ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss

Jetzt wird’s eng für Kurz & die ÖVP: Das 450-Seiten Schmid-Geständnis zusammengefasst

Mit der umfangreichen Aussage von Thomas Schmid vor der WKStA ist eine politische Bombe geplatzt, die einige mächtige Menschen in Österreich gar hinter Gitter bringen könnte. Vorhandene Verdachtsmomente der Korruptionsjäger*innen werden bestätigt und neue kommen hinzu. Schmid zeichnet ein Bild von einer Verflechtung zwischen Österreichs Superreichen und der ÖVP. Eine Elite, die glaubt, sich alles richten zu können. Im Zentrum: Ex-Kanzler Sebastian Kurz, Nationalrats-Präsident Wolfgang Sobotka, ÖVP-Klubchef August Wöginger, Multimillionär Sigi Wolf und Multimilliardär René Benko. Kontrast hat die wichtigsten Erkenntnisse zusammengetragen.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen einige ÖVP-Politiker, deren Vertraute und ehemalige Mitarbeiter. Warum? Ein Netzwerk – mit Sebastian Kurz im Zentrum – soll mit illegalen Mitteln Kurz erst an die Spitze der ÖVP und dann ins Kanzleramt gehievt haben. Ab 2017 hat ein Meinungsforschungsinstitut frisierte Umfragen und Studien angefertigt, deren Ergebnisse Kurz in der öffentlichen Meinung beliebter machen sollten. Stichwort: „Beinschab-Tool“. Die Ergebnisse wurden in der Zeitung „Österreich“ abgedruckt und im Privatsender „Oe24“ diskutiert. Im Gegenzug gab es Inserate für die Zeitung. Mutmaßlich bezahlt für all das hat aber nicht die ÖVP – sondern haben wir Steuerzahler*innen. Im ÖVP-geführten Finanzministerium liefen über Thomas Schmid die Fäden zusammen. Fast zwei Millionen Euro Steuergeld sollen, so der Vorwurf, für den Kurz-Wahlkampf missbraucht worden sein. Und ausgerechenet Schmid packt jetzt aus.

Was ist jetzt passiert? Schmid ging zur WKStA – 15 Einvernehmungen

Doch was ist nun neu an der Causa? Schmid ging im April auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu und erklärte: Er möchte kooperieren und den Kronzeugenstatus beantragen. Mit diesem Status könnte Schmid einer Haftstrafe entgehen – er muss dafür aber Erkenntnisse liefern, die ohne seine Mitwirkung nicht ans Tageslicht gekommen wären. Schmid breitete daraufhin in 15 ganztägigen Einvernahmen sein Wissen über mutmaßliche Korruption in der ÖVP aus.

Was haben wir erfahren?

Kurz gesagt: Thomas Schmid hat mit seiner Aussage den Verdacht der Ermittler bestätigt. Demnach wusste Kurz von den illegalen Vorgängen rund um die Umfrage-Affäre. Mehr noch: Er hat sie beauftragt und alles geschah zu seinem persönlichen Nutzen.

„Ich habe die ÖVP und Kurz aus dem Finanzministerium heraus gefördert, die Ressourcen des Finanzministeriums genutzt, um das Fortkommen der ÖVP unter Sebastian Kurz zu unterstützen.  […] und dies auch manchmal am Minister vorbei für Sebastian Kurz und seine Zwecke. Im Wissen, dass Inserate des Finanzministeriums nicht zu Wahlkampfzwecken der ÖVP geschaltet oder bezahlt werden dürfen, hat das Ministerium rund um den Wahlkampf 2017 Inserate in allen Medien geschalten“, gesteht Schmid gegenüber den Korruptionsanwälten zu Beginn der Einvernahme.

Doch das ist nicht das einzige, zu dem Schmid neue Beweise liefert- er belastet in seinen Aussagen neben Sebastian Kurz auch ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und ÖVP-Klubobmann August Wöginger schwer. Auch der Multimillionär Siegfried Wolf und der Multimilliardär Rene Benko werden massiv belastet. Es geht um Korruption, Bestechung, Bestechlichkeit, Untreue und Amtsmissbrauch. Davon sollen die ÖVP, Sebastian Kurz sowie Benko und Wolf profitiert haben.
Schmids Aussagen zeichnen ein Bild einer tiefen Verflechtung zwischen Österreichs Superreichen und der ÖVP. Wer einer der beiden Gruppen angehört, kann scheinbar in das von der ÖVP kontrollierte Finanzministerium marschieren und auf Steuerprüfungen oder Postenbesetzungen einwirken. Oder wie es Thomas Schmid in einem seiner zahlreichen Chats selbst formulierte: „Du hackelst im ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure für die Reichen!“ Aber der Reihe nach. Die zentralen Ermittlungsstränge im Überblick:

Sebastian Kurz wusste nicht nur Bescheid – er gab die Order aus

Vor genau einem Jahr, im Oktober 2021, standen Ermittler vor den Türen der ÖVP-Zentrale, dem Bundeskanzleramt und dem Finanzministerium. Man suchte nach Beweisen, für die Vorwürfe rund um das Beinschab-Österreich-Tool. Die Staatsanwaltschaft will beweisen, dass Kurz in der Causa um gefakte Umfragen und Inseraten-Deals beteiligt war. Damals schrieb die Staatsanwaltschaft in ihrer Durchsuchungsanordnung:

