Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat Anklage gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger, Ernst Plech und Peter Hochegger wegen Verdachts auf Korruption bei der Privatisierung der Bundeswohnungen (BUWOG) und der Einmietung der Finanz im Linzer Terminal Tower eingebracht. Der Schaden liegt bei rund 10 Mio. Euro, der Strafrahmen bei bis zu zehn Jahren Haft. Grasser bestreitet nach wie vor alle Vorwürfe.
Bei der Privatisierung von 60.000 Bundeswohnungen flossen 9,6 Mio. Euro vom Käufer Immofinanz an den Lobbyisten Peter Hochegger und den FPÖ-Politiker und Grasser-Vertrauten Walter Meischberger. Die Gelder flossen über Zypern und die USA auf drei Konten in Liechtenstein. Ein Teil dieses Geldes, so die Vermutung, soll Ex-Finanzminister Grasser zugekommen sein. Korruptionsverdacht besteht außerdem bei der Einmietung der Finanzlandesdirektion Oberösterreich in den “Terminal Tower” im Jahr 2006. Auch hier geht es um ungeklärte Provisionsflüsse. Was ist passiert?
1. Geheime Infos wurden weitergeleitet
Mit den fast 10 Millionen sollen jene belohnt worden sein, die geheime Kenntnisse aus dem Vergabeverfahren im Finanzministerium zur Immofinanz geleitet hatten. Der damalige Chef der Immofinanz, Karl Petrikovics, spricht ganz offen darüber, von Hochegger vertrauliche Informationen aus dem Finanzministerium bekommen zu haben. Die dazu gestellten Rechnungen bezeichnete Petrikovics im Untersuchungsausschuss als Scheinrechnungen: “Es war der Wunsch, dass wir einen anderen Rechnungszweck verwenden. Die Rechnungsinhalte waren erfunden.“
2. Es gab politische Interventionen
Entscheidend ist, dass jemand im Finanzministerium streng vertrauliche Information aus dem Ministerium nach außen getragen haben muss. Sowohl Heinrich Traumüller, ehemaliger Kabinettschef Grassers, als auch der BMF-Beamte Josef Mantler haben von Interventionen Grassers in den entscheidenden Tagen vor der Zuschlagserteilung berichtet. Am Ende der Angebotsfrist war die CA-Immo klarer Bestbieter. Statt jedoch der CA den Zuschlag zu geben, habe Finanzminister Grasser die entscheidende Sitzung der Vergabekommission abgesagt und stattdessen eine zweite Runde eröffnet. In diesem Zeitraum erfuhren Meischberger und Hochegger, dass die CA-Immo um rund 80 Mio. Euro besser lag und gaben die Information an die Immofinanz weiter.
Grasser wird vorgeworfen, in das Vergabeverfahren interveniert und sich nicht an die Spielregeln einer fairen, objektiven Vergabe gehalten zu haben. Es liegt außerdem der Verdacht nahe, dass Grasser selbst die entscheidenden Informationen an seine Vertrauten Hochegger und Meischberger weitergegeben und dafür auch Provisionen in Millionenhöhe kassiert habe – Grasser bestreitet derartige Vorfälle, es gilt natürlich nach wie vor die Unschuldsvermutung.
3. Persönliche Bereicherung steht im Raum
Dass die Privatisierungen von Anfang an in gefährlicher Nähe zur persönlichen Bereicherung standen und Grasser möglicherweise nie das Interesse der Allgemeinheit im Blick hatte, lässt auch die Aussage des damaligen Bundeskanzlers Schüssel vermuten: „Ich habe allen in unserer Regierung immer gesagt: Wenn ich einen erwische, der hier Linke macht, dann spielt’s Granada.“ Ein Satz, der eigentlich nur fällt, wenn man schon Böses vermutet. Auch der ehemalige Kabinettsmitarbeiter Grassers, Michael Ramprecht, hat seinen ehemaligen Chef schwer belastet. Ihm zufolge seien die Privatisierung der Bundeswohnungen von Grasser und seinen Vertrauten manipuliert worden, um Provisionen in Millionenhöhe in die eigenen Taschen zu wirtschaften.
4. Die engsten Vertrauten wollten Geld
Der damalige Porr-Generaldirektor Horst Pöchhacker hat seine Erfahrungen mit Grasser und seinen Freunden bei der Abwicklung von Immobiliendeals einmal so beschrieben: Meischberger, Plech und Hochegger sind bei Auftragsvergaben als private Vermittlungspersonen aufgetreten und hätten Geld für sich gefordert. „Das beste Projekt zu haben, ist noch lange keine Garantie, dass man den Zuschlag erhält“, so Pöchhacker im U-Ausschuss.
5. Keine Leistung, aber das „richtige Biotop“
Dass Grassers Freunde Meischberger, Hochegger und Plech für die Geldflüsse in Millionenhöhe recht wenig leisten mussten, bringt Meischbergers berühmt gewordene Formulierung „Wo woa mei Leistung?“ auf den Punkt. Im parlamentarischen Untersuchungsausschuss hat er das dann so erklärt: „Es kommt nicht immer darauf an, wie viel jemand leistet.“ Oft sei einfach entscheidend, „im richtigen Biotop“ zu schwimmen und „die richtigen Informationen“ weiterzugeben. Ein Sittenbild einer politischen Kultur, in der Privatisierungen und staatsnahe Immobiliendeals dazu genutzt wurden, sich auf Kosten der Republik zu bereichern.
(Wann es zu einem Prozess kommen wird, ist derzeit “nicht abschätzbar”, wie Oberstaatsanwalt Konrad Kmetic erläutert. Die Beschuldigten haben ab Zustellung der Anklageschrift 14 Tage Zeit, um Einspruch zu erheben. Sollte kein Einspruch folgen, wird nach Ablauf der Frist die Anklage rechtskräftig. Es gilt die Unschuldsvermutung.)