Am Tag der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel tritt dieser am Abend vor die Presse: In einem sehr kurzen, bemerkenswerten Auftritt nimmt er zu den Parteispenden Stellung, die im Wahljahr 2017 von der Novomatic an die ÖVP geflossen sein sollen. Auf mehrmalige Nachfrage kann er nicht ausschließen, dass Novomatic Geld an Vereine gezahlt hat, in denen er Funktionen hatte. Auf der offiziellen Spenderliste der ÖVP scheint die Novomatic jedenfalls nicht auf. Doch die ÖVP verfügt gleich über mehrere Vereine, die für verdeckte Parteispenden geeignet wären. In dreien davon sitzt Gernot Blümel.
Am 10. Juli 2017 schickt der damalige Novomatic-Vorstand Neumann eine SMS an Blümel, damals nicht amtsführender Stadtrat in Wien. „Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problemes (sic), das wir in Italien haben!“ Drei Stunden später leitet Blümel die Bitte an Thomas Schmid, damals Kabinettschef im Finanzministerium, weiter: Schmid soll ihn zurückrufen, „Tu es für mich“, schrieb Blümel mit einem Küsschen-Emoji.
In diesen drei Stunden soll Blümel laut dem Nachrichtenmagazin Profil „Sebastian Kurz über das Angebot informiert“ und mit ihm angeblich „das weitere Vorgehen akkordiert“ haben. Blümel wird im Casinos/Novomatic-Verfahren von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt, am Donnerstag wurde eine Hausdurchsuchung freigegeben. Viel mehr ist über den Ermittlungsstand nicht bekannt.
Am Donnerstag Abend tritt Blümel kurz vor die Presse und weist alle Vorwürfe von sich. Von der Novomatic habe es jedenfalls keine Zahlungen an die ÖVP Wien und die ÖVP Bundespartei gegeben. Als die Ö1-Journalistin Petra Pichler zwei Mal nach Zahlungen an Vereine fragt, in denen Blümel eine Funktion hat, antwortet er nicht und wiederholt nur: Zahlungen an die ÖVP Wien und die ÖVP Bundespartei habe es nicht gegeben. Zahlungen an Vereine kann er offenbar nicht ausschließen und bricht dann die Pressekonferenz ab.
Der ÖVP Wahlkampf für Sebastian Kurz 2017 kostete 13 Millionen Euro. Gesetzlich erlaubt waren 7 Millionen – die ÖVP hat die Obergrenze damit um sechs Millionen Euro überschritten. Die Schulden der Partei wurden auf über 5 Millionen geschätzt. Spenden hat Kurz offiziell 2,1 Millionen erhalten. Angesichts dieser Zahlen stellen sich schon länger folgende Fragen:
Wir haben im ÖVP Umfeld zumindest 5 Vereine gefunden, bei denen Zweck und Finanzierung unklar sind.
Der wohl prominenteste Fall ist der „Verein zur Förderung bürgerlicher Politik“. Er fiel mit einer Massenmail an den Wiener Stadtrat Peter Hacker auf. Es wurden insgesamt 1.500 E-Mails zur Mindestsicherung an den Stadtrat gesendet – die Stadt Wien zeigte daraufhin den Verein an. Außerdem ist der Verein Medieninhaber und Herausgeber der Webseite von Gernot Blümel. Die ÖVP Wien gab zwar an,
dass der Verein zu 100 Prozent von der ÖVP Wien finanziert werde und auch keine Spenden von dritten angenommen werden – doch dann stellt sich die Frage: Warum gibt es diesen Verein überhaupt? Die ÖVP Wien könnte wie jede andere Landespartei in Österreich die Homepage ihres Obmanns auch einfach selbst herausgeben.
Außerdem lässt ein Blick ins Vereinsregister an der ÖVP Wien Erzählung zweifeln. Obmann ist nämlich Eugen Hammer. Dieser ist als Lobbyist für die Erste Bank tätig und auch ins Lobbying-Register eingetragen. Passend dazu: In den vom Falter veröffentlichten Strategie Papieren des ÖVP Wahlkampfs findet sich eine Liste mit ÖVP „Sponsoren“. Gleich der erste Eintrag ist Andreas Treichl – Vorstandsvorsitzender der Erste Bank. Treichl war außerdem Finanzreferent der ÖVP und im Bundesparteivorstand vertreten.
Ein weiterer Verein mit engen Kontakten zu Gernot Blümel ist „Modern Society – Verein zur Förderung der politischen Bildung und Forschung im urbanen Raum“. Blümel selbst war bis Ende Juli 2017 Präsident der Organisation. Auf ihn folgte der ehemalige JVP Wien Obmann Markus Kroiher, der jetzt im Finanzministerium arbeitet. Der Verein organisierte vor allem Veranstaltungen mit den schwarzen Jugendorganisationen Aktionsgemeinschaft und Schülerunion. Ein Indiz dafür, dass der Verein seine Mittel 2017 für den ÖVP-Wahlkampf ausgegeben hat, findet sich auf dessen Webseite. Im Tätigkeitsbericht steht folgender Satz:
„Der Aufbau der Bibliothek musste 2017 aus Budgetgründen leider stark reduziert werden.“
Vielleicht musste das Geld in andere Aktivitäten gesteckt werden, statt die Bibliothek zu finanzieren. Seitdem hat der Verein keinen weiteren Tätigkeitsbericht verfasst.
Ein weiterer Verein aus dem Umfeld von Gernot Blümel ist ein Verein, der rund um die niederösterreichischen Landtagswahlen 2003 entstanden ist. Der „Heimatverein ProPatria“ war eine Wahlwerbeorganisation des Cartellverbandes zur Unterstützung von Erwin Pröll. Der Verein besteht aber seither weiter, obwohl keine Aktivitäten auffindbar sind. Doch der Verein scheint weiterhin tätig zu sein.
Schließlich hat Gernot Blümel erst 2016, also ein Jahr vor der Wahl, die Funktion als Kassier übernommen. Der Wiener ÖVP Parteichef hat also Kontrolle über die Finanzen eines Vereins, dessen letzte offizielle Aktivität ins Jahr 2003 zurückreicht. Obendrein ist Blümel Wiener ÖVP-Chef und der Verein eigentlich in Niederösterreich aktiv. Und der ÖVP-Wien Chef übernahm die Verantwortung für die Finanzen ausgerechnet ein Jahr vor der Nationalratswahl. Warum das so ist und was dieser Verein macht, bleibt offen.
Nachdem der Verein nach der Ibiza-Affäre ins Visier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geraten ist, wurde er laut Vereinsregister am 18. Juni aufgelöst. Neben Blümel waren dort mehrere Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) tätig.
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