichtlich des Wartebereichs“ geben soll. Bisher galt in öffentlichen Krankenhäuser: Alle sollen die bestmögliche medizinische Betreuung erhalten – unabhängig von ihren finanziellen Mitteln. Die Vorteile einer Zusatzversicherung sind auf Einzelzimmer und bessere Verpflegung beschränkt. Doch das soll sich ändern: ÖVP und FPÖ haben am 4. Dezember im Gesundheitsausschuss eine Novelle des Krankenanstalten-Gesetzes durchgebracht, die es ermöglicht, finanzstarke Patienten in der Spitalsambulanz zu bevorzugen.

Darauf angesprochen reagiert Bundeskanzler Kurz ablehnend: „Wir lehnen das klar ab und schreiben das notfalls explizit ins Gesetz“, verspricht der Kanzler nach dem Ministerrat. Eine Woche später ist das Versprechen vergessen: ÖVP und FPÖ beschließen das Gesetz inklusive Sonderklasse in den Ambulanzen im Nationalrat. Beruhigen soll ein Entschließungsantrag, der jedoch kein Gesetz, sondern nur eine unverbindliche Willenserklärung ist. Darin wird Gesundheitsministerin Hartinger-Klein (FPÖ) gebeten, mittels „Monitoring“ zu beobachten, ob es durch die nun ermöglichte Sonderklasse in Ambulanzen zur ungleichen Behandlung von Patienten kommt.

Wer Geld hat, wartet im VIP Bereich und bekommt besseren Arzt

Konkret sieht der Gesetzestext laut Hartinger-Klein Folgendes vor: Die Bundesländer sollen die Möglichkeit haben Patienten, die sich Sondergebühren leisten können „hinsichtlich des Wartebereichs oder der freien Arztwahl“ zu bevorzugen.

Wer es sich leisten kann, soll also beispielsweise in einen VIP-Wartebereich Platz nehmen und sich den Arzt aussuchen können. Schlimmstenfalls könnte sich das Gesetz auch auf die Wartezeiten auswirken.

Regierungsvorschlag verstößt gegen Gesetz

Die Änderung haben ÖVP und FPÖ in den „Erläuterungen“ des eigentlichen Gesetzes versteckt. Im sperrigen Beamtendeutsch klingt das dann so:

„Zur Unterstützung der Umsetzung des spitalsambulanten Abrechnungsmodels haben die Länder die Möglichkeit, die Einhebung von Sonderklassegebühren für jene Leistungen vorzusehen, die bisher stationär erbracht und für die die Verrechnung von Sonderklassegebühren möglich war, die nunmehr auf Grund des spitalsambulanten Abrechnungsmodells ambulant zu erbringen sein werden. Der Einhebung solcher Sondergebühren haben adäquate Leistungen gegenüber zu stehen.“

Dieser Absatz bedeutet nicht nur Verschlechterungen für Normalpatienten, sondern verstößt auch gegen geltendes Recht. Denn Sonderklassepatienten dürfen nur bei den sogenannten „Hotelkomponenten“ eines Krankenhausaufenthaltes bevorzugt werden. Sie dürfen also eine bessere Zimmerkategorie oder andere Verpflegung bekommen – niemals aber bessere medizinische Behandlung.

17,5 Millionen Ambulanzbesuche sind betroffen

Betroffen von dieser Änderung sind fast alle. Egal ob man eine leichte Knieverletzung hat oder zur Nachkontrolle einer Operation muss. Insgesamt geht es um 17,5 Millionen Ambulanzbesuche im Jahr, bei denen künftig die Geldbörse über die Behandlung der Kranken entscheidet.

Nach heftiger Kritik von der Opposition streiten Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Sozialministerin Hartinger-Klein (FPÖ) dieses Vorhaben ab. Dabei finden sich die Sonderklasse für Ambulanz-Patienten nicht nur in den Erläuterungen zum Gesetz, sondern auch in den Stellungnahmen der Länder. So fürchten etwa Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg, dass ihnen durch die Verlagerung von der stationären Behandlungen in die Tageskliniken Einnahmen aus der Sonderversicherung entgehen. Sie wollen bei ambulanten Behandlungen die Möglichkeit haben, „eine Sonderklassegebühr einzuheben“. Vorarlberg schreibt ganz deutlich: „Für die Landesgesetzgebung sollte die Möglichkeit geschaffen werden, bei Durchführung dieser nunmehr ambulant zu erbringenden Leistungen, sofern dabei im Sinne des § 16 Abs. 2 mit einer besonderen Ausstattung höheren Ansprüchen Rechnung getragen wird, weiterhin eine Sonderklassegebühr einzuheben.“

Privatversicherungen haben Wunschzettel geschrieben

Noch weiter geht der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, sozusagen die Stimme der privaten Gesundheitsversicherer. Er schlägt in seiner Stellungnahme zum Gesetz vor, Privatpatienten in Ambulanzen baulich getrennte A-Klasse Bereiche zur Verfügung zu stellen, “ vergleichbar mit Erste-Klasse- oder Businessabteilen im Zug“, eigene Sonderklasse-Schalter soll es ebenso geben wie kostenlose Parkmöglichkeiten und Erfrischungen. Sonderklasse-Patienten sollen sich im Unterschied zu den restlichen Patienten ihren Arzt frei wählen können.

[veröffentlicht am 4.12.2018, aktualisiert am 13.12.2018]

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