Coronavirus

Regierung lässt Gemeinden im Stich: Leere Kassen, hohe Ausgaben durch Krise

Österreichs Städte und Gemeindenstehen vor dem Finanzkollaps: Der Wegfall von Steuereinnahmen trifft die sie besonders hart. Das Hilfspaket der Regierung deckt gerade einmal die Hälfte der tatsächlichen Krisen-Kosten. Es deckt weder die Corona-Verluste noch die laufenden Kosten. Finanzminister Blümel zwingt außerdem finanzschwache Gemeinden, sich zu verschulden, um überhaupt Förderungen zu bekommen.

Die Coronakrise wird zu einer Finanzkrise der Gemeinden und Städte. Bis zu zwei Milliarden Euro verlieren Österreichs Gemeinden durch die Corona-Krise, warnte der Ökonom der Arbeiterkammer Wien, Markus Marterbauer, beim Experten-Hearing zum Budget vor der Sommerpause im Parlament. Die SPÖ fordert seit Mai dringend Zuschüsse für Gemeinden und hat eine parlamentarische Bürgerinitiative gestartet. Darin verlangt sie von der Regierung die hundertprozentige Abgeltung des finanziellen Ausfalls der Corona-Krise für Städte. Wochen später hat die Regierung reagiert: Sie kündigte ein Hilfspaket für die Gemeinden an. Doch die Förderungen aus dem Bund machen aber gerade einmal die Hälfte des benötigten Geldes aus.

Finanzschwache Gemeinden müssen sich für Förderungen verschulden

Finanzschwache Gemeinden in strukturschwachen Regionen haben vom Regierungspaket so gut wie nichts, denn die Zuschüsse sind an Investitionen geknüpft. Die Regierung vergibt nämlich nur Gelder, wenn die Gemeinden selbst Geld ausgeben. Es werden nur 50 Prozent eines Projektes gefördert – den Rest müssen die Gemeinden selber tragen. Wenn also einer Gemeinde 100.000 Euro Förderung zustehen würde, muss sie selbst 100.000 investieren können. Finanzschwache Kommunen schauen dabei durch die Finger. Sie stehen vor der Wahl: Entweder hohe Schulden aufnehmen oder ganz auf die Förderung verzichten.

Dass das Paket deshalb nicht praxistauglich ist, kritisiert auch der Trumauer Bürgermeister und Kommunalsprecher der SPÖ, Andreas Kollross:

„Alle Pakete dieser Regierung funktionieren nur vor laufender Kamera. Sobald diese ihr Rendezvous mit der Realität haben, ist es nicht mehr als Schall und Rauch.“

Einnahmen brechen ein

Das Finanzproblem der Gemeinden erklärt sich so: Die Finanzierung der Kommunen steht auf drei Beinen: der Grundsteuer, der Kommunalsteuer und einem Anteil am gesamten Steueraufkommens. Bricht das gesamte Steueraufkommen wie jetzt in der Krise ein, reißt das ein riesiges Loch ins Budget der Gemeinden. Die sogenannten Ertragsanteile sinken. Die brachen im Mai für die Gemeinden um rund zwölf bis 16 Prozent ein, für die nächsten Monate rechnen viele mit einem Verlust von 30 bis 40 Prozent.

Dazu verlieren die Gemeinden aber auch nicht wenig Kommunalsteuer, die drei Prozent der Lohnsteuer der Arbeitsplätze in der Gemeinde ausmacht. „Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit wirken sich direkt auf die Kommunalsteuer aus“, sagt Kollross. Aber noch härter trifft es Gemeinden in strukturschwachen Regionen, wie etwa im Waldviertel, die sehr stark von Ertragsanteilen abhängig sind, „weil es dort nur eine Handvoll Arbeitsplätze gibt“, so Kollross weiter.

Perchtoldsdorf mit Millionen im Minus

Wie dramatisch die Situation ist, sieht man an der Gemeinde Perchtoldsdorf. Die Gemeinde in Niederösterreich stand bereits 2019 vor finanziellen Schwierigkeiten. Die Ausgaben waren um 2 Millionen höher als die Einnahmen. Die Personalkosten waren gegenüber 2018 um 8 Prozent gestiegen.

Die Corona-Krise verschärft diese Situation weiter. Perchtoldsdorf ist nun mit einem Einnahmerückgang bei der Kommunalsteuer und mit einem Einnahmeausfall bei den Ertragsanteilen von 32 Prozent im Juni konfrontiert. Hinzu kommen entfallenden Einnahmen im Freizeit-, Sport- und Kulturbereich bei praktisch unverändert hohen Ausgaben (insbesondere Personal und Instandhaltung). Denn auch wenn Angestellte in den Freizeit-Einrichtungen in Kurzarbeit sind, so bekommen die Gemeindebediensteten weiterhin alle Bezüge. Das Ergebnis: Der Kassastand liegt mit gut 1,6 Millionen im Minus, der Stand auf dem Hauptkonto beträgt Minus 1,646 Millionen. Wenn Perchtoldsdorf aber etwas von den Corona-Hilfen des Bundes haben möchte, müsste es noch zusätzliche Schulden aufnehmen und investieren.