„Sebastian Kurz ist die zentrale Person: sämtliche Tathandlungen werden primär in seinem Interesse begangen. (…) Alle an der Planung und Umsetzung beteiligten Personen mussten sich dem übergeordneten Ziel – ihn zur Position des Parteiobmanns und in weiterer Folge des Bundeskanzlers zu führen (…) unterordnen. Aus den (…) ausgewerteten Chatnachrichten ist ersichtlich, dass er in allen wichtigen Belangen die Grundsatzentscheidungen trifft (…).“

Kurz hat immer abgestritten, von den Umfragen- und Inseraten-Deals etwas gewusst zu haben. Doch laut den Vernehmungsprotokollen von Thomas Schmid war es genauso, wie es die WKStA damals formuliert hat. Kurz hat laut Schmid bereits vor den Hausdurchsuchungen in der Beinschab-Causa im Kanzleramt bei Schmid nachgefragt, ob es Beweise in der Beinschab-Sache gebe:

„Es hat ein Gespräch zwischen mir und Kurz gegeben, bei dem Kurz mich gefragt hat, wie es ausschaut mit […] den Chats. Insbesondere hat er mich gefragt, wie es mit den Beinschab-Sachen ausschaut. Er wollte wissen, ob die Beinschab-bezogenen Chats gelöscht sind oder noch vorhanden sein können.“

Als dann das Schiff am Sinken war – also zur Zeit der Hausdurchsuchungen – brauchte Kurz einen Sündenbock. Einen Strippenzieher, auf den er alles abwälzen konnte. Laut Schmid fiel die Wahl auf ihn.

„Sebastian Kurz hat mich rund um den Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen im Oktober 2021 angerufen und mir gesagt, ich müsse jetzt eine schriftliche Stellungnahme abgeben, wonach er nichts von all diesen verfahrensgegenständlichen Vorwürfen wisse und ich die ganze Schuld auf mich nehmen solle“, erklärte Schmid gegenüber der Staatsanwaltschaft.

Steht der Ex-Kanzler einen Schritt näher an der Anklage?

Ebenso beteuert Sebastian Kurz bis heute, nicht in die Bestellungen von Thomas Schmid als ÖBAG-Vorstand bzw. nicht in die Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrats eingebunden gewesen zu sein. Und das, obwohl Chats das Gegenteil nahelegen und die WKStA gegen ihn in dieser Frage wegen Falschaussage im U-Ausschuss ermittelt. Jetzt packt auch Thomas Schmid aus: Sebastian Kurz war sehr wohl involviert und habe faktisch die Entscheidungen getroffen. Damit könnte Sebastian Kurz einen Schritt näher vor der Anklage stehen.

Thomas Schmid belastet in seiner Aussage Ex-Kanzler Kurz schwer.

Sobotka verhinderte laut Schmid Steuerprüfung bei seinem Alois-Mock-Verein und der Erwin-Pröll-Stiftung

Einen bisher unbekannten Fall der ÖVP-Steuervermeidung sprach Thomas Schmid in seiner Einvernehmung an, den er auch zur Anzeige bringen werde, wie er angibt. Und zwar soll Wolfgang Sobotka bei ihm interveniert haben, um eine Steuerprüfung bei seinem Alois-Mock-Verein zu verhindern. Dieser Verein  – von Sobotka gegründet und viele Jahre geführt – war immer wieder in den Schlagzeilen: So flossen etwa große Summen öffentlicher Gelder an den Verein, der inzwischen aufgelöst ist. Ein anderer Geldgeber war der Glücksspielkonzern Novomatic. Auch ÖVP-Innenminister Karner war dort tätig.

Neben Sobotkas Verein sollte auf seinen Wunsch hin ebenso die Steuerprüfung bei der Erwin-Pröll-Stiftung vom damaligen ÖVP-Landeshauptmann in Niederösterreich verhindert werden.
Thomas Schmid habe das Anliegen dann an die zuständige Stelle im Finanzministerium weitergeleitet. „Es ist dann im Sinne von Mag. Sobotka erledigt worden“, so Schmid.

Wolfgang Sobotka drehte unangenehme Steuerprüfungen ab.

Bei der Erwin-Pröll-Stiftung hat es laut ORF-Recherchen jedoch im Jahr 2017 eine Steuerprüfung gegeben. 2018 musste Kapitalertragssteuer nachträglich bezahlt werden. Wolfgang Sobotka ließ über einen Sprecher wissen, dass er mit der Sache nichts zu tun hatte.

