Kein Krankenhaus, keine Produktionsstätte und keine Firma funktioniert ohne sie: Reinigungspersonal ist systemrelevant. Und trotzdem bleibt ihre Arbeit oft unsichtbar, unterbezahlt und kaum gewertschätzt. „Von einem Reinigungsjob alleine kann man kaum leben“, erzählt die langjährige Raumpflegerin Fatima Ibric gegenüber Kontrast.
Fatima Ibric arbeitet 32 Stunden bei einer Kärntner Reinigungsfirma. Seit 14 Jahren putzt sie an zwei Unternehmensstandorten – die einen produzieren Schleifscheiben für Werkzeuge, die anderen sind im Baustoffhandel tätig. Sie reinigt vor allem Büros, aber auch Duschen, Umkleidekabinen und Geschäftsräume. Mit Corona kam das tägliche Desinfizieren der Räume noch dazu – ansonsten habe sich ihr Job in all der Zeit nicht verändert, wie Ibric erzählt. Mit ihren Kolleginnen ist sie eingespielt, das Team ist sehr nett und auch das Arbeitsklima vor Ort ist überaus positiv. Das ist auch der Grund, warum sie gerne arbeiten geht.
„Reinigung ist für viele Menschen der letzte Job, das macht sonst nicht jeder gern, aber ich muss sagen, ich mache das mit Freude“, sagt Ibric.
Von einem Reinigungsjob alleine kann man kaum leben
Und trotzdem: Sie würde die Branche wechseln, sollte sie bei der Reinigungsfirma aufhören: „Ich würde mir einen Job in der Produktion suchen, weil dort einfach besser bezahlt wird“, so Fatima Ibric. Je nachdem wie oft sie für eine Kollegin einspringen muss, verdient sie etwa 1.300 bis 1.400 netto. Damit liegt sie genau im Mittel. Das Median-Einkommen in dieser Branche liegt bei 1.400 Euro netto – Urlaubs- und Weihnachtsgeld ist da bereits eingerechnet.
Für Frau Ibric geht es sich aus – „noch“, wie sie sagt, weil ihr Mann als langjähriger Facharbeiter bei der Strabag mit 2.200 Euro netto recht gut verdient und ihre Kinder schon selbst erwerbstätig sind. Ohne das Gehalt ihres Mannes könnte sie nicht leben – alleine ihre Fixkosten betragen schon 1.200 Euro im Monat. Auch in ihrem Umfeld gibt es viele, die trotz Arbeit kaum mehr über die Runden kommen: „In meinem Freundeskreis gibt es Menschen, die können sich fast das Essen nicht mehr leisten. Wenn die von ihrem Gehalt Strom und Fixkosten bezahlen, bleibt ihnen fast nichts mehr übrig. Bei uns ist das Gott sei Dank noch nicht der Fall“.
Vor allem bei Kolleg:innen mit kleinen Kinder reicht das Gehalt oft nicht mehr aus. Aber auch wenn Paare beide in der Reinigungsbranche arbeiten, wird es schon sehr knapp, meint sie.
Nach Daten des Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer zählt die Reinigung zu jenen Branchen in Österreich, in denen ein besonders hoher Anteil der Beschäftigten mit dem Einkommen nicht oder nur kaum auskommt. 16 Prozent der Reinigungskräfte geben an, dass ihr Einkommen nicht ausreicht, weitere 59 Prozent, dass es sich gerade ausgeht. Das liegt auch daran, dass fast jeder Zweite in der Branche nur Teilzeit arbeitet.
Das liegt wohl auch daran, dass der Job zu den anstrengendsten Berufen zählt. „Bei den systemrelevanten Berufen haben Reinigungskräfte die größte körperliche Belastung. Die ist ähnlich groß wie bei Bau- oder Lagerarbeitern“, sagt etwa Daniel Schönherr, Arbeitsmarktforscher bei SORA.
Unsichtbar und wenig gewertschätzt
Zusätzlich zur schlechten Bezahlung ist auch die fehlende Wertschätzung ein Problem für die Beschäftigten. Ihre Arbeit wird oft als selbstverständlich angesehen – oft überhaupt nicht wahrgenommen, erzählt Ibric im Gespräch mit Kontrast. Man erwartet sich ein Minimum an Respekt. doch auch das gibt es nicht immer:
„Manchmal gehen Leute direkt durch den frisch gewaschenen Boden, obwohl es auch andere Wege gäbe und entschuldigen sich nicht einmal dafür. Da wird man schon grantig, das nervt natürlich.“
Auch vom Arbeitgeber erleben die Reinigungskräfte wenig Wertschätzung. Diese sehen sie lediglich bei Weihnachtsfeiern – doch die fielen wegen Corona zwei Jahre lang aus. „Bei der Betriebsversammlung haben wir einen kleinen Coronabonus von 50 Euro in Form von Gutscheinen gefordert – bekommen haben wir den nicht“, sagt Ibric enttäuscht. Und das, obwohl viele von ihnen keinen einzigen Tag in Kurzarbeit waren – so auch Ibric. Denn die Produktion musste in den Firmen weiterlaufen.
„Es gab nicht einmal einen Brief, in dem sie sich bedanken – auch nicht für die zusätzlichen Stunden zum Desinfizieren. Da wird nichts wertgeschätzt“, bedauert sie.
Kein Corona-Bonus für systemrelevante Reinigungskräfte
Auch die Regierung vergisst oft auf die Reinigungskräfte, obwohl ohne sie in der Krise nichts funktioniert. So haben ÖVP und Grüne zwar nach heftigen Protesten, den Corona-Bonus 2021 auf das Reinigungspersonal in Krankenhäusern ausgeweitet, Ibric hat so wie tausende andere Putzkräfte nichts bekommen – obwohl auch sie als Systemerhalter:innen sind.
„Ich finde gut, dass es den Corona-Bonus gab. Denn Pfleger:innen und anderes Krankenhauspersonal haben den schlimmsten Job. Ich ziehe den Hut vor diesen Leuten, keine Frage. Aber selten wird jemand von der Reinigung erwähnt“, ist Ibric enttäuscht.
Dass in Frankreich kürzlich eine Reinigungskraft ins Parlament eingezogen ist, begrüßt Ibric deshalb sehr und fände das auch für Österreich eine gute Entwicklung: „Oh, da würde ich mich aber freuen“, sagt sie dazu. „Für viele ist es oft „nur eine Putzfrau“ und das Letzte. Das würde sich damit ändern“, ist Ibric überzeugt.
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Die Reinigungsbranche als Krisengewinner
Während es sich für viele der rund 90.600 Beschäftigten in der Branche kaum mit ihrem Gehalt ausgeht, schaut es bei den Unternehmen nicht schlecht aus. Laut AK-Branchenreport zählen die Reinigungsunternehmen „zu den Gewinnern der Krise.“ So konnten die im AK-Bericht untersuchten Unternehmen ihren ordentlichen Betriebserfolg im Jahr 2020 nach einem Tief im Jahr 2019 wieder um 4,1 % auf 62,2 Mio. Euro steigern. Und das, obwohl die Umsätze zurückgegangen sind. Zurückführen lässt sich das vermutlich neben Entlassungen beim Personal auch auf Corona-Hilfen wie Kurzarbeitsgelder, meint AK-Expertin und Bericht-Autorin Elisabeth Lugger auf Kontrast-Nachfrage.
„Die Mitarbeiter:innen haben somit durch den Abbau von Beschäftigten und eine Reduktion des Personalaufwandes deutlich zur guten Entwicklung der Ertragssituation beigetragen“, resümieren die Ökonom:innen im Bericht.