
In Finnland ist die Zahl der Obdachlosen stark zurückgegangen. Der Grund: Das Land wendet das „Housing First“-Konzept an. Betroffene bekommen – ohne Voraussetzung – eine kleine Wohnung und Beratung. 4 von 5 Betroffenen schaffen so den Weg in ein stabiles Leben. Und: Das ist für den Staat billiger als die Obdachlosigkeit.
Aktualisiert am 10.11.2020
Finnland ist einziges Land in Europa, wo Obdachlosigkeit sinkt
2008 sah man in den Parks von Helsinki noch Zeltdörfer und Hütten zwischen Bäumen stehen. Obdachlose haben sich notdürftig ein Zuhause gebaut, mitten in der Hauptstadt. Sie waren Wind und Wetter ausgesetzt.
Seit den 1980er Jahren hatten sich finnische Regierungen bemüht, Obdachlosigkeit zu reduzieren – doch Langzeitobdachlose blieben ohne Dach über dem Kopf. Es gab zu wenig Not-Unterkünfte und viele haben es nicht geschafft, sich aus ihrer Lage zu befreien: Sie haben keine Jobs gefunden, keine Wohnung – und hatten Probleme, Sozialleistungen zu beantragen. Sie waren gefangen.
Doch 2008 hat die finnische Regierung eine neue Politik für Obdachlose eingeschlagen: Sie setzt das „Housing First“-Konzept um. Seitdem ist die Zahl der Betroffenen stark gesunken.
Finnland hat sich ein Ziel gesetzt: Niemand soll auf der Straße leben müssen – jeder Bürger soll einen Wohnsitz haben.
Und das Land hat Erfolg: Es ist das einzige EU-Land, in dem die Obachlosenzahl zurückgeht.
@kontrast.atJa, Obdachlosigkeit kann man abschaffen. ##lernenmittiktok ##österreich ##obdachlosenhelfen ##sozial ##wohnen ##erstewohnung♬ She Share Story (for Vlog) – 山口夕依
Bauen, Kaufen, Renovieren: Für jeden in Finnland soll es eine Wohnung geben
NGOs wie die „Y-Foundation“ stellen Wohnungen zur Verfügung. Sie kümmern sich entweder um den Bau oder kaufen Wohnraum am privaten Wohnungsmarkt bzw. renovieren vorhandene Wohnungen. Die Wohnungen selbst haben ein bis zwei Zimmer. Auch ehemalige Notunterkünfte wurden zu Apartments umgebaut, um langfristig Wohnraum anzubieten.
„Es war jedem klar, dass das alte System nicht funktioniert hat. Wir brauchten eine radikale Veränderung.“ (Juha Kaakinen, Leiter der Y-Foundation)
Die Obdachlosen werden Mieter und Mieterinnen mit einem Mietvertrag. Sie müssen auch Miet- und Betriebskosten zahlen. In finanziellen Fragen – wie Anträgen – helfen die SozialarbeiterInnen, die Büros in den Wohngebäuden haben.
Die „Y-Foundation“ ist eine finnische NGO. Schon vor 2008 stellte sie Wohnungen für Obdachlose bereit. Jetzt ist sie eine der Träger der „Housing First“-Politik im Land. Sie organisiert Wohnraum und ist selbst mittlerweile der viertgrößte Vermieter in Finnland. |
Juha Kaakinen leitet die Y-Foundation. Die NGO bekommt vergünstigte Anleihen vom Staat, um Wohnraum anzuschaffen. Darüber hinaus werden die SozialarbeiterInnen vom Staat bezahlt. Die finnische Lotterie wiederum unterstützt die NGO, wenn sie Wohnungen am privaten Wohnungsmarkt kauft. Daneben nimmt die Y-Foundation noch Kredite von Banken auf. Mit den Mieteinnahmen zahlt die NGO die Kredite zurück.
„Wir mussten die Nacht-Unterkünfte und Kurzzeit-Unterbringungen abschaffen, die wir früher hatten. Sie hatten Tradition in Finnland, aber jeder konnte sehen, dass sie den Menschen nicht aus der Obdachlosigkeit geholfen haben.“ (Juha Kaakinen, Leiter der Y-Foundation)
Das „Housing First“-Konzept zusammengefasst
Diese Politik heißt „Housing first“. Sie kehrt die herkömmliche Obdachlosen-Hilfe um. Häufig ist es so, dass von Betroffenen erwartet wird, sich einen Job zu suchen und sich von psychischen Problemen oder Suchterkrankungen selbst zu befreien. Erst dann gibt es Hilfe bei der Wohnungssuche.
„Housing first“ dagegen geht es andersherum an: Obdachlose Menschen bekommen eine Wohnung – ohne Voraussetzung. Sozialarbeiter helfen bei Anträgen rund um Sozialleistungen und sind Ansprechpartner bei Problemen. In dieser neuen, sicheren Ausgangslage fällt es den Betroffenen dann leichter, sich um einen Job und um ihre Gesundheit zu kümmern.

4 von 5 obdachlose Menschen behalten bei „Housing First“ langfristig ihre Wohnung und können ein stabileres Leben führen.
Innerhalb von etwa 10 Jahren hat das „Housing First“-Programm in Finnland 4.600 Wohnungen bereitgestellt. Während 2017 noch immer etwa 1.900 Menschen auf der Straße lebten, konnte 2019 die Zahl auf unter 1.000 Langzeit-Obdachlose verringert werden – doch auch für sie gibt es genügend Plätze in Notunterkünften, damit sie zumindest nicht mehr im Freien schlafen müssen.
