Es ist Sonntag, der 13. September. Knapp vor Mitternacht übermittelt die Regierung die neue Version des Epidemiegesetzes an das Parlament. Den Abgeordneten bleibt kaum zwölf Stunden Zeit, das neue Gesetz zu lesen, bevor sie im Gesundheits-Ausschuss Montag Nachmittag einen Beschluss treffen müssen, denn um 12.00 Uhr ist bereits ein weiterer Termin anberaumt: die Sondersitzung des Nationalrats. Wenig Zeit für ein heikles Gesetz, das auch demokratische Grundrechte einschränken soll.
Der Gesetzesentwurf für die neuen Corona-Regeln ist ein wichtiger Schritt im Nationalrat. Nachdem der Verfassungsgerichtshof im Juli Verordnungen als verfassungswidrig erklärte, muss das neue Gesetz nicht nur Klarheit schaffen, sondern das Land auch für den Herbst vorbereiten. Obwohl die Regierung des ganzen Sommer Zeit hatte, die Gesetzesvorlage vorzubereiten, kommt sie zwölf Stunden vor der dazugehörigen Abstimmung.
Die Vorlage soll große Lücken schließen und für Rechtssicherheit sorgen. Die Landesbehörden sollen regional unterschiedliche Maßnahmen ergreifen können – und die Ampel auf eine gesetzliche Basis gestellt werden. Strafen bei Verstößen sollen zum Teil reduziert werden. Auch soll es eine Definition geben, was privat ist und wo der Gesetzgeber durchgreifen kann. Definitionen, die notwendig sind. Doch das Chaos der Corona-Ampel setzt sich fort.
Späte Übermittlung, Änderungen nicht markiert
Ein Treffen der Oppositionsparteien mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober ist ebenfalls am Montag, dem 14. September, anberaumt. Schon davor fühlen sich SPÖ und Neos gezwungen, ihre Kritik des Erstentwurfs zu wiederholen. Die Parlamentsfraktionen haben den neuen Gesetzesentwurf erst gestern um 23.30 Uhr bekommen. Die FPÖ verweigert sogar das Treffen mit dem Gesundheitsminister.
Auch die sonst übliche Textgegenüberstellung von bestehendem Gesetz und neuem Entwurf wurden nicht mitgeschickt. Für die Abgeordneten wird es damit um vieles schwieriger, die Änderungen der Passagen nachzuvollziehen und zu kontrollieren.
10.000 Stellungnahmen zum ersten Corona-Gesetzes-Entwurf
Die von der Regierung geplanten Corona-Gesetzesnovellen haben in der Begutachtungsphase für heftige Kritik gesorgt. Besonders problematisch: Betretungsverbote sowie die vorgesehene Möglichkeit, Betriebe, Veranstalter und Vereine zur Sammlung und Aufbewahrung von Daten zu verpflichten.
“Es ist an der Zeit, dass sie etwas vorlegen. Ich frage mich, was habe die den ganzen Sommer gemacht, außer Dauer-Pressekonferenzen zu geben?”, sagt der geschäftsführende Klubobmann der SPÖ Jörg Leichtfried.
Lange legte das Ministerium keine Verbesserungen vor. Dafür soll es jetzt schnell gehen. Geht es nach den Plänen der Regierungsfraktionen, soll heute im Anschluss an die Sondersitzung des Nationalrats, die um 12.00 Uhr beginnt, der Gesundheitsausschuss zusammentreten. Dort will man die Begutachtungsfrist, in der die Zivilgesesllscahf viertägige Ausschussbegutachtung beschließen. Ein zweiter Gesundheitsausschuss am 21. September soll die Novelle absegnen, und zwei Tage später wäre der Beschluss in der ersten regulären Plenarsitzung nach dem Sommer fällig.
SPÖ ruft Bevölkerung zur Mithilfe auf
Angesichts der verkürzten Fristen bietet die SPÖ um Mithilfe. Denn die 10.000 Stellungnahmen mit dem neuen Gesetz gewissenhaft abzugleichen und zu schauen, wo die Regierung das Gesetz “verschlimmbessert” hat, ist eine Mammut-Aufgabe. Sie bittet: Kontrollieren Sie mit uns den Entwurf und schreiben Sie ihre Stellungnahme an das Sozialministerium!