Ein Deal mit dem Multi-Investor und Kurz-Freund René Benko brachte in Lech am Arlberg ein politisches Urgestein zu Fall: Der ÖVP-Bürgermeister Ludwig Muxel war 27 Jahren im Amt, bis ihn ein unbeliebter und umstrittener Deal mit Benko in eine unerwartete Stichwahl drängte. In das neue Gemeindezentrum des Nobel-Skiorts will Muxel nämlich nicht die ortsansässigen Geschäfte lassen, sondern nur Benkos Nobel-Kaufhaus KaDeWe. Die Geschäftsleute sind enttäuscht und fürchten schwere Umsatzeinbußen.
Die Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen in Vorarlberg hat eine Überraschung für Lech am Arlberg gebracht: Ludwig Muxel wurde zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt 1993 nicht im ersten Wahlgang zum Bürgermeister gewählt.
Muxel muss in Stichwahl
Der Langzeit-Bürgermeister der 1.600-Einwohner-Gemeinde Lech muss in die Stichwahl. Und das mit schlechten Aussichten: In der Direktwahl kam er mit 369 Stimmen auf 35,45 Prozent. Sein Herausforderer, der langjährige Standesbeamte Stefan Jochum, bekam mit 496 Stimmen 47,65 Prozent und verfehlte damit um 25 Stimmen die Direktwahl. Und das bei hoher Wahlbeteiligung: In Lech gingen fast 82 Prozent der Wahlbeteiligten zur Urne.
„Das Ergebnis ist natürlich für mich zur Kenntnis zu nehmen“, sagt Muxel niedergeschlagen.
Unzufriedenheit schafft Vielfalt
Das Interesse an der Wahl war schon im Vorfeld groß: Vier Listen sind angetreten. Das ist in Lech etwas Besonderes und zeugt von großer Unzufriedenheit – gab es doch in der Vergangenheit immer wieder gar keine antretenden Listen. Man entschied per Mehrheitswahl über die Gemeindevertretung, wo die Wähler die gewünschten Kandidaten auf einen leeren Stimmzettel schreiben. In Vorarlberg ist die Tradition der (mehr oder weniger) unabhängigen Bürgerlisten groß. Auch Muxel und Jochum traten nicht für eine Partei an, sondern mit einer eigenen Liste. Doch Muxel gilt als ÖVP-Kandidat. Bei Jochum ist das unklarer. Er arbeitet seit Jahrzehnten in der Gemeinde und gilt als Nummer 2 im Dorf. Er ist aber der liberalere Kandidat für die Lecher.
Die Baugrube, die das Dorf spaltet
Das Interesse an der Gemeindepolitik kommt vom Gemeindezentrums-Skandal, sind sich viele im Land sicher. Auch Jochum selbst startete erst nach dem verschobenen Wahltermin im März in den Wahlkampf. Der Grund: “Das Loch, das das Dorf spaltet”, wie es in einer Wahlkampf-Diskussion heißt. Das alte Amtshaus ist bereits abgerissen, im Ortskern klafft eine 2.000 Quadratmeter große Baugrube. Denn fürs erste ist der geplante Umbau des Gemeindezentrums gestoppt.
2.500 Quadratmeter Luxus-Kaufhaus
“Das, was die Gemeinde geplant und abgestimmt hat, war ein gutes Projekt. Aber es ist jetzt etwas Anderes: Wir bauen ein KaDeWe, und nicht ein Kultur- und Gemeindehaus. Da muss man schon zuerst mit den Leuten reden”, erklärt Jochum seine Motivation.
Dass es ein Luxus-Kaufhaus auf 2.510 Quadratmeter in Lech braucht, bezweifelt der Standesbeamte im Vorfeld der Wahlen.
Ursprünglich plante man in Lech einen Umbau des alten Amtshauses zum Kultur- und Gemeindezentrum. Einen Gemeindesaal für 700 Menschen, Proberäume und Büros für die Gemeinde und die Tourismus-Stelle. Ein kleiner Teil davon hätte Einkaufsmöglichkeiten beherbergen sollen: 510 Quadratmeter im Erdgeschoss plante man als Geschäftsfläche. “Auf Anfrage von Interessenten” bot Muxel die Option auf weitere 2.000 Quadratmeter Handelsfläche in der Tiefgarage.
Und dieser Interessent ist kein anderer als René Benko. Über seine Signa-Gruppe hält er fast die Hälfte der KaDeWe-Group; die anderen 51,9 Prozent sind in der Hand der thailändischen Central Group. Bereits Mitte Mai, einen knappen Monat nach der Ausschreibung, legte Benko einen fertigen Plan vor – für 2.510 statt 510 Quadratmeter.
Jochum sagt dazu: “Aus 500 Quadratmetern Handelsfläche wurden 2.600 Quadratmeter gemacht – und das ohne die Menschen in Lech darüber zu informieren, ohne mit unserem heimischen Handel darüber zu sprechen und ohne angemessene Diskussion in der Gemeindevertretung.”
Lech: völlig abhängig vom Tourismus
Lech ist mit 849.582 Übernachtungen im Winterhalbjahr 2017/18 die elftstärkste Gemeinde Österreichs. Das schlägt sich auch im Dorfbild nieder: nur 188 der 541 Gebäude im Ort sind Wohnhäuser, 276 sind Hotels.
Die Menschen im Ort sind vom Tourismus abhängig. Ein Drittel der Erwerbstätigen sind selbstständig, viele von ihnen haben einen Beherbergungs- oder Gastronomiebetrieb. 40 Prozent aller Lecherinnen und Lecher arbeiten in diesen Betrieben: 1.312 Menschen arbeiten allein in den 156 Tourismusbetriebe der Gemeinde. 235 Arbeitnehmer sind in den Verkehrsbetrieben, zu denen auch die Seilbahnen gehören, und 207 Menschen verdienen ihr Geld im Handel.
“Wer keinen Betrieb übernimmt, geht weg”, sagt ein Kenner des Ortes zu Kontrast. Es gibt kaum Lehrbetriebe, die nicht Tourismus sind. Und auch der Installateur im Ort hängt an den Aufträgen aus den Hotels.
An dieser Abhängigkeit hat die Gemeinde in den letzten Jahren nichts geändert – im Gegenteil. Das Investment geht in den Fremdenverkehr, nicht in die Infrastruktur für die Anwohner. 150 Millionen Euro kostete allein die Liftverbindung zwischen St. Anton, Lech und Zürs – zusätzlich zum millionschweren Liftanschluss für den Vorort Warth einige Jahre zuvor.
Das rächt sich jetzt: Seit der Corona-Krise beklagen viele Betreibe 80 bis 100 Prozent Umsatzeinbußen. Das bedeutet auch für die Gemeinde einen riesigen Einnahmenentgang. Auch deswegen will Stefan Jochum, sollte er den Wahlsieg erringen, das Gemeindezentrum “aufschnüren”:
“Wir müssen vor allem sicherstellen, dass wir auch angesichts der Einsparungen, die nach Corona in der Gemeinde notwendig sein werden, nicht unnötig Geld versenken, das wir an anderer Stelle – zum Beispiel bei der Bildung, im Bereich Soziales, beim leistbaren Wohnen, oder bei der Kinderbetreuung dringend benötigen.”
“Ruin für einheimische Betriebe”
Lech ist Nobel-Skiort; 2.560 der 6.987 Gästebetten stehen in vier- oder fünf-Stern-Hotels. Auch der heimischer Handel ist im Nobel-Sektor unterwegs. Schon lange klagt man im Ort über die “touristische Monokultur”. Kleine Handel- und Wirtschaftsbetriebe zahlen ebenso Tourismus-Abgaben wie die großen Hotels, obwohl sie davon kaum profitieren. Durch KaDeWE befürchten sie endgültig von der Konkurrenz erdrückt zu werden.
Aber auch für die ortsansässigen Nobel-Marken bedeutet der Einzug von KaDeWe das sichere Ende. Der gesamte Handel tat sich zusammen. Alle 16 Geschäftsinhaber schrieben Muxel einen offenen Brief. Beanstandet hat man vor allem die kurze Frist, die coronabedingt von nur fünf Wochen um einen Monat verlängert wurde. Doch in einer „derart krisenreichen Zeiten“ spiele auch das nicht den heimischen Betrieben in die Karten, sondern wohl eher der international agierenden KaDeWe-Group. Die “größtenteils ortsansässige und familiengeführte Unternehmen” orten einen existenzbedrohenden Wettstreit.
“Aus unserer Sicht kann es jedoch nicht Aufgabe der Gemeinde sein, über Jahrzehnte gewachsene und familiär geführte Betriebsstrukturen mit einem überdimensionierten Einkaufszentrum, betrieben von einem ausländischen Handelskonzern, massiv zu gefährden und sehr wahrscheinlich in Einzelfällen auch zu ruinieren”, heißt es in dem offenen Brief.
Im Dorf zweifelt man daran, dass es tatsächlich einen erhöhten Bedarf an mehr Shopping-Optionen gibt: Heimische Luxusmarken wie Sagmeister (Mode), Brändle (Ski-Ausrüstung), Lenai-Linai (Trachten-Design) oder Strolz (Ski-Ausrüstung mit Maßanpassung), aber auch Bäckereien und Handwerksbetriebe fühlen sich vom Benko-Konzern bedroht.
“2.600 Quadratmeter braucht man nur, wenn man ein KaDeWe in Lech bauen will”
Dem schließt sich Jochum an: Für eine derart große Handelsfläche gibt es in Lech keinen Grund und auch keinen Bedarf, heißt es im Wahlprogramm. Und weiter:
2.600 Quadratmeter braucht man nur, wenn man einen externen Investor nach Lech holen will – wenn man ein KaDeWe in Lech bauen will.
Olivia Strolz, Betreiberin eines Skiverleihs, nennt das Projekt Medien gegenüber „Irrsinn“. Der Bau wird auch mit der Erhöhung von Gemeindesteuern bezahlt. „Wir finanzieren also unseren eigenen Untergang“, sagt sie. Nicht nur der Handel, auch die Anwohnerinnen und Anwohner wehren sich gegen das geplante Bauprojekt. Das Ausmaß der Gebäudes ist zu groß und unverhältnismäßig im Vergleich zu den umstehenden Häusern, man hat Angst vor einer Verstädterung.
Verhandlungen mit Benko schon seit 2018
Den im Ort ansässigen Händler stieß nicht nur die kurze Frist sauer auf, sondern auch, wie überraschend schnell der internationale Konzern Pläne parat hatte. 2.500 Quadratmeter betragen rund 80 Prozent der derzeitigen Handelsfläche. Das hätte nicht nur die Fläche für Shopping im kleinen Ort fast verdoppelt, sondern auch eine Monopol-Konkurrenz für den heimischen Handel bedeutet.
“Die Ausschreibungsfrist endete ursprünglich nach nur fünf Wochen, am 30. April 2020 und wurde dann wegen Corona auf 30. Mai 2020 verlängert. Der Zeitraum der Einreichung fiel aufgrund der Entwicklungen rund um Covid-19 ausgerechnet in eine krisenreiche Zeit für alle heimischen Betriebe. Umso „überraschter“ haben wir dann Mitte Juni erfahren, dass die KaDeWe-Group Ihnen in dieser kurzen Zeitspanne ein ausgefertigtes Konzept für ein Einkaufszentrum im Herzen von Lech mit der Gesamtfläche von 2.510 m² vorlegte.”
In einer Wahlkampf-Diskussion spricht der Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten und Szene-Kenner Gerold Riedmann an, was das Dorf denkt: Dass das kein Zufall sein kann. Dass der begehrte Baugrund von Anfang an als Kaufhaus für und mit Benko geplant wurde, streitet Muxel ab. Allerdings gab es schon lange Gespräche Benko als potentiellen Investor. Mit einer Delegation aus Lech traf Muxel den Immobilien-Tycoon in Innsbruck – und zwar schon 2018. Das muss er in der Podiumsdiskussion zum ersten Wahlgang zugeben.
Nicht der erste Skandal um Muxels Vergabepolitik
Baugrund in Lech ist heißt begehrt. Die Gemeinde Lech ist mit einem Quadratmeterpreis von 1.806 Euro im Schnitt die teuerste in ganz Österreich. Gleichzeitig leben immer weniger Menschen fest im Dorf: Nur 58,3 Prozent aller Bewohner sind mit Hauptwohnsitz in Lech gemeldet. Grund dafür sind auch die Wintersport- und Luxus-Gäste.
2017 kam es zu Ermittlungen wegen des Verdachts von Ungleichbehandlung bei der Umwidmung von Wohnflächen in heiß begehrte Ferienwohnungen. Bereits 2015 traten neun der 15 Gemeindevertreter zurück – nach Gerüchten, dass Promis wie Sebastian Vettel oder der ehemalige Chef der Deutschen Telekom, Ron Sommer, bei der Vergabe von Ferienwohnungen bevorzugt wurden. Die neun Vertreter, die den Gemeinderat damals verließen, bilden die Gründungsmitglieder der Liste “Unser Dorf” um Stefan Jochum.
Benko verbringt Corona-Krise in umstrittenen Chalet in Lech
Auch Benko gehört zu diesen umstrittenen Nachbarn. 2013 zeigte der Kurz-Intimus sich großzügig und schenkte der Gemeinde 500.000 Euro. Dafür verzichtete man auf das Vorkaufsrecht für das ehemalige “Schlössle”. Benko erbaute stattdessen ein Nobel-Chalet mit Ferienwohnungen für 270.000 Euro – die Woche. Dafür bekommt man im Chalet N. (nach Benkos Frau Natalie) einiges geboten: einen Kosmetikbereich, Soledampf- und Schwimmbad plus Privatkino. Eine 20-köpfige Crew inklusive Butler, Koch und Chauffeur betreuen die Gäste rund um die Uhr.
Im Ort hat man sich schon wenig über das 30 Millionen Euro teure Investment gefreut: Die hohen Preise halten die Gäste fern, angeblich residieren ausschließlich Benko, seine Freunde oder Geschäftspartner in dem Anwesen. Benko und seine Frau haben auch den Corona-Lockdown dort verbracht. Das Chalet gehört ebenso zur Signa-Gruppe. Die ansässigen Händler und Gastronomen haben wenig vom neuen Nachbarn.
“Das ist die absolute Perversion der touristischen Entwicklung”, sagt ein Mitstreiter von Stefan Jochum gegenüber Kontrast.
Untersuchungen auf Weisung eingestellt
2015 ermittelte dann plötzlich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Der Verdacht: Bestechung und Bestechlichkeit. Die Hälfte der halben Million Euro, die Benko der Gemeinde schenkte, soll für “rasche Abwicklung des Verfahrens” gewidmet gewesen sein. Laut Gemeindevertretungsprotokoll wurden die gesamten 500.000 zur Ablösesumme für das Vorkaufsrecht umgewidmet.
Die WKStA wollte bereits Anklage erheben und reichte einen dafür nötigen Vorhabensbericht bei der Oberstaatsanwaltschaft ein. Diese lehnte ab: “Die Beweislage hat keinen Nachweis einer strafbaren Handlung ergeben, die Anklage hätte keinen Aussicht auf Erfolg gehabt”, erklärte der Sprecher der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Es folgte eine Weisung auf Einstellung, die im Oktober 2016 auch umgesetzt wurde.
Bauprojekt liegt auf Eis
Ursprünglich hätte der KaDeWe-Deal noch vor der Gemeinderatswahl über die Bühne gehen sollen. Die Kritik wurde immer lauter, der Vertragsabschluss verzögerte sich. Und nun kann der Vorfall dem Bürgermeister seinen Posten kosten. Die Umsetzung des Bauprojekts ist fürs Erste gestoppt. Denn die Verhandlungen wurden kurz vor den Wahlen im September ruhend gestellt. Aufnehmen soll sie erst wieder die neue Gemeindevertretung. Die Mandatsverteilung im Gemeinderat garantiert indes für nichts: Muxels “Liste Lech” kommt auf acht von siebzehn Stimmen, Jochums “Unser Dorf” auf fünf. Das sechste Mandat hat man um acht Stimmen verfehlt.
Entscheidung am 27. September
Im Ort glauben viele, Muxel wolle sich mit dem Benko-Gemeindezentrum vor allem selbst ein Denkmal setzen. Von nachhaltiger Kommunalpolitik kann auf jeden Fall nicht die Rede sein. Während die Nächtigungen zurückgehen und auch der Umsatz in den letzten Jahren stagniert, veranschlagte man auf der Gemeinde über 10 Million Euro für das Prestige-Projekt. Finanzieren soll das der Großinvestor: Benko soll über zehn Jahre 1 Million Euro jährlich Miete zahlen, rechnet Muxel vor. Allerdings verursacht die gewünschte KaDeWe-Erweiterung Kosten von neun Millionen Euro. Ein gutes Geschäft ist das nicht.
Ein Gutachten ergibt allerdings, dass der Schuldenstand der Gemeinde von heute zwölf Millionen bis 2022 aus 60 Millionen Euro anwächst, sollte Muxel gewinnen und das Bauprojekt wie geplant durchziehen. Denn das würde er tun, ist sich die Liste “Unser Dorf” sicher.
Gemeinderatswahlen in Vorarlberg bringen Bewegung
Wie viele Gemeinden im Westen war auch Lech fest in schwarzer Hand. Bis zur Gemeinderatswahl am Sonntag waren 90 von 96 Gemeinden ÖVP-regiert. Daran änderten die Wahlen im Gesamtergebnis nicht viel: In 85 Gemeinden wird weiterhin schwarz regiert. Doch für Vorarlberger Verhältnisse sind die sechs Stichwahlen und der Verlust einiger ÖVP-Absoluten ein kleines politisches Erdbeben. Der Unmut im Land ist allerorts zu spüren. Ob in Bregenz, Bludenz oder Lech. Kandidaten und Wahlvolk will Veränderung. Jetzt kommt langsam Bewegung ins Land.
wir glauben, dass die Herren Rene Benko und Gernot Blümel an “Alzheimer” erkrankt sind und weil beide das “Gedächtnis verloren haben, nichts mehr in Ihren “Büros” zu suchen haben und zurücktreten sollten! Beide haben ja “ERINNERUNGSLÜCKEN” und ein ordentliches Gericht könnte das klären,damit diese Erinnerungen zurück kommen!!