Passiert nichts steigen die Mieten im Altbau ab 1. April abermals – und zwar um heftige 8,6 Prozent. Noch könnte die Regierung das verhindern. Doch die ÖVP bremst, denn sie will die Mehreinnahmen für die Immobilienbranche sichern und ein Steuergeschenk für ihr Klientel herausholen.
Die Lage am Wohnungsmarkt ist ernst: Mehr als ein Viertel der Bevölkerung gibt zwischen 30 und 50 Prozent des Haushaltseinkommens fürs Wohnen aus. Bei 16 Prozent macht das Wohnen bereits mehr als die Hälfte des Budgets aus. Diese Situation wird sich noch weiter verschärfen, wenn die Regierung nicht aktiv wird. Die Richtwertmieten im Altbau wurden im Vorjahr um 5,5 Prozent erhöht, am ersten April kommen 8,6 Prozent dazu, 2024 und 2025 nach den Inflationsprognosen noch einmal 6,5 und 3,5 Prozent. Binnen vier Jahren ergibt das eine Erhöhung um mehr als 26 Prozent.
Grüne präsentieren Minimalvorschlag – doch auch das geht der ÖVP zu weit
Wenn die Mieten weiter so ungebremst wachsen, droht eine soziale Katastrophe. Diese Erkenntnis dürfte sich mittlerweile auch in einigen Ministerbüros herumgesprochen haben. Nach einer anfänglichen pauschalen Ablehnung der ÖVP zu einer Mietpreisbremse begannen ÖVP und Grüne zu verhandeln. Der Vorschlag der Grünen sieht vor, die Mieterhöhung 2023 zunächst von 8,6 auf 3,8 Prozent zu drosseln. Der Rest der Mietanhebung soll auf 2024 und 2025 verschoben werden. Die Immobilienbesitzer würden also die gesamte Mieterhöhung erhalten, wenn auch verspätet.
Ein Minimalvorschlag, wenn man ihn mit den Ideen der SPÖ vergleicht. Die Sozialdemokrat:innen fordern die Erhöhungen für Richtwert-, Kategorie- und frei vermietete Wohnungen sowie Geschäftsräume von KMUs bis Ende 2025 auszusetzen, danach sollen die Mieten jährlich um maximal 2 Prozent steigen dürfen. „Die Politik ist den Mieterinnen und Mietern eine grundsätzliche, langfristige und für ganz Österreich gültige Lösung schuldig, deswegen: Mietenstopp bis 2025 und danach maximal 2 Prozent mehr pro Jahr!“, erklärt SPÖ-Wohnbausprecherin Ruth Becher.
ÖVP Steuergeschenk für Luxusimmobilien kostet den Gemeinden 200 Millionen
Doch selbst die bescheidene Forderung der Grünen geht der ÖVP zu weit. Sie will sich diese nur abringen lassen, wenn im Gegenzug die Grunderwerbssteuer für den Kauf erste Immobilie abgeschafft wird. Die Leidtragenden des Steuergeschenks für Immobilienbesitzer wären die Gemeinden. Sie erhalten 93,7 Prozent der Grunderwerbssteuer. Der ÖVP Vorschlag würde ein 150-200 Millionen Euro großes Loch in die Gemeindefinanzen reißen.
Die Grünen zeigten sich kompromissbereit und schlugen einen Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer von 500.000 Euro und eine Erhöhung des Steuersatzes ab einer Million zum Ausgleich für den Verlust der Gemeinden vor. Wer sich ein Haus für eine halbe Million kauft, sollte also befreit werden, für jeden Euro darüber würde der alte Steuersatz anfallen bis der Wert von einer Million erreicht wird und 7 Prozent für jeden Euro über den Kaufpreis von einer Million fällig wird. Das klassische Einfamilienhaus oder die Eigentumswohnung, mit dem die ÖVP ihre Steuerpläne argumentiert, würde so tatsächlich billiger werden. Sogar Häuser um eine Million würden günstiger durch den 500.000 Euro Steuerfreibetrag. Wirklich teurer würden wohl nur Luxusanwesen werden, die die Millionengrenze deutlich überschreiten. Doch die ÖVP wollte auch auf den grünen Kompromissvorschlag, der ihre Forderungen eigentlich erfüllte, nicht eingehen.
Die ÖVP will den Zeitdruck für sich nutzen
Nach den langen Diskussionen in der Regierung wird es nun richtig knapp: Wenn der Bundespräsident am 31. März kein entsprechendes Gesetz unterschreibt, schnalzen am 1. April die Mieten in die Höhe. Davor muss das Gesetz noch durch den Finanzausschuss, das Parlament und den Bundesrat. Die Regierung ist massiv unter Zeitdruck, wie sehr, sieht man daran, dass sie sich im Finanzausschuss am Donnerstag eines Tricks bedienen muss. ÖVP und Grüne starten dort eine sogenannte „Trägerrakete“. Wie man hört, bringen sie einen Antrag zur Änderung von Tippfehlern im Einkommenssteuergesetz ein, nur um diesen dann im Parlament durch einen Abänderungsantrag um eine Lösung für die Mieten zu ergänzen. Damit müssen sie im Finanzausschuss noch keine Einigung präsentieren und kaufen sich so Zeit bis zur Nationalratssitzung. Eine Lösung ist aber noch immer nicht in Sicht und damit spielt die ÖVP: Der Zeitdruck könnte die Grünen dazu zwingen, einen ÖVP-Vorschlag zu akzeptieren, der die Immobilienbranche begünstigt, um so zumindest eine kleine Entlastung zu erreichen.
Steuerzahler soll Zusatzgewinne der Immobilienbranche finanzieren
Am Dienstag präsentierte der ÖVP Abgeordnete Ottenschläger einen solchen neuen Vorschlag: Statt die Mieten zu begrenzen, sollen 200 Millionen Euro Steuergeld in die Hand genommen werden, um einen weiteren Wohnkostenzuschuss als Ausgleich für die höheren Mieten zu finanzieren.
Daran sehe man „dass die ÖVP wie ein Löwe für ihre Spender und Sponsoren aus der Immobilienlobby kämpft – die leistungslosen Milliardengewinne der Immobilienkonzerne sind der ÖVP heilig, da würde sie sogar 200 Millionen Steuergeld für Wohnbeihilfen lockermachen, um einen Mietenstopp abzuwenden“, kommentiert die SPÖ-Abgeordnete Becher den Vorschlag.
Tatsächlich würde der ÖVP-Vorschlag der Immobilienbranche ermöglichen, die Mieten zu erhöhen und ihre Gewinne zu steigern – finanziert durch die öffentliche Hand. Schon jetzt ist der Faktor Wohnen der größte Treiber der Inflation. Der Vorschlag der ÖVP würde das weiter verschärfen. Denn mit dem “Nein” zur Mietbremse wird eine preisbremsende Maßnahme verhindert und der zusätzliche Wohnkostenzuschuss pumpt 200 Millionen in System und heizt die Inflation weiter an.
Was sind die größten Treiber der #Inflation in Österreich? Seit ein paar Monaten ist es Wohnen, gefolgt von Nahrungsmittel. Der relative Beitrag von Verkehr, also hauptsächlich Treibstoffe, ist seit Sommer 2022 zurückgegangen. pic.twitter.com/daIZhjs2yt
— Matthias Schnetzer (@matschnetzer) March 21, 2023