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Marktplatz der niederösterreichischen Marktgemeinde Perchtoldsdorf. Foto: © Bwag/CC-BY-SA-4.0

Auch in Lustenau (Vorarlberg), Traiskirchen (Niederösterreich) und in Kindberg in der Steiermark herrscht in den Gemeindekassen Ebbe. In Kindberg fallen die Kündigungen der Voestalpine ins Gewicht, denn mit jedem verlorenen Arbeitsplatz verliert auch die Gemeinde bares Geld. Dass die Bundesregierung eine Milliarde Euro für die Gemeinden versprochen hat, bringt Kindberg nichts. Denn die Finanzen sind erschöpft, das Land setzt den Sparstift an. Die Budneseregierung verdoppelt zwar Investitionen der Gemeinden, aber: Das Doppelte von nichts bleibt eben auch nichts.

Fünf Millionen Minus in Lustenau

Im ZiB-Interview räumt auch der Bürgermeister von Lustenau, Kurt Fischer (ÖVP), ein, dass das Geld fehlt. Fünf Millionen Minus stehen in der Kalkulation der Gemeinde. Daran ändert auch die sechsstellige Fördersumme, die der Bund zugesagt hat, wenig: „Wenn man die Investitionsfreude der Gemeinden wahren will – und das wäre jetzt angebracht – braucht es einen veritablen Rettungsschirm“, fordert der Vorarlberger. Das wahre Ausmaß der finanziellen Schwierigkeiten lässt sich erst im Laufe der kommenden Monate ermessen, ist er sich sicher. Wie man für das kommende Jahr budgetieren soll, weiß niemand.

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In Lustenau wurde in den letzten Jahren viel investiert, zum Beispiel in den Kanalbau wie hier 2017.

„Eine Milliarde klingt viel, aber für 2.100 Gemeinden und Städte mit neun Millionen Einwohnerinnen und Einwohner ist das nicht viel“, kritisiert Andreas Babler (SPÖ), Bürgermeister in Traiskirchen. Jedes Jahr gibt die Gemeinde neben den laufenden Kosten fünf bis sechs Millionen Euro für Projekte wie Bildungs- oder Ökologie-Initiativen aus. Doch nun fehlen wie auch in Lustenau ca. fünf Millionen.

Auch wenn man gut gewirtschaftet hat, ist das Aufkommen von 50 Prozent für eine Investition viel Geld. Denn auf die Gemeinden sehen sich nach wie vor hohen Ausgaben.

„Auf die Gemeinden und Städte kommen nach der Krise wichtige Aufgaben zu, dazu braucht es auch das finanzielle Rüstzeug“, weiß auch Kollross.

Ausgaben für Gemeinden bleiben hoch

Während den Kommunen die Einnahmen wegbrechen, sinken die Ausgaben nicht: Österreichs Gemeinden sorgen für zahlreiche Leistungen, wie etwa die Rettung, die Feuerwehr, die Kindergärten, der Bau und Erhalt von Schulen und Spitälern und die Freizeiteinrichtungen wie Sportplätze, Schwimmbäder oder Büchereien.

Das Gemeindepersonal ist von der Kurzarbeit ausgenommen. Kindergärtnerinnen müssen weiter voll bezahlt werden, während viele Gemeinden wie etwa Traiskeirchen keine Elternbeiträge mehr einheben. Hier kosteten auch soziale Services wie etwa Medikamenten-Boten während des Lockdowns extra. Auch die Kosten der Gemeinden für Sozial- und Krankenanstalten werden durch die Krise eher ansteigen.

Regierungspaket deckt keine laufenden Kosten

Doch gerade bei den laufenden Kosten will die Regierung den Gemeinden nicht unter die Arme greifen. Das Hilfspaket soll nur Projekte fördern. Kleine Gemeinden in strukturschwachen Regionen bräuchten aber dringend Ersatz für ihre ohnehin kleinen Einnahmen, um sich durch den laufenden Betrieb nicht noch zusätzlich zu verschulden.

Andreas Babler rechnet vor, dass Traiskirchen zwar 2,1 Millionen Euro an Bundeshilfe bekommen kann. Auch Land gibt es 300.000 Euro – das ist gerade einmal so viel, wie der Gemeinde in Niederösterreich durch den Wegfall der Kommunalsteuer im Juni entgeht. „Es fehlen also mindestens 2 Millionen Euro. Deswegen fordern wir mit soviel Vehemenz eine neue Förderung: Wir Gemeinden investieren, weil wir wissen, das ist da Kapital der Zukunft.“

In Deutschland ist man indes weiter. Hier investiert die konservative Regierung zusätzlich zur Abdeckung der Verluste eine Milliarde Euro für die Städte und Gemeinden. Das wäre auch in Österreich nötig. Lustenau schloss 2019 mit einem Rekordbudget von 16 Millionen Euro im Plus ab. Trotzdem ist der Bürgermeister besorgt: „Wie sollen die Gemeinden die Wirtschaftsstandorte erhalten?“, fragt er.

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