Deutschland und Frankreich haben letzte Woche einen Solidaritätsplan zur Corona-Rettung für die EU vorgelegt. Der sogenannte Merkel-Macron-Plan soll besonders schwer angeschlagenen Regionen und Branchen mit 500 Mrd. Euro wieder auf die Beine helfen. Wenige Tage später hat die EU-Kommission einen noch größeren Plan vorgelegt: Sie will 750 Milliarden Euro für den Wiederaufbau bereitstellen – 250 Milliarden als Kredite, 500 Milliarden als Zuschüsse. Doch Österreich stellt sich mit Dänemark, Schweden und Niederlande dagegen und präsentierte einen eigenen Plan, der ausschließlich Kredite vergeben will. Der Ökonom Stephan Schulmeister wertet das als „kleingeistig“ und als „innenpolitisches Kalkül, keine ökonomische Vernunft“.
Schulmeister: Ja, der Plan ist ausgezeichnet und intelligent gemacht. Weil er das Problem der Corona-Bonds umschifft, indem die EU Kommission selbst Kredite aufnimmt. Das heißt: Nicht alle Länder haften gemeinschaftlich wie bei den Corona-Bonds, sondern die Belastung bleibt auf den Anteil am EU-Haushalt beschränkt – wie bei allen anderen Ausgaben der Kommission. Damit hat man das Argument der Schuldenunion, das ja auch in Deutschland sehr wichtig ist, massiv entkräftet.
Und noch etwas Anderes ist wichtig: Zum ersten Mal ist ein Sonderfonds eingerichtet worden, der expansive Maßnahmen zulässt – zur Verbesserungen der Umwelt- und Klimabedingungen im Rahmen des Green Deal, aber auch der sozialen Bedingungen etