Medien & Kritik

Dossier: FPÖ-Attacken auf Journalisten

Die FPÖ hat es auf Journalisten abgesehen. Und weil glaubwürdige Journalisten für die FPÖ unangenehme Journalisten sind, mobilisiert sie im Internet zum Attacken gegen Einzelpersonen. Die Angriffe haben System, das Ziel: Journalisten einzuschüchtern und Kritik unterbinden. Wir haben die Fälle gesammelt.

Die Vorgehensweise ist ähnlich: Berichten JournalistInnen kritisch über die FPÖ, ihre VertreterInnen oder Forderungen, wird nach vermeintlichen Fehltritten gesucht. Die werden dann auf einer FPÖ-nahen Plattform in einen Artikel gepackt und im rechten Netz verbreitet. Accounts von FPÖ-PolitikerInnen mit großer Reichweite teilen den Beitrag dann – so erreicht er hunderttausende Fans, die den Text wiederum in Facebook-Gruppen weitertragen. Diese Berichte sind dann nicht mehr kritisch, sondern „bösartig“, so „Reporter ohne Grenzen Österreich“-Präsidentin Rubina Möhring gegenüber dem Standard.

Angriffe mit System

Armin Wolf

Funktion: Moderator der ORF-Sendung „Zeit im Bild 2“

FPÖ-Attacke 1: Am 23. April 2019 konfrontiert Armin Wolf den FPÖ-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Harald Vilimsky, mit einer Karikatur der FPÖ-Jugendorganisation RFJ. Darauf zu sehen: ein kleiner, bärtiger Mann mit langer Nase und bösem Blick – als Feindbild, der ein blondes Paar bedroht. Wolf macht auf Parallelen zu antisemitischen Karikaturen aus der NS-Zeit aufmerksam. „Das ist etwas, das nicht ohne Folgen bleiben kann“, sagt Vilimsky. Doch er meint nicht den RFJ, sondern Wolf. Einen Tag später fordert der FPÖ-Politiker sogar den Rauswurf von Wolf aus dem ORF.

Screenshot oe24.at vom 23. April 2019

FPÖ-Attacke 2: Vizekanzler und FPÖ-Chef Strache hat auf seiner Facebook-Seite eine Fotomontage gepostet. Zu sehen: Armin Wolf, ein Pinocchio-Bild und die Behauptung, der ORF würde pauschal „Lügen zu Nachrichten“ machen. Mit dem Posting-Zusatz „Satire!“ und Smiley wollte sich Strache gegen Kritik an dieser Behauptung schon im Vorfeld immunisieren. Armin Wolf klagt nun den Vizekanzler wegen des Vorwurfs. Denn der Lügenvorwurf wurde per Foto direkt auf Wolf projiziert. Die Chancen auf Erfolg stehen für Wolf gut. Schließlich ist kein einziger Fall einer Lüge dokumentiert, die Wolf als Journalist verbreitet hat. Schlussendlich war Strache im Zugzwang. Seine Anwälte haben dem Moderator ein Vergleichsangebot geschickt.

Florian Klenk

Funktion: Chefredaktion der Wochenzeitung „Falter“

FPÖ-Attacke: Das FPÖ-geführte Innenministerium wollte vor der Razzia im BVT Auskunft über Ermittlungen gegen Burschenschaften erhalten. Die Anfrage stellte angeblich BMI-Generalsekretär Goldgruber an den BVT-Direktor Gridling. Nach einem Bericht von Florian Klenk dazu im „Falter“ hat das Innenministerium den gesamten SMS- und Mailverkehr mit dem Journalisten veröffentlicht. Das Ministerium behauptet, Klenk hätte zum Thema keine Stellungnahme eingeholt – was Klenk bestreitet. Das Ministerium von Herbert Kickl hat sogar den Presserat eingeschalten, um sich gegen den unbequemen Artikel von Klenk zu beschweren. Das Ziel ist, den „Falter“-Chefredakteur einzuschüchtern.

Das sieht auch Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen, so: „Es handelt sich hier um die gezielte Verhetzung und Verleumdung von Journalisten, um diese unglaubwürdig zu machen. Offenbar versucht der Innenminister einzelne Journalisten an den Pranger zu stellen.

