Thierry Baudet ist der Shooting Star der niederländischen Rechten. Auf den ersten Blick ist der Politiker ein konventioneller Rechter: ein Freund Putins und Trumps, ein Feind der Migration und des Klimaschutzes. Doch im Gegensatz zu seinem rechtspopulistischen Konkurrenten in den Niederlanden Geert Wilders setzt Baudet auf eine Mischung aus Elitismus und moderner Rassenideologie. Sein Rezept scheint zu funktionieren: bei den Provinzwahlen am 20. März wurde seine Partei „Forum für Demokratie“ die stärkste Fraktion.
Thierry Baudet wird oft als Rechtspopulist bezeichnet, dabei gibt sich der 36-jährige Jurist alles andere als „volksnah“. Er zitiert gerne Hegel, wohnt auf einer Gracht in der Amsterdamer Innenstadt, ist Autor eines Buches über klassische Musik und hielt seine Antrittsrede im Parlament zum Teil auf Latein. Er ist das Gegenstück zu seinem Konkurrenten, dem Rechtspopulisten Geert Wilders, der auf plakative Sprüche und anti-eliten Rhetorik setzt. Wie schafft es ein schnöseliger Bildungsbürger den „Mann des Volkes“ von rechts zu überholen?
“Forum für Demokratie” Partei aus der akademischen und wirtschaftlichen Elite
Thierry Baudets “Forum für Demokratie” führt einen Klassenkampf von oben. Die erst 2016 gegründete Partei ist aus einem rechtskonservativem Think Tank entsprungen und bezeichnet sich selbst als „rational, kultiviert und ernst“.
Ihre Basis bildet die akademische und wirtschaftliche Elite des Landes – Anwälte, Ärzte, Geschäftsmänner. Sie propagiert den Abbau des sozialen Wohnbaus, eine Schwächung von Arbeitsrechten und will die Niederlande in „das Silikon Valley von Europa“ verwandeln.
Doch das Herzstück ihres Programmes ist ein radikaler Ethnonationalismus – ein klares Bekenntnis zu einer Niederlande für ethnische Niederländer.
Baudets Version des Ethnosnationalismus hebt sich dabei deutlich vom bisherigen Kurs der niederländischen Rechten ab. Die war nämlich seit dem Aufstieg Pim Fortuyns in den 2000ern hauptsächlich mit dem Islam beschäftigt. Fortuyn, der offen homosexuell war, präsentierte sich als ein Verteidiger liberaler niederländischer Werte gegenüber der rückschrittlichen Kultur der muslimischen Minderheiten im Land.
“…homöopathische Verdünnung des niederländischen Volkes”
Nach Fortuyns Ermordung durch einen Tierschutzaktivisten trat der Rechtspopulist Geert Wilders mit seinem islamfeindlichen Nationalismus in die Fußstapfen Fortuyns. 2016 wurde Wilders sogar wegen seiner hetzerischen Rhetorik gegen die marokkanische Minderheit im Land rechtskräftig verurteilt.
Thierry Baudet ist allerdings ein Rechtsextremist einer anderen Art: Ihm geht es um Rasse, nicht um Religion. Das Problem sei nicht nur der Islam, sondern die „homöopathischen Verdünnung des niederländischen Volkes durch alle Kulturen der Welt.“ Schon vor seinem Eintritt in die Politik bekannte sich Baudet zu einem Europa, „vorherrschend weiß und kulturell so wie es ist” – bis heute hält er an solchen Aussagen fest.
Rückkehr der Rassenideologie
Im Gegensatz zu Fortuyn und Wilders ist die Rassenideologie ein fixer Bestandteil von Baudets Rhetorik. Bei seiner Siegesrede nach den letzten Wahlen sprach er von einer „borealen Welt“. Diese Wortwahl löste heftige Diskussionen aus. Rein wörtlich heißt „boreal“ nichts Anderes als „nördlich“, doch in der faschistischen Ideologie verweist der Begriff auf den Herkunftsmythos des Urvolks Europas – der Indo-Germanen, oder „Arier“. Der italienische Diktator Benito Mussolini hatte den Begriff verwendet, genauso wie der französische Ethnonationalist Jean-Marie Le Pen. Seitdem gilt der Ausdruck als rechtsextremes Codewort für die Rassenreinheit Europas.
Es ist kein Zufall, dass Thierry Baudet die Rhetorik des alten Jean-Marie Le Pen übernimmt. Die beiden kennen einander persönlich, unter anderem weil Baudet Le Pen eine Kopie seiner Dissertation überreicht hat. Baudet pflegt auch andere Kontakte zu rechtsextremen Ikonen, wie dem amerikanischen Rassisten Jared Taylor, den er vor zwei Jahren zu einem fünfstündigen Gespräch traf. Taylor ist ein Vertreter des „wissenschaftlichen Rassismus“ und behauptet, die weiße Rasse sei den anderen Rassen in ihrer Intelligenz überlegen.
Thierry Baudet will Einfluss von Soros untersuchen
Baudet selbst hat noch keine dieser explizit rassistischen Thesen verteidigt. Seine Ideologie ist wesentlich raffinierter konstruiert. Seine Diagnose für die westliche Welt lautet „Oikophobie“ – altgriechisch für „Angst vor dem Häuslichen“. Oikophobie führe zu einem Selbsthass der europäischen Eliten, die alle anderen Kulturen mehr schätzen als die Eigene. Das Problem in den Niederlanden sei, dass diese Phobie durch die politischen und kulturellen Institutionen des Landes, die Universitäten, die Medien, sogar die Museen und Theater, propagiert werde.
Diese Art der Indoktrination bezeichnet Baudet als „Kulturmarxismus“ – ebenfalls ein Schlagwort aus der Alt-Right Szene. Ein Wort, das auch an den Nazi-Begriff des „Judeobolschewismus“ erinnert. Mit seinem Aufruf letztes Jahr, man solle den Einfluss des jüdisch-ungarischen Philanthropen George Soros in den Niederlanden untersuchen, erinnert er an antisemitische Verschwörungstheorien, die eine jüdische Einflussnahme hinter den Migrationsströmen nach Europa postulieren.
Frauenfeindlich und gegen Masturbation
Baudet schafft es auch mit frauenfeindlichen Sagern in die Schlagzeilen. 2014 verteidigte er den umstrittenen Pick-up Artist Julien Blanc und meinte „dass Frauen überrumpelt, beherrscht, ja, übermannt werden wollen.“ Über Zustimmung sagt Baudet: „wenn eine Frau ‚nein’ sagt“ dann solle man „einfach drauf bestehen“ und sagen „Schatz, komm lass uns noch was trinken“.
Zum Thema Gleichberechtigung meint er, dass „Frauen im Allgemeinen in vielen Berufen schlechter sind“ und „oft mehr Interesse in familiäre Dinge haben“.
Auf die Spitze getrieben wird Thierry Baudets reaktionäre Sexualmoral durch seine Ablehnung männlicher Masturbation. In seinem Buch schreibt er, dass Masturbation in einer Liebesbeziehung einem „Ehebruch“ gleichkommt. Öffentlich bekennt er sich dazu, dass er sich „für seine Freundin aufheben“ möchte. Zwar macht Baudet aus seinen skurrilen Ansichten keine politische Kampagne, doch auch hier signalisiert er seine Nähe zu einem rechtsextremen Männerbild, das Masturbation als Schwäche ansieht.
Sexuelle Reproduktion beschäftigt nicht nur Baudet, sondern auch andere seiner Parteikollegen. So musste Yernaz Ramatursing, Listenzweiter bei FvD Amsterdam, kurz vor den Gemeinderatswahlen 2018 zurücktreten, weil er meinte, „Homorechte haben die Gesellschaft dümmer gemacht“. Homosexuelle hätten laut Ramatursing einen höheren IQ als Heterosexuelle, den sie nicht weitervererben, wenn sie sich nicht fortpflanzen.
Thierry Baudet steht für salonfähige Rechtsextremismus
Was den Aufstieg des Rechtspopulisten Thierry Baudets allerdings so gefährlich macht, ist nicht nur der Inhalt seiner rechtsextremen Ideologie, sondern ihre Reichweite. Baudet spricht damit genau die bürgerliche Elite an, die Wilders nie gewählt hätten. Das zeigt sich in den Ergebnissen der Provinzwahlen am 20. März: Baudet konnte viel mehr Stimmen gewinnen, als nur die Wähler, die Wilders verloren hatte. Hinzu kamen viele ehemalige Wähler der rechtskonservativen VVD, die ihm letztendlich den Wahlsieg verschafften.
Diese Wählerschaft ist gebildet, wohlhabend und gut vernetzt; sie besitzt Einfluss und Kapital. Somit droht den Niederlanden nun ein wortwörtlich salonfähiger Rechtsextremismus.
Doch so sehr Baudet die Eliten auch anspricht, mobilisiert er auch die Opposition. Der jährliche Marsch gegen Rassismus in der Hauptstadt Amsterdam fand ein paar Tage nach den Wahlen statt. Während das Jahr zuvor nur rund 2.500 Demonstranten auf die Straße gegangen waren, fiel die Demonstration dieses Jahr vier Mal so groß aus. „Stoppt FvD: Rassisten, Sexisten, Klimaskeptiker“ und „Boreal – nicht normal“ konnte man auf den Schildern lesen.
Diese Darstellung ist an den Haaren herbeigeholt. Ethnozentrismus ist nun in der Realität nicht das was die Ideeen von Baudet ausmacht. Eher Kulturnationalismus.
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