Das Obdachlosen-Hilfe-Konzept wurde vom Psychologen Sam Tsemberis entwickelt. Ausgangspunkt ist der Zugang, dass Wohnraum der Ausgangspunkt und nicht das Ziel der Hilfe ist. Zielgruppen sind Menschen mit schweren (psychischen) Erkrankungen, Suchterkrankungen oder Behinderungen, die über kein Zuhause verfügen. Betroffene werden unterstützt, dass sie auf Alkohol und Drogen verzichten. Anders als bei anderen Hilfsprojekten ist es aber keine Voraussetzung, um eine Wohnung zu bekommen. Wo das Modell angewendet wird, kann die Obdachlosigkeit bei 4 von 5 Betroffenen beendet werden. |
Menschen eine Wohnung zu geben kostet weniger als sie auf der Straße zu lassen
Menschen Wohnraum zu schaffen, kostet natürlich Geld. In den 10 Jahren von „Housing First“ wurden 270 Millionen Euro für den Bau, den Ankauf und das Renovieren von Wohnungen ausgegeben. Allerdings, gibt Juha Kaakinen zu bedenken, ist das weit weniger als Obdachlosigkeit selbst kostet. Denn wenn Menschen in Notsituationen sind, gibt es auch häufiger Notfälle: Übergriffe, Verletzungen, Zusammenbrüche. Polizei, Gesundheits- und Justizsystem sind öfter gefordert und auch das kostet Geld.
Im Vergleich kostet „Housing First“ weniger als Obdachlosigkeit: Der Staat gibt pro obdachlosem Menschen 15.000 Euro weniger pro Jahr aus als vorher.
Kein Wundermittel – aber hohe Erfolgsquote
Bei 4 von 5 Personen ist „Housing First“ langfristig wirksam: Sie behalten ihre Wohnung, sind auf Jobusche und nutzen die Hilfe der SozialarbeiterInnen. In 20 Prozent der Fälle steigen Menschen aus, weil sie bei Freunden oder Verwandten unterkommen – oder weil sie es nicht schaffen, die Miete zu bezahlen. Doch auch in diesem Fall werden sie nicht fallen gelassen. Sie können nochmal um eine Wohnung ansuchen und werden erneut unterstützt, wenn sie das möchten.
Erfolgsgarantie gibt es keine. Vor allem wohnungslose Frauen sind schwieriger zu erreichen: Sie verschleiern ihre Notsituation, weil sie öfter im sozialen Umfeld unterkommen und weniger häufig auf der Straße leben. Und eben dort spricht die Y-Foundation Menschen an.
„Neunerhaus“ in Wien setzt „Housing First“ um – mit Erfolg
Das Neunerhaus in Wien hat 2012 ein 3-jähriges Pilotprojekt gestartet, in dem sie das „Housing First“-Konzept umgesetzt hat. Es war so erfolgreich, dass das Angebot mittlerweile Teil der Wiener Wohnungslosenhilfe ist.
Seit Oktober 2016 gibt es ein eigenes Team aus SozialarbeiterInnen und Gesundheits-Fachkräften, die das Projekt tragen. Das Ergebnis: Fast 97 Prozent der Betroffenen behalten ihre Wohnung und haben sich stabilisiert.
Einen Überblick über weitere derartige Angebote in Österreich gibt es im „Housing First“-Guide.

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Als ich die Überschrift las, konnte ich es nicht glauben.
Das ist eine ganz, ganz tolle Nachricht. Erzwungene Obdachlosigkeit ist unmenschlich. Jeder sollte das Recht haben für eine Wohnung.
As dori si eu o locuinta acolo cum ar trebui să procedez
Ich denke, das ist ein sinnvoller Weg, wenn die betroffenen auch an der Schaffung des Wohnraumes mithelfen.
Es gibt überall genügend sanierungsbedüftige Häuser ddie über ein derartiges Projekt angekauft werden könnten und mit den betroffenen saniert, ergäbe das sicherSinn !!
So viele Menschen sind in sozialer, oder in einen psychisch schlechten Zustand. Es ist wunderbar, dass solchen Menschen geholfen wird, damit sie nicht im Freien erfrieren…
Welt ohne Geld! – Und jeglicher Kampf würde vorüber sein, der Neid verstumpft, die Gier besiegt, der Krieg, die Massentötung verunmöglicht. Nur eines ginge nicht mehr: Mehr Privat als Staat.
Und nur deshalb wird’s so weit niemals kommen. Stell dir vor, es ist unvorstellbar. Weil uns diese Freiheit gezielt abtrainiert worden ist. Von Medien und Lehrern, Professoren, bewusst (wenige involviert!) und unbewusst (die meisten schaden unbewusst und hirnlos!).
Die Erklärung, wie es geht, hat noch vor kurzem ein Reporter in einer Kolumne in der Kleinen Zeitung gesucht. Wie können wir die Massenbevölkerung stoppen, war die schlichte Frage. Ich weiß die Antwort ganz genau: aber es wird anders kommen!
Do listen with high attention. I think an very brave example to multiplicate all over EU, offside of turning more and more to rightwing parties
Gross Artig, endlich endlich…
Weiter’s könnte man Nachdenken für alle die Insolvenz abstürzen (Untetnehmer) auch Private die alles verloren haben und keinen Sinn in ihren Dasein sehen zu helfen und zwar in einer Art Genossenschaft wo die ihr erlerntes Wissen und können einbringen ihnen mit Sekräterin und juristischen Beistand geholfen wird und zugleich wieder am Arbeitsmatkt teilnehmen können indem sie einen für’s Leben wesentlichen Lohn bekommen mit dem sie Ihre Selbsständigkeit und dir Familie erhalten können . Des Weiteren kann auch dahin geholfen werden die Aussenstände von den Auftraggebern zu lukrieren wodurch der Untetnehmer in eine Schieflage gekommen ist …