Mit dem Veröffentlichen der Nachrichten und der privaten Mailadresse des Journalisten hat das Ministerium wohl auch gegen die Datenschutzgrundverordnung verstoßen.

Besonders herablassend agiert der Pressesprecher von FPÖ-Vizekanzler Strache, der sich eingeschaltet hat:

Screenshot: Twitter

FPÖ-Attacke: Klenk hatte 2015 über einen Fall von Polizeigewalt berichtet. In der Krone attackierte Michael Jeannée Klenk für das Verfassen des Artikels. Von Strache gab es auf Facebook Applaus für Jeannée. Für Klenk hagelte es daraufhin Beschimpfungen und Drohungen in sozialen Netzwerken und per Mail. Ein anonymer Poster wünschte ihm gar Schuss-Attacken.

Der ehemalige Kärntner FPÖ-Landesparteisekretär Ewald Mödritscher kommentierte die Drohungen gegen Klenk:

Vielleicht liegt der Grund für solche Botschaften an Ihrer Berichterstattung?

Hanna Herbst

Funktion: stv. Chefredakteurin des Online-Magazins „VICE“

Screenshot „Wochenblick“

FPÖ-Attacke: Nach einem Tweet von Hanna Herbst rückte das FPÖ-nahe „Wochenblick“ aus und bezeichnete die Redakteurin als „Hass-Hanna“ und „beleidigte Blondine“ – inklusive Fotomontage.

Der Text wurde dann über soziale Netzwerke verbreitet – unter anderem von FPÖ-Chef Strache höchstpersönlich, aber auch von FPÖ-Nationalratsabgeordnetem Christian Höbart und dem Tiroler FPÖ-Chef Martin Abwerzger.

 

Screenshot Facebook

„Das dient als Katalysator für die Verbreitung der Artikel, es kommt meistens zu dutzenden Hasspostings. Andere Journalisten oder Bürger nehmen das zum Anlass, um den Betroffenen ihre Solidarität auszusprechen. Darüber wird dann oft ein neuer Artikel verfasst, der Kreislauf beginnt von vorne.“ (Fabian Schmid, derStandard)

Herbst wurde wohl zur Zielscheibe, weil sie in Diskussionssendungen und in Texten für feministische Anliegen eintritt.


Colette Schmidt

Funktion: Chronik-Redakteurin der Tageszeitung „Der Standard

 

Screenshot Facebook

FPÖ-Attacke: Am 26. Jänner 2018 postet der RFJ Steiermark auf Facebook ein Foto der Journalistin und fordert zum „Online-Mobbing“ auf. Der gepostet Text: „Das ist Colette. Colette schreibt für den Standard und stellt gerne FPÖler an den Pranger.“ Und: „Falls ihr Colette etwas zu sagen habt, dann bitte unter …“, inklusive E-Mailadresse. Schmidt hat sich in ihren Beiträgen immer wieder mit Rechtsextremismus und Burschenschaftern beschäftigt.

Nina Horaczek

Funktion: Chefreporterin der Wochenzeitung „Falter“

FPÖ-Attacke: „Der Herr Kickl hat gesagt, die Frau Horaczek darf nicht rein“. 2015 wurde der Journalistin der Zugang zum Parteizelt am Abend der Wiener Gemeinderatswahl verwehrt.

Screenshot „unzensuriert“, Artikel vom 13.10.2015

Der FPÖ-Blog „unzensuriert“ machte sich über Horaczek lustig. Mit ihren Berichten drücke sie nur „auf die Tränendrüse“, wolle also Mitleid heischen.

Helmut Brandstätter

Funktion: Chefredakteur der Tageszeitung „Kurier“

FPÖ-Attacke: Martin Glier, Pressesprecher der FPÖ, behauptet auf Twitter, Brandstätter sei mit einem Nationalsozialisten verwandt – was jedoch nicht der Fall ist. Glier verwendet obendrein einen Begriff dafür, den er offenbar von einer Neonazi-Enzyklopädie abgeschrieben hat.

