Verschwörungstheorien scheinen ständige Begleiterinnen in dieser Pandemie zu sein. Auch um die lebensrettenden Covid-Impfstoffe ranken sich zahlreiche Mythen. Ein Faktencheck.
Für fast alle von uns ist es die erste Pandemie, die wir erleben. Die Menschheit wurde jedoch immer wieder von Epidemien und Pandemien heimgesucht. Die letzte große Pandemie wütete nach dem 1. Weltkrieg: die Spanische Grippe. Damals starben allein in Europa 2 Mio. und weltweit bis zu 50 Mio. Menschen an diesem Virus, der damals als “eine Art Grippe, aber ganz ungewöhnlich ansteckend” beschrieben wurde.
100 Jahre später stecken wir erneut in einer Virus-Pandemie. Die Situation ist vor allem für uns surreal, die wir an ein hoch entwickeltes Gesundheitssystem gewöhnt sind. Dieser Schock und diese Hilflosigkeit bereitet einen fruchtbaren Boden für allerlei Verschwörungstheorien. Geschichtlich betrachtet hatten Verschwörungstheorien in solch tief greifenden Krisen immer Hochkonjunktur. Das liegt unter anderem daran, dass sich viele Menschen ihrem Schicksal ausgeliefert fühlen und einen gewissen Halt in diesen Theorien finden, die einfache Erklärungen zu bieten scheinen. Heute kommt ein zusätzlicher Verstärker solcher Mythen hinzu: Das Internet. Mit Hilfe der digitalen Kommunikation ist es um vieles einfacher geworden, Menschen mit ähnlichen Ansichten zu finden und irreführende Theorien zu verbreiten.
Aus diesem Grund wollen wir uns die 4 häufigsten Impfmythen genauer ansehen:
Diese Angst ist nachvollziehbar. Es gibt aber sehr einleuchtende Gründe, warum dieser Prozess, der oft jahrelang dauert, dieses Mal so schnell ging:
Der Begriff “Langzeitfolgen” ist sehr irreführend, da er suggeriert, dass sie erst nach langer Zeit auftreten. Tatsächlich ist es aber so, dass Langzeitfolgen in aller Regel innerhalb der ersten 6 Wochen nach der Impfung auftreten. Deshalb muss die klinische Phase 3 auch mindestens 2 Monate lang sein. Oft werden von ImpfgegnerInnen die unentdeckten Nebenwirkungen von “Pandemrix” als Beispiel für eine übereilte Zulassung angeführt. Pandemrix war ein Impfstoff gegen die Schweinegrippe, die 2009/10 kursierte. Eine von 16.000 geimpften Personen erkrankte an Narkolepsie, der Schlafkrankheit. Diese Nebenwirkung war in der Testphase nicht aufgefallen.
Das Problem war hier jedoch keine zu kurze Testdauer, sondern die unzureichende Anzahl der ProbandInnen: Der Impfstoff wurde nur an weniger als 2.000 Personen getestet. Natürlich konnten diese seltenen Nebenwirkungen bei so wenigen Testpersonen nicht entdeckt werden. Bei den Covid-Impfstoffen gab es sogar viel mehr Testpersonen als bei anderen klinischen Studien (AstraZeneca: 24.000 Personen, Moderna: 30.000 Personen, BioNTech/Pfizer: 44.000 Personen). Die Impfstoffe sind also mindestens genauso sicher wie andere zugelassene Arzneimittel.
Dieses Gerücht ist nicht neu. Der Mythos der Unfruchtbarkeit als Nebenwirkung von Impfungen wird immer wieder von GegnerInnen gestreut. So auch bei der Polio-Impfung 2004 in Nigeria, sowie bei der Tetanus-Impfung 2014 in Kenia.
Neu ist jedoch die pseudo-wissenschaftliche Argumentation. ImpfgegnerInnen behaupten, dass das Protein Syncytin-1, das für den Aufbau der Plazenta wichtig ist, große Ähnlichkeiten mit dem Spike-Protein des Virus hat. Aufgrund dieser Ähnlichkeiten würden die durch die Impfung aufgebauten Antikörper nun nicht nur das Virus angreifen, sondern auch Syncytin-1. Dem Mythos zufolge mache dieser Vorgang die Gebärmutter unfruchtbar. Doch das ist völliger Blödsinn. Empirischer Gegenbeweis: Falls es wirklich zu dieser Verwechslung (“Kreuzreaktion” genannt) kommen würde, müssten alle Menschen mit Gebärmutter, die eine Covid-Krankheit hinter sich haben, unfruchtbar sein, da sie die selben Antikörper wie geimpfte Personen besitzen.
Doch eine solche Wirkung ist nicht eingetreten. Für den molekularbiologischen Gegenbeweis können wir uns die Struktur der beiden Proteine genauer ansehen: Proteine bestehen aus vielen aneinander geketteten Aminosäuren. Diese Bausteine kann man sehr gut miteinander vergleichen. Es stellt sich dabei heraus, dass die Überlappungen von Syncytin-1 und dem Spike-Protein nur sporadisch und rein zufällig vorkommen. Es ist sogar so, dass manche Schnupfenviren mehr Überlappungen mit Syncytin-1 haben als das Spike-Protein. Nach der Logik der ImpfgegnerInnen müssten wir also nach jedem Schnupfen Angst haben, unfruchtbar zu werden. Das ist aber glücklicherweise nicht der Fall.
Dieser Mythos, der durch eine einzige gefälschte Studie entstanden ist, hält sich seit über 20 Jahren hartnäckig. 1998 zieht Andrew Wakefield in seiner Studie einen Zusammenhang zwischen der MMR (Masern-Mumps-Röteln)-Impfung und Autismus. Die Studie wurde im renommierten Magazin “The Lancet” veröffentlicht, aber später wieder zurückgezogen und vom Herausgeber des Magazins als “unwissenschaftlich und unehrenhaft” bezeichnet.
Die Studie, die seit Jahrzehnten als Beweis für den Autismus-Mythos gilt, wurde an lediglich 12 Kindern durchgeführt. Noch dazu kam später heraus, dass die Beschwerden bei den meisten Kindern bereits vor der Impfung aufgetreten waren. Wakefield hatte die Daten gefälscht. Es gab außerdem große Interessenskonflikte, da Wakefield selbst ein Patent auf einen alternativen Impfstoff gegen MMR besaß und deshalb großes Interesse an der Diskreditierung des neuen Impfstoffes hatte.
Seit 1998 wurden unzählige Studien zu diesem Thema durchgeführt. Und alle kamen zum selben Ergebnis: Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Impfen und Autismus. Die aktuellste und größte ist eine dänische Studie mit 60.000 Kindern aus dem Jahr 2019.
Wakefield wurde mittlerweile die Arzt-Lizenz entzogen. Was ihn aber nicht davon abhält, als Impfgegner-Idol z.B. in seinem Film “Vaxxed” Impflügen zu verbreiten. Und auch im deutschsprachigen Raum erlebt die MMR-Impf-Skepsis ein Revival, was zu einem traurigen Comeback der Masern und Masern-Toten geführt hat.
Was jedoch kein Mythos ist: Impfungen sind die größte medizinische Erfolgsstory der Geschichte und verhindern jedes Jahr Millionen von Todesopfern. Und auch in dieser Pandemie ist die Impfung das wichtigste Werkzeug, um sie zu beenden. Damit das so schnell wie möglich passiert, müssen endlich die Patente der Impfstoffe frei zugänglich sein. Erst dann kann der so dringend benötigte Impfstoff überall auf der Welt produziert werden. Erst dann können wir sicher stellen, dass Länder im Globalen Süden nicht erst 2023 Zugang zum lebensrettenden Impfstoff haben.
Die Impfstoffe konnten nur durch immense staatliche Investitionen entwickelt werden. Sie gehören der ganzen Menschheit. Lasst uns deshalb Menschenleben über Profitinteressen stellen und den Impfstoff so schnell wie möglich und kostenlos für alle Menschen, überall auf der Welt, zur Verfügung stellen.
Elka Xharo ist Medizinphysikerin am AKH Wien. Sie betreibt als „The sciency feminist“ leicht verständliche Wissenschaftsaufklärung auf Instagram. Den Text hat sie zuerst im Schweizer Magazin „Das Lamm“ veröffentlicht.
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