Der Großteil der Demenz-Kranken wird zu Hause von Angehörigen gepflegt. Isolde Fjot ist eine von ihnen. Ihr Mann leidet an Demenz.
Demenz kommt schleichend. Zu Beginn sind es nur Kleinigkeiten: ein vergessener Termin, ein verlorener Schlüssel oder eine verlegte Brille. Die Krankheit nimmt schließlich den gesamten Alltag ein. Demenz-Kranke brauchen Hilfe – und finden diese oft bei Angehörigen.
Isolde Fojt weiß viel darüber zu erzählen. Die frühere kaufmännische Angestellte pflegt ihren Mann Franz rund um die Uhr. Ein Neurologe bestätigte 2015, dass er an Demenz leidet. Heute kann der gelernte Installateur nicht mehr lesen und nicht mehr schreiben. Was macht das mit dem Alltag eines Ehepaares?
„Das große Vergessen“
Franz Fojt überlegt angestrengt in seiner Wohnung im 3. Wiener Gemeindebezirk. Irgendetwas wollte er eigentlich gerade machen. Er sucht etwas, weiß aber nicht mehr, was es war. Seine Frau kennt die Situation. Sie eilt herbei und macht Herrn Fojt die Toilettentür auf – Alltag im Leben mit Demenz-Kranken.
„Kein Fall ist wie der andere, aber grundsätzlich ist Demenz das große Vergessen“, erzählt Isolde Fjot. Zuerst ist das Kurzzeitgedächtnis betroffen, später erst das Langzeitgedächtnis. Herr Fojts große Liebe war immer die Musik und der Tanz – das blieb ihm bis heute. Das Ehepaar Fojt schwingt oft das Tanzbein. „Manchmal vielleicht nicht mehr so flott wie früher, aber getanzt wird immer noch“, erzählt Frau Fojt. Ihr Mann ist ein riesiger Fan von Boogie-Woogie und Rock’n’Roll. Seine Schallplatten sind ihm heilig.
Bis 2050 doppelt so viele Demenz-Kranke
In Österreich leben ungefähr 115.000 bis 130.000 Menschen mit irgendeiner Form der Demenz. Das Risiko steigt mit dem Alter. Mit der älter werdenden Bevölkerung steigt auch die Zahl der Demenz-Kranken. Bis ins Jahr 2050 wird sich die Anzahl vermutlich verdoppeln. Der Betreuungs- und der Pflegebedarf wird weiter steigen.
Leicht ist das Leben nicht immer als Ehefrau und Pflegerin, aber Frau Fojt gehört zu dem Typ Mensch, der sich nie beschwert. „Als Wienerin bin ich privilegiert“, sagt Frau Fojt. Das Angebot ist groß. 2017 haben 59.430 Wienerinnen und Wiener geförderte Pflege- und Betreuungsleistungen genutzt. Dafür wurde mehr als eine Milliarde Euro aufgewendet.
Kegeln und singen fürs Gehirn
Herr Fojt wird zwei Mal die Woche in der Früh abgeholt und am Nachmittag zurückgebracht. In den Stunden dazwischen ist er in einem Tageszentrum in der Oriongasse mit anderen Betroffenen von Demenz. Franz Fojt kegelt und singt dort und trainiert bei all diesen Aktivitäten sein Gehirn. „Seit Franz im Tageszentrum ist, blüht er auf. Manchmal kommt er so voller Energie nach Hause, dass wir noch Stunden plaudern können“, erzählt Frau Fojt, die schmunzelt: „Da weiß ich dann immer: Heut wird er wieder singend einschlafen.“
“Bin nicht alleine”
Das Tageszentrum gibt nicht nur dem 75-jährigen Kraft, sondern auch seiner Frau. Angehörige tauschen sich aus und bestärken sich gegenseitig. „Alle glauben immer schon alles erlebt zu haben, doch dann reißt auf einmal wieder die Augen auf, wenn man andere Geschichten hört“, so Frau Fojt. „Man sieht, dass man nicht alleine ist.“
Kraft hat sie die letzten Jahre oft gebraucht: Isolde Fojt hat die Wohnung für ihren Mann umbauen müssen. Bad und WC hat sie komplett erneuert. Franz Fojt musste in den drei Wochen der Umbauarbeiten in eine 24-Stunden-Betreuung gebracht werden: „Da waren gleich wieder 1.500 Euro weg.“ Isolde Fojt will sich trotzdem nicht beklagen: „Wenn ich mir eine Sache wünschen könnte, dann wäre es nur den alten Franzl zurückzuhaben.“