Es war wieder so weit – und wieder ein Schock: das Österreich-Ergebnis bei der Pisa-Studie. Vor allem in Mathematik haben die Schüler:innen schlechter abgeschnitten als in den letzten Tests. Expert:innen führen das großteils auf das Distance Learning während der Pandemie zurück. Die Gründe sind aber vielschichtiger und müssen ernst genommen werden, um eine bessere Bildung für alle garantieren zu können.
Zuallererst muss die Frage gestellt werden, warum die Corona-Pandemie sich überhaupt noch so stark auf die heutigen Lernerfolge auswirkt. Mathematik ist ein Fach, das man als Schüler:in verstehen muss. Man kann große Teile des Lehrstoffs nicht einfach auswendig lernen, sondern braucht besonders in diesem Fach eine Lehrperson, die den Inhalt verständlich übermitteln kann und für ein angstfreies Klassenklima sorgt. Es gäbe Methoden, mit denen man dies auch gut während der Pandemie schaffen hätte können, wie der Flipped Classroom, bei dem Erklärvideos eingesetzt werden, mit denen sich Kinder außerhalb der Schule mit dem Inhalt beschäftigen können. Allerdings werden solche Methoden kaum gefördert und die PISA-Studie selbst zeigt auch, dass digitale Medien seltener im Unterricht verwendet werden. Man kann jedenfalls nicht von Lehrpersonen verlangen, dass sie nach langen Arbeitstagen in ihrer Freizeit noch professionelle Lernvideos produzieren, hier braucht es die richtigen Rahmenbedingungen, um bessere Lehre zu ermöglichen.
Auswirkungen von Einkommen auf Bildung
Auch die Ausstattung der Schüler:innen hat zu Verschlechterungen beigetragen, vor allem in armutsbetroffenen Familien. Nicht jede Familie hat ein Arbeitszimmer, einen Schreibtisch, einen Laptop, einen Drucker oder W-LAN. Was dazu geführt hat, dass etliche Kinder und Jugendliche am Online-Unterricht mit ihren Handys im Bett liegend teilgenommen haben. Unter diesen Umständen kaum gelernt werden. Es hätte viel früher schon eine bessere Ausstattung aller Kinder von Seiten der Schulen benötigt, um diesen Zustand vorzubeugen. Vor allem berufstätige, armutsbetroffene Eltern konnten außerdem nicht ins Homeoffice gehen oder konnten auch wegen sprachlicher Schwierigkeiten ihre Kinder nicht unterstützen. Jetzt, wo Kinder Lernlücken aufholen sollten, können viele Eltern sich keine Nachhilfe leisten oder Zeit aufwenden, um mit ihren Kindern das Verpasste nachzulernen.
Fehlende Sprachkenntnisse als Handicap
Ein Faktor, in dem Österreich außerdem wieder sehr schlecht abgeschnitten hat, ist Chancengleichheit. Vor allem fehlende Sprachkenntnisse werden als starkes Handicap erwähnt. Hier braucht es laut Bildungsexpert:innen, neben besseren Förderungsmöglichkeiten, vor allem strukturelle Veränderung in unserem Schulsystem, da man nicht die ganze Last der Bildung auf Eltern abwälzen kann. Das vehemente Festhalten an Halbtags-Schulformen führt beispielsweise dazu, dass der Schulerfolg davon abhängt, wie viel Wissen Eltern ihren Kindern am Nachmittag mitgeben oder wie viel Geld Eltern in Nachhilfe-Lehrer:innen investieren können. Eltern mit schlecht bezahlten Jobs sind hier besonders benachteiligt, weil sie oft weder genug Zeit noch Geld haben, um ihren Kindern zu helfen.
Frühe Trennung der Schüler:innen nicht zielführend
Auch die sehr frühe Teilung in „leistungsstark“ und „leistungsschwach“ im Alter von 10 Jahren ist nicht zielführend, da die Chance verschwindet, dass schwächere Schüler:innen von stärkeren lernen können. Weiters geben immer mehr Volksschullehrer:innen an, dass schon die Startunterschiede in ihren ersten Klassen immer schwerwiegender werden. Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr könnte hier ausgleichend wirken.
Wie sich Armut auf den Lernerfolg auswirkt
Generell müssen armutsbetroffene Kinder mit besonders vielen Problemen kämpfen, die sich schlecht auf ihren Lernerfolg auswirken. Politikwissenschaftlerin Hannah Lichtenberger erklärt, dass diese Kinder seltener frühstücken, weniger Sport machen und vermehrt von Mobbing in der Schule betroffen sind. 20 Prozent der Unterschiede zwischen den österreichischen Schüler:innen in der PISA-Studie lassen sich auf sozio-ökonomische Herkunft zurückführen, ergo müssen wir besonders hier ansetzen und dafür sorgen, dass kein einziges Kind mehr von Armut betroffen ist.
Problem an der Wurzel bekämpfen
Schule sollte immer einen ausgleichenden Charakter haben, hat sie in Österreich aber nicht wirklich. Die Lösung für einen Leistungsabfall in Mathematik können nicht mehr Mathematik-Stunden sein, man muss tiefer graben und die Probleme an der Wurzel bekämpfen. Um dies zu schaffen, müssen die Ergebnisse der Studie ernst genommen werden und, wie Wiens Bürgermeister Michael Ludwig vorschlägt, alle Expert:innen an einen Tisch geholt werden, um an strukturellen Lösungen zu arbeiten, damit wirklich alle die gleichen Chancen bekommen.
Weniger Pädagogen in der Mathematik-Ausbildung! Mehr wirkliche Mathematiker.
Dann verstehen es die Kinder besser und sind motivierter.