Werner Reisinger

Funktion: Journalist der Wiener-Zeitung

FPÖ-Attacke: Ins Visier geraten ist Reisinger, weil er kritisch über die Medienwelt der FPÖ sowie über den Kongress in Linz 2016 berichtet hat, an dem Rechtsextreme Referenten zu Wort gekommen sind – aber auch der damalige FPÖ-Generalsekretär Kickl. Berichtet hat Reisinger unter anderem über Magazin „Info-Direkt“, das deutliche Verbindungen zur FPÖ hat. Das war unbequem für das Magazin. Auf der Homepage sind diffamierende Artikel über Reisinger erschienen, „Info-Direkt“ schrieb, dem Journalisten seien „Sicherungen durchgebrannt“ und es versuchte, über die Chefredaktion der Wiener Zeitung Druck auf Reisinger auszuüben.

Patricia Pawlicki

Funktion: Moderatorin der ORF-Sendung „Hohes Haus“

FPÖ-Attacke: FPÖ-Mediensprecher Jenewein schimpft im Juli 2018 über die Moderatorin, weil diese auf ihrem privaten und nur eingeschränkt sichtbaren Facebook-Profil ein Posting von Christian Kern geteilt hat – ohne dieses zu unterstützen. Jenewein war das eine Presseaussendung wert. Er wittert „Lügenpropaganda“ und ruft nach „umgehenden Konsequenzen“. Oe24 hat einen Screenshot des Postings veröffentlicht. Dieser wurde gerade einmal 10 Minuten, nach dem Pawlicki auf „Posten“ gedrückt hat, gemacht. Der Verdacht liegt nahe, dass jemand gezielt Pawlicki und ihre Social Media-Aktivitäten im Auge hat – und entsprechende Sichtungen an den Boulevard spielt, um die Journalistin einzuschüchtern.

Im Oktober 2018 attackiert Harald Vilimsky (FPÖ) die Moderatorin. Pawlicki hat in der Sendung „Hohes Haus“ am 28. Oktober 2018 rassistische Posings der FPÖ zur gekürzten Familienbeihilfe aufgegriffen – und Nationalratspräsident Sobotka (ÖVP) nach seiner Meinung dazu gefragt. Die Frage war für Vilimsky schlimm genug, um die Moderatorin als „inkompetent“ zu beschimpfen und eine vorteilhafteren Berichterstattung des ORF über die FPÖ zu fordern.

Ingrid Brodnig

Funktion: IT-Kolumnistin bei profil, Autorin

FPÖ-Attacke: Im Juli 2018 greift der „Wochenblick“ Ingrid Brodnig für ihre Kritik an „false balanced journalism“ an. Sogar FPÖ-Vizekanzler Strache verbreitet die Agitation gegen die Journalistin. „Wochenblick“ hat es schon länger auf Brodnig abgesehen: Nachdem diese im Jahr 2016 über das Magazin berichtete, hat „Wochenblick“ die Journalistin mehrmals attackiert und in Artikeln beschimpft. Das Magazin „Wochenblick“ verstößt übrigens gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse.

Auch der FPÖ-Blog „unzensuriert“ setzt Brodnig unter Druck. Ein FPÖ-Fotograf klagt die Journalistin wegen der Verwendung eines Screenshots auf dem Blog. Streitwert: Über 34.000 Euro.

Frontalangriff auf den ORF

Herbert Kickl, ehemaliger FPÖ-Generalsekretär und nun Innenminister von Österreich gibt sich gern als Einpeitscher gegen JournalistInnen. Auf einem Kongress mit rechtsextremen Ausstellern im Oktober 2016 in Linz beschimpfte er „Standard“-JournalistInnen als „Gesinnungsstasi“. ORF-ModeratorInnen wiederum sind für ihn eine „mieselsüchtige Partie“. Jubel von FPÖ-Zuhöhern 2017:

Journalisten-Vereinigungen wehren sich

Der Presserat, das Forum Journalismus und Medien Wien (fjum) und der Presseclub Concordia halten Attacken wie diese für gefährlich:

Alle persönlichen Angriffe dienen nicht der sachlichen Kritik und Auseinandersetzung mit journalistischer Arbeit; sie sind Angriffe auf die Pressefreiheit und versuchen unabhängigen Journalismus zu beeinflussen bzw. dessen Glaubwürdigkeit zu untergraben.

Sie befürchten nun, dass die Angriffe mit der FPÖ in der Regierung zunehmen und der Druck auf JournalistInnen steigt.

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12. März 2024
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Kathrin Glösel

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