Während für Hunderttausende in Österreich die Corona-Krise Kurzarbeit, Jobverlust oder Insolvenz bedeutet hat, machten andere mit Corona-Tests und Schutzausrüstung ein gutes Geschäft. Wie die Vergabe vonstatten gegangen ist, ist nicht immer klar. Oft findet sich aber eine gewisse Nähe zur ÖVP. Auch Kurz-Spender haben in der Krise profitiert – sie haben bei den Corona-Hilfen die Hand aufgehalten und großzügig Steuergeld abkassiert.
Im September 2020 vergibt das Land Tirol einen 8 Millionen Euro schweren Auftrag. Es geht um die Abwicklung von PCR-Tests. Den Zuschlag bekommt „HG Labtruck“, Tochterfirma der HG Pharma von Ralf Herwig. Herwig ist Urologe, interessiert sich aber offenbar für die immer stärker nachgefragten PCR-Tests. Er lässt binnen kurzer Zeit zu Teststationen umfunktionierte LKWs durch Tirol fahren.
Zuvor teilen sich die Tiroler Labore die Durchführung und Auswertung der PCR-Tests auf. Mit dem Auftrag an „HG Labtruck“ ändert sich das. Mehr als jeder 2. PCR-Test in Tirol wird über die Firma von Herwig abgewickelt. Ausschreibung gab es keine.
Laut Medienberichten soll das „HG Labtruck“-Labor weder über die Expertise noch die technische Ausstattung verfügen, um PCR-Tests auszuwerten. Wie die Befunde zustande kommen, ist unbekannt. Normalerweise müssen sie von Labor-Mediziner:innen erfolgen. Im Fall von „HG Labtruck“ kann man das aber nicht genau überprüfen. Die in Tirol tätige Virologin Dorothee Laer erklärt, selbst wochenlang versucht zu haben, mehr über das Ausstellen der Befunde der Firma herauszufinden – sie ist gescheitert und zweifelt an der Qualität der Arbeit.
Wie Ralf Herwig den Millionen-Auftrag des Landes Tirol bekam, ist unklar. Fest steht: Herwig ist bestens vernetzt. Seit 2016 bietet er im Kitzbühel Country Club von Richard Hauser medizinische Dienstleistungen an. Hauser wiederum ist Mitglied der einflussreichen Tiroler Adlerrunde, einem Zusammenschluss von Tirols Reichsten, von denen einige zu den Großspendern von Sebastian Kurz zählen.
Nach lauter Kritik gibt Ralf Herwig im Mai 2021 bekannt, dass er sich aus dem Geschäft der „HG Pharma“ zurückzieht. Das Land Tirol kündigt die Zusammenarbeit mit seinem Labor. Wie das Magazin „Profil“ berichtet, läuft zudem ein Strafverfahren gegen Herwig, allerdings in Zusammenhang mit seiner Arbeit als Urologe: Es geht um fahrlässige bis schwere Körperverletzung sowie um schweren Betrug. Derzeit darf er nicht als Arzt praktizieren.
24.000 Bürger:innendaten an Dritte weitergegeben
Anfang September 2021 wird bekannt, dass etwa 24.000 Personendaten (Name, Adresse, Geburtsdatum, Wohnort) samt Testergebnissen per Mail an Dritte weitergegeben wurden. Alle Daten waren in einer einfachen Excel-Tabelle eingetragen und wurden per Mail verschickt. Betroffen sind so gut wie alle Personen, die zwischen Jänner bis Juni 2021 bei „Labtruck“ positiv auf Covid-19 getestet wurden. Ralf Herwig spricht von einem „Hackerangriff„. Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt eingeleitet.
Als im Frühjahr 2020 die Zahl der Covid19-Intensivpatient:innen zunimmt, geht das Land Tirol Leistungsvereinbarungen mit zwei Gesundheitsanstalten ein, um zusätzliche Betten in Notkrankenstationen („Überlaufbetten“) zur Verfügung zu haben. Krankenhäuser sollen so entlastet werden. Neben dem Rehazentrum Münster mit 260 Betten, wird mit der Medalp Sportklinik – mit 22 Betten – eine Leistungsvereinbarung abgeschlossen. Die Medalp umfasst mehrere Kliniken, die eigentlich auf orthopädisch-unfallchirurgische Versorgung spezialisiert sind. Sie behandeln in ihrer Unfallchirurgie Skiunfälle wohlhabender Tourist:innen und machen außerdem Geld mit plastisch-ästhetischer Chirurgie. Betreiber der Medalp Klinik ist Alois Schranz. Er ist ein persönlicher Freund von ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter und Vizepräsident der Tiroler Adlerrunde.
Der Beschluss zur Leistungsvereinbarung erfolgt am 7. April 2020. Die beiden Einrichtungen erhalten dafür Leistungsentgelte durch das Land. Etwa 366.000 Euro bekommt die Medalp. Für ein Bett erhält die private Einrichtung also 16.600 Euro – während das Rehazentrum Münster 10.380 Euro pro zusätzlich aufgestelltem Bett erhält.
Während der Corona-Krise ist die oberösterreichische Landesregierung auf der Suche nach medizinischer Schutzausrüstung. Dafür nimmt das Land ordentlich Geld in die Hand: 58,4 Millionen Euro fließen in die Beschaffung. An dieser beträchtlichen Summe schneidet vor allem einer mit: Walter Schnauder, ehemaliger Wahlkampfmanager und Kommunikationsberater der ÖVP.
Zu diesem Zeitpunkt läuft Schnauders eigentliche Firma, laut Homepage für „Strategie und politische Beratung“ zuständig, schleppend, wie er selbst auf Facebook Anfang April schreibt. Er gründet kurzerhand am 1. April 2020 eine neue Firma, die „Schnauder & Partner International Trading Company“. Kurz darauf bekommt er vom Land Oberösterreich einen 4,5 Millionen Euro-Auftrag – ohne Ausschreibung. Über die Vergabe entschied mitunter der Chef der Oberösterreichischen Gesundheitsholding, Karl Lehner. Lehner und Schnauder kennen sich aus der ÖVP.
Das Problem: Schnauders Angebote sind teurer als andere. In zwei Produktkategorien war er mit Abstand der teuerste: Schutzkittel und Untersuchungs-Handschuhe.
Der günstigste Anbieter verlangt vom Land pro Schutzkittel 1,20 Euro. Schnauder will 7,70 Euro dafür – und bekommt sie.
Ähnlich bei den Latex-Handschuhen: Ein Anbieter verlangt pro Handschuh 4 Cent, Schnauder ist mit 23 Cent gleich um 475 Prozent teurer. Kleine Beträge, die sich aber bei einem so hohen Auftragsvolumen summieren.
Die SPÖ bringt daraufhin im Sommer 2020 eine Sachverhaltsdarstellung bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein. “Die Auftragsvergabe an die Schnauder & Partner GmbH hält keinem Fremdvergleich stand und ist nicht objektiv nachvollziehbar. Aus all diesen Gründen besteht der begründete Verdacht der schweren Untreue”, heißt es in der Sachverhaltsdarstellung.
Im Winter 2020 plant Niederösterreich, Teststationen an Schulen einzurichten. Abwickeln soll die Schnelltests eine Firma, die sich um Testkits, Testteams und die Datenverarbeitung im Hintergrund kümmern kann. Anfang Dezember fällt die Wahl auf „Artichoke“. Es ist ein IT-Unternehmen, das in der Krise auf „Testlogistik“ umgestiegen ist. Anton Erber, Landtagsabgeordneter der ÖVP, war noch bis April 2021 mit 20% Miteigentümer. Geschäftsführer Boris Fahrnberger ist ehemaliger NÖAAB-Funktionär.
Dafür, dass „Artichoke“ Tests von Dezember bis Februar durchführt, erhält das Unternehmen eine Million Euro. Ausschreibung gab es keine, denn laut ÖVP-Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister ist die Angelegenheit „äußerst dringend“. Für ein ordentliches Vergabeverfahren fehlt die Zeit. „Es gab bezüglich des Einsatzes von RT-Lamp Schnelltests an Schulen keine Ausschreibung, sondern ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung zum Abschluss eines Rahmenvertrages mit einem Unternehmer“, schreibt Teschl-Hofmeister im Jänner 2021 in einer Anfragenbeantwortung.
Als im Sommer 2021 eine Ausschreibung für einen Großauftrag öffentlich wird – es geht um sämtliche PCR-Tests an Schulen in Niederösterreich und Oberösterreich – schaltet sich die Konkurrenz ein. Die Firma „Lifebrain“ beeinsprucht die Ausschreibungen der Bundesbeschaffung GmbH. Die Ausschreibungen seien auf einen, höchstens zwei spezifische Anbieter zugeschnitten, so der Vorwurf. Der Fall wird öffentlich. Daraufhin veröffentlicht die Bundesbeschaffung eine neue Ausschreibung – an der „Lifebrain“ teilnimmt.
Als sich im Verlauf des Herbsts 2021 Hinweise darauf ergeben, dass die Sensitivität der PCR-Tests der Firmen „Artichoke“ und „Novogenia“ geringer seien als bei anderen Anbietern, wendet sich die SPÖ an das Bildungsministerium. Eine parlamentarische Anfrage durch den Nationalratsabgeordneten Rudolf Silvan ist eingebracht und wartet auf Beantwortung.
Am 12. März 2020 wird die Firma „Hygiene Austria LP GmbH“ gegründet. Die „Hygiene Austria“ stellt Mund-Nasen-Schutz und FFP2-Masken her und gehört damals zur Hälfte der Lenzing AG und zur anderen Hälfte der Palmers AG. Die Palmers-Vorstände sind die Brüder Tino und Luca Wieser. Letzterer ist Ehemann der Büroleiterin von Sebastian Kurz.
Eine Niederlassung befindet sich in Wiener Neudorf. Tino Wieser berichtet, dass ihm Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner am meisten bei der Umsetzung geholfen hat. Eine Betriebsstätten-Genehmigung dauert in Österreich normalerweise drei Monate. Aber Mikl-Leitner regelt das: „Wir haben Krise, ich rufe wen an, der kommt morgen vorbei, wir regeln das. Macht mir halt keine Schande.“ Ab dem Sommer 2020 bekommt die Firma einige Großaufträge. Unter anderem vom Land Niederösterreich, das im Herbst 100.000 Masken bestellt. Laut Angaben der Bundesbeschaffungsagentur BBG wurden über einen Rahmenvertrag insgesamt knapp 1,2 Millionen Masken bezogen. Sie gingen an 184 staatliche Stellen, allen voran an die ÖBB, die 576.000 Masken geordert haben. Auch das Parlament rief im Jänner über die BBG 20.000 Hygiene-Austria-Masken ab. Auftragsvolumen aller Bestellungen: 1,34 Millionen Euro.
In einem Social Media-Video bedankt Kurz sich „im Namen der Republik“ bei Palmers und Lenzing für den Einsatz.
Als die Bundesregierung Ende November beschließt, jedem über 65-Jährigen zehn FFP2-Masken zuzuschicken, ist die „Hygiene Austria“ der Wunsch-Zulieferer der Regierung. Man führt mit dem Unternehmen als einzigem Anbieter Exklusiv-Gespräche über den Mega-Auftrag. Es steht ein Auftragsvolumen von 15 bis 20 Millionen Euro im Raum. Allerdings: Das Gesundheitsministerium gibt schlussendlich einem anderen Anbieter den Zuschlag für die FFP2-Masken. Zuvor hatte das Verteidigungsministerium, von dem sehr wohl eine Bestellung an „Hygiene Austria“ aufgegeben wurde, Bedenken bezüglich der Qualität angemeldet.
Im Frühjahr 2021 wird bekannt, dass das Unternehmen mit den Masken „made in Austria“ in Wiener Neudorf chinesische Masken verpackt und als österreichische Ware teurer weiterverkauft hat. Umgepackt wurde von schlecht bezahlten und zum Teil schwarz beschäftigten Leiharbeitskräften.
Im Corona-Jahr 2020 nahm der Maschinen- und Anlagenbau-Konzern Andritz 28 Millionen Euro an Kurzarbeitsgeldern in Anspruch – und kündigte 180 Beschäftigte. Das wurde damals mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation begründet – die scheint es aber nur für die Beschäftigten zu geben. Für den Vorstand und die Aktionär:innen war von der Krise nichts zu spüren.
Größter Aktionär von Andritz ist Wolfgang Leitner. Er ist einer der reichsten Menschen Österreichs und hat ein Vermögen von 1,6 Milliarden Euro. 2021 erhält er 32,7 Millionen Euro Dividenden-Auszahlung.
Leitner pflegt gute Beziehungen zur ÖVP und Bundeskanzler Kurz. Seine Ehefrau, Cattina Leitner, ist im Aufsichtsrat der ÖBB und hat 2017 der ÖVP bzw. einem ÖVP-Politiker 10.000 Euro gespendet.
Der Motorrad-Hersteller KTM bekam rund 11 Millionen Euro Corona-Hilfen in Form von Kurzarbeitsgeldern. Weitere 15 Steuer-Millionen flossen in Form anderer staatlicher Förderungen an den Konzern. Gedacht war dieses Geld, um Firmen durch die Krise zu helfen. Doch von Krise war bei KTM keine Spur. Die Pandemie führte zu einem regelrechten Boom bei Motorrädern.
2020 schrieb die KTM AG 130 Millionen Gewinn. Angesichts der Förderungen kann man sagen: 20 Prozent des Gewinns stammen aus Steuergeld.
Auch die Aktie entwickelte sich prächtig: Seit Jänner 2020 ist der Kurs um über 30 Prozent gestiegen – der Einbruch zu Beginn der Pandemie im März und April war schnell vergessen. KTM-Chef Stefan Pierer schüttete 2021 an sich selbst sieben Millionen Euro Dividende aus und erhöhte für sich und seine Vorstandskollegen die Bezüge im Corona-Jahr um 30 Prozent.
Stefan Pierer und sein Konzern profitieren von der Politik unter Kanzler Kurz. Über die Corona-Hilfen dürfte er sich genauso gefreut haben wie über die Einführung des 12-Stunden-Tages. Sein „Investment“ in die Kurz-ÖVP 2017 hat sich rentiert. Damals hatte er der Partei über 430.000 Euro gespendet.
Von den Corona-Hilfen profitierten in Österreich auch Nobelhotels, ein Luxusclub oder eine große Autohaus-Kette. Die „Tiroler Adlerrunde“ kennt man als Vereinigung mächtiger Reicher, deren Mitglieder mitunter den Wahlkampf der Kurz-ÖVP finanzierten. 1,1 Millionen Euro flossen 2017 von dort an die Partei. Unternehmen von Mitgliedern der Adlerrunde durften sich in der Krise über Umsatz-Ersatz freuen. Insgesamt flossen an diese Unternehmen etwa 10 Millionen Euro.
Die Regierung lässt sich auch während der Krise von Kommunikator:innen beraten. An diesen Beratungs-Aufträgen verdienen Agenturen und Firmen mit Draht zur ÖVP besonders gut.
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