Zu niedrige Löhne, zu hohe Belastung für pflegende Angehörige und finanzielle Sorgen für Eltern – all das sind Probleme, mit denen viele in Österreich zu kämpfen haben. Während es jedoch an bundesweiten Hilfestellungen fehlt, versuchen einzelne Bundesländer, Lösungen zu finden. Egal ob es um höhere Mindestlöhne, grünen Strom oder Kindergärten geht: Das kleine Bundesland im Osten investiert in Jobs, Familien und Nachhaltigkeit.
1.700 Euro netto Mindestlohn für Landes- und Gemeindebedienstete
Seit Anfang 2020 verdienen alle Beschäftigten im Einflussbereich des Landes mindestens 2.400 Euro brutto. Netto sind das 1.700 Euro. Das sind zum Beispiel Mitarbeiter:innen der Burgenländischen Krankenanstalten-Gesellschaft. Von der Putzkraft bis zum Hilfsarbeiter im Bau oder der Köchin – alle haben am Ende des Monats mindestens 1.700 Euro für ihre Vollzeit-Arbeit am Konto. Ein Jahr später folgten auch die Beschäftigten der Gemeinden: Auch für sie wurde – wenn auch mit einer „Kann“-Bestimmung – der Mindestlohn auf 2.400 Euro brutto erhöht.
„Wir sind die Partei der Arbeiter. Wir haben für einen sozialpolitischen Ausgleich zu sorgen. Wir wollen keine prekären Dienstverhältnisse wie in Deutschland“, erklärte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) die Entscheidung.
Neben dem Mindestlohn hat seine Landesregierung auch die Einstiegsgehälter erhöht. Als Ausgleich flacht die Gehaltskurve mit den Jahren ab. Damit kommt man jungen Mitarbeitern entgegen, die ein Haus bauen oder eine Familie gründen wollen.
Gratis Kindergärten
Seit November 2019 sind alle Kindergärten und Kinderkrippen im Burgenland kostenlos. Nach Wien ist das Burgenland das zweite Bundesland, das die Kinderbetreuung für alle gratis gemacht hat. Zusätzlich wurden auch die Öffnungszeiten der burgenländischen Kindergärten verlängert, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.
Kinderbetreuung ist in Österreich Ländersache. Das einzige, was es überall geben muss: Im Jahr vor dem Schuleintritt ist der Besuch eines Kindergartens verpflichtend – und gratis. Ansonsten ist Österreich ein ziemlicher Fleckerlteppich in Sachen Kindergarten-Regelung.
Während der Kindergarten in Wien und dem Burgenland gratis ist, kann er in Salzburg oder Vorarlberg bis zu €440 im Monat kosten.
Das Land stellt pflegende Angehörige ein & bietet Pflege-Ausbildung an
In Österreich werden 8 von 10 pflegebedürftigen Menschen zu Hause von Angehörigen gepflegt. Laut Sozialministerium pflegen 947.000 Menschen einen Verwandten oder nahen Bekannten – jeder 10. in der Bevölkerung leistet also Pflegearbeit. Meist sind es Frauen: Zu 73 Prozent sind es Ehefrauen, Schwestern oder Töchter und Schwiegertöchter. Bei letzteren ist der Schnitt besonders hoch: Rund ein Drittel der Pflegebedürftigen werden von Töchtern oder Schwiegertöchtern gepflegt; bei den Söhnen sind es gerade einmal halb so viele.
Ein Drittel jener Personen, die ihre Angehörigen pflegt, ist aber selbst erwerbstätig und muss die Pflege zusammen mit Kindern, Haushalt, Privatleben und Beruf unter einen Hut bringen. Da das oft nicht gelingt, geben viele ihren Beruf auf (13%) oder schränken ihr Stundenausmaß ein (15%). Das wiederum führt oft zu Geldsorgen.
@kontrast.at Vom Burgenland könnte sich der Rest Österreichs einiges abschauen. #fyp #burgenland #österreich ♬ Der dritte Mann – Klaus Walter & Jodlerin Erika
Um die Menschen in dieser Situation zu unterstützen, hat das Burgenland ein einzigartiges Modell eingeführt: Angehörige, die für die Pflege ihren Beruf aufgeben mussten, werden vom Land angestellt.
Eine Anstellung ist ab Pflegestufe 3 möglich, da sind es 20 Stunden pro Woche. Ab Pflegestufe 4 gibt es eine 30-Stunden-Anstellung, und ab Pflegestufe 5 eine 40-Stunden-Anstellung. Bezahlt wird der burgenländische Mindestlohn von 1.700 Euro netto.
Zur Unterstützung kommt – je nach Pflegestufe zwischen ein und sieben Mal pro Woche – eine diplomierte Pflegerin auf Besuch. Die Kosten für diese Unterstützungsbesuche tragen die Pflegegeld-Bezieher selbst.
Zusätzlich bekommen die pflegenden Angehörigen eine kostenlose Grundausbildung in Betreuung und Pflege. Wer möchte, kann eine weiterführende Heimhilfe-Ausbildung machen. Das soll eine professionelle Pflege zuhause sichern und gibt darüber hinaus Angehörigen eine Berufsqualifikation, die den Wiedereinstieg in die Arbeitswelt erleichtert.
Windenergie: Burgenland produziert 150% seines Strom-Bedarfs
2006 hat der burgenländische Landtag beschlossen, bis 2013 seinen gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Dieses Vorhaben hat man übererfüllt: Das Burgenland deckt heute 150 % seines Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energiequellen und kann damit zur Versorgung anderer Regionen beitragen. Das ist das Ergebnis eines kontinuierlichen Ausbaus. Im Jahr 2000 lag der Anteil erneuerbarer Energien erst bei drei Prozent.
Das landeseigene Energieunternehmen „Energie Burgenland“ will bis 2025 zwei Milliarden Euro in die Windkraft, in die Photovoltaik, das Netz und Breitband investieren. Neben Wind soll die Sonnenenergie das zweite große Standbein im Burgenland werden.
Was noch kommen soll: Kostenlose Nachhilfe, gratis Musikinstrument und Skikurs für Schulkinder
Außerdem will das Land in die Bildung der Kinder investieren. In der zweiten Klasse Volksschule soll bald jedes Kind kostenlos ein Musikinstrument bekommen – und niederschwellig mit dem Thema musikalische Gestaltung in Berührung kommen.
https://www.tiktok.com/@kontrast.at/video/7100938870295973125
Auch Nachhilfe-Stunden sollen kostenlos werden. Wenn in der Schule nicht jedes Kind mitkommt, darf es nicht vom Einkommen der Eltern abhängen, ob Nachhilfe möglich ist oder nicht. Das Land will die Kosten dafür übernehmen. Und das Land will künftig für Schul-Skikurse aufkommen. Denn die bedeuten für Familien mitunter eine große finanzielle Belastung. Ein Paar Ski für jedes Schulkind soll es obendrauf geben.