Durch die Corona-Krise haben die Gemeinden ein massives finanzielles Problem. Gleichzeitig werden laut Prognosen rund 10.000 Lehrstellen fehlen. Gemeinden und Städte wären bereit, verstärkt Lehrlinge auszubilden, wenn der Bund für die Finanzierung aufkommt. Die Regierung ignoriert den Vorschlag seit über einem Monat.
35.612 Jugendliche waren im September laut AMS ohne Job, 22 Prozent mehr als im Vorjahr. 9.415 von ihnen suchen eine Lehrstelle. Die Kündigungswellen der letzten Wochen lassen Experten vermuten, dass die Zahl in den kommenden Monaten noch steigt. Mittelfristig fehlen 10.000 Lehrstellen.
Im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit haben Gemeinden und Städte angeboten, verstärkt Lehrlinge auszubilden. Die Idee: Gemeinden und Städte stellen den Ausbildungsplatz zur Verfügung und garantieren eine gute Ausbildung, der Bund zahlt. So leisten alle einen Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.
Keine Antwort vom Kanzler
Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus allen Bundesländern und auch die Gewerkschaft younion unterstützen die Idee, die sie dem Kanzler in einem offenen Brief unterbreitet haben. Doch für die Umsetzung bräuchte es finanzielle Mittel der Bundesregierung – und die ist auf diesem Ohr leider schwerhörig. Seit über einem Monat bekommen die 21 Bürgermeister keine Antwort auf ihren offenen Brief.
“Kurz und sein gesamtes Regierungsteam finden es nicht einmal der Mühe wert, 21 BürgermeisterInnen zu antworten”, kritisieren die Initiatoren heute in einer Aussendung.
Einer von ihnen, SPÖ-Kommunalsprecher Andreas Kollross, erklärt die Situation: „Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass kein Jugendlicher im Herbst ohne Lehrplatz dasteht. Die Gemeinden und Städte haben genug Möglichkeiten und Berufsfelder. Was Sie im Moment nicht haben, sind Finanzmittel. Es ist keine Frage des Machbaren, sondern nur eine Frage des Willens.“
Gemeinden wollen Jugendliche ausbilden, doch die Regierung will nichts zahlen
Die eine Milliarde, die den Kommunen versprochen wird, sei bei weitem nicht ausreichend, außerdem müssten die Gemeinden bei den förderungswürdigen Projekten die Hälfte der Kosten selbst aufbringen. Hinter vorgehaltener Hand würden auch genügend ÖVP-BürgermeisterInnen zugeben, dass die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten Mittel niemals ausreichen würden, sagt auch der Vorsitzende der SPÖ Tirol Georg Dornauer in einem Interview.
Offener Brief
Am 28. August traten 21 Bürgermeister aus den unterschiedlichsten Regionen Österreichs mit einem offenen Brief an die Bundesregierung heran. Darin machten sie auf 10.000 Lehrstellen-Suchende aufmerksam und präsentierten eine Lösung: Die Lehrstellen-Garantie für den Herbst.
“Über einen Monat später hat es weder der Bundeskanzler noch ein anderes Mitglied der Bundesregierung geschafft, auch nur einem einzigen Bürgermeister zu antworten”, vermelden jetzt die Initiatoren des offenen Briefs, der Bürgermeister aus Ternitz, Rupert Dworak, und der Bürgermeister von Trumau, Andreas Kollross.
„Der Bundeskanzler und sein gesamtes Regierungsteam sollten einmal eine Pressekonferenz auslassen und dafür ihre zugestellten Mails beantworten. Es reiht sich allerdings in die Kommunikationsstrategie der Regierung ein: Was nicht zur Message Control passt, wird ignoriert”, kritisiert SPÖ-Abgeordneter und Kommunalsprecher Kollross. Auch über die Respektlosigkeit gegenüber den Betroffen ärgert er sich: “So geht man nicht mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern um. So geht man vor allem nicht mit jungen Menschen um, die gerade aufgrund dieser Situation in eine Perspektivenlosigkeit gedrängt werden.“
“Es braucht Maßnahmen, die sich nicht nur bei Pressekonferenzen gut anhören, sondern auch in der Realität wirkungsvoll sind”, fügt Dworak hinzu.
Dworak und Kollross erneuern deshalb ihr Angebot und ihre Forderung an die Bundesregierung, ein gemeinsames Lehrlingsprogramm zu erarbeiten, bei dem die Gemeinden und Städte die Ausbildung übernehmen und der Bund diese finanziert.
10.000 Jugendliche ohne Lehrstelle
ÖGB, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer sind sich einig, dass im Herbst dieses Jahres bis zu 10.000 Lehrstellen fehlen werden. Zahlen des Arbeitsmarktservice zeigen, dass Ende August über 10.000 Jugendliche eine Lehrstelle suchten. Das Problem: Die Unternehmen melden weit weniger Lehrstellen als noch vor Corona. „Viele Unternehmen haben in dieser Krise nicht die Ressourcen, um Lehrlinge aufzunehmen. Der öffentliche Bereich könnte hier Verantwortung übernehmen und eine Vorbildfunktion einnehmen, indem Gemeinden Lehrlinge ausbilden und so die Jugendarbeitslosigkeit eindämmen“, erläutert Rupert Dworak, Präsident des Gemeindevertreterverbandes Österreich.
Gemeinden vor dem Finanzkollaps
Vielen Gemeinden verloren corona-bedingt einen Großteil ihrer Einnahmen. Experten schätzen den Bedarf der Gemeinden auf 2,2 Mrd. Euro. Die Regierung stellt den Gemeinden zwar im August eine Milliarde Förderung in Aussicht – aber nur für jene Gemeinden, die sich Investment leisten können. Die Regierung vergibt nur Gelder, wenn die Gemeinden selbst Geld ausgeben. Es werden nur 50 Prozent eines Projektes gefördert – den Rest müssen die Gemeinden selber tragen. Wenn also einer Gemeinde 100.000 Euro Förderung zustehen würde, muss sie selbst 100.000 investieren können. Finanzschwache Kommunen schauen dabei durch die Finger. Sie stehen vor der Wahl: Entweder hohe Schulden aufnehmen oder ganz auf die Förderung verzichten.
Regierung lässt Gemeinden im Stich: Leere Kassen, hohe Ausgaben durch Krise
Da hilft nur ein Volksbegehren, die Bürgermeister haben die Mittel.