Wöginger setzt über Schmid unqualifizierten Finanzamtsleiter mit ÖVP-Parteibuch ein

Wolfgang Sobotka ist nicht der einzige aktive ÖVP-Politiker, der von Thomas Schmid belastet wird – und zwar in einer von der WKStA bereits verfolgten Causa. So soll auch ÖVP-Klubchef August Wöginger Schmid zum Amtsmissbrauch angestiftet haben. Der oberösterreichische ÖVP-Parlamentarier soll über Schmid Einfluss auf die Postenbesetzung der Leitung des Finanzamtes Braunau-Ried-Schärding genommen haben. Ein oberösterreichischer ÖVP-Bürgermeister bekam den Posten. Schmid betont in seiner Einvernahme mehrmals, dass Wöginger die Besetzung „ein wichtiges Anliegen“ war und er Schmid deswegen immer wieder angesprochen hätte.

„Wöginger hat mir gegenüber nie von einer besonders guten fachlichen Eignung von […] für diesen Vorstandsposten gesprochen, das möchte ich noch einmal betonen“, sagt Schmid. Es sei ausschließlich ein „parteipolitisches Anliegen“ gewesen.

Auf die Frage nach seinem Eindruck zur fachlichen Qualifikation des ÖVP-Manns räumt Schmid ein, „dass es dann die Intervention von Wöginger bei mir nicht gebraucht hätte, wenn er so gut geeignet gewesen wäre.“

Aus dem Finanzamt hört man heute, der ÖVP-Mann sei kaum in der Arbeit und habe kaum Ahnung vom Geschäft. So hätte man ihm beibringen müssen, was eine Arbeitnehmerveranlagung sei. Schmid sagte zu der Causa wie folgt aus:

„Mir war bewusst, dass ich mit einem ausschließlich parteipolitisch motivierten Anliegen von Wöginger zu tun hatte. Ich habe dessen Personalwunsch deshalb unterstützt, weil es das Anliegen eines Parteifreundes war. Mir ist bewusst, dass ich aus parteipolitischen Erwägungen gehandelt habe und nicht aus sachlichen.“

Rene Benko: 600.000 Euro Job für Millionen-Steuer-Deal

Bei Rene Benkos Signa fand nach Schmids Aussage eine Hausdurchsuchung statt. (Foto: Starpix picturedesk)

Für den Milliardär Benko und dessen Signa-Konzern hatten die Aussagen Schmids schon erste Konsequenzen: Bei der Signa gab es Hausdurchsuchungen. Hintergrund: Schmid sagte aus, dass Benko ihn mit der Aussicht auf einen Job mit einem Jahresgehalt von 300.000 Euro bestochen hätte. Schmid sollte im Gegenzug bei Steuerangelegenheiten behilflich sein. Dabei ging es um Steuern in Millionenhöhe, die Benko nach einem seiner Immobiliendeals abführen sollte und um die steuerliche Absetzbarkeit eines Privatjets. Freilich auch in Millionenhöhe.

Finanzminister Schelling setzte sich persönlich für den Steuernachlass bei Sigi Wolf ein

Sehr ausführlich beschrieb Thomas Schmid, wie MAN-Investor und ÖVP-Unterstützer Siegfried Wolf zu seinen Steuerbegünstigungen in Millionenhöhe kam. Auf rund 60 Seiten bestätigt er die Verdachtslage, dass Sigi Wolf im Finanzministerium interveniert habe, um seine Steuerlast von ursprünglich elf auf sieben Millionen zu senken.
Dabei sei laut den Aussagen Schmids der damalige ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling nicht nur involviert gewesen, sondern es geschah ausdrücklich auf seinen Wunsch hin.

Der Steuernachlass für Sigi Wolf war im Interesse des damaligen Finanzministers Schelling.

Die WKStA ermittelt in dieser Causa u.a. gegen Ex-Minister Schelling und Wolf. Beide bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

ÖVP-Politiker setzten sich massiv für den Steuernachlass von Siegfried Wolf (in der Mitte) ein. (Foto: Stelzer, Fotokerschi at /APA picturedesk)

Die Schmid-Aussagen zeigen, wie die ÖVP den Staat betrachtet

Die Schmid-Chats sind eine politische Bombe. Sie offenbaren ein unvorstellbares Maß an Korruption. Sie zeigen, wie die ÖVP und ihre reichen Freunde den Staat betrachten. Öffentliche Institutionen wie das Finanzministerium mussten spuren. Stimmen Schmids Aussagen, missbrauchte die ÖVP es als Ort des Postenschachers, als Finanzierungsquelle und als Mittel, um Superreichen Gefallen zu erweisen. In ihrem Machtrausch machten die „christlich-sozialen“ ÖVP-ler nicht einmal Halt vor der Kirche. Thomas Schmid sagt aus, dass Sebastian Kurz ihn aufforderte, Kirchenvertreter einzuschüchtern, um ihre Haltung in Asylfragen auf Regierungslinie zu bringen. Schmid berichtete an Kurz damals, der Bischof sei erst rot, dann blass, dann zittrig gewesen. Ähnlich dürfte wohl die ÖVP-Führungsriege auf das Schmid-Protokoll reagiert haben.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1787 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1787 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 16%, 477 Stimmen
    16% aller Stimmen 16%
    477 Stimmen - 16% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 368 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    368 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 286 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    286 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 151 Stimme
    5% aller Stimmen 5%
    151 Stimme - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 3069
12. März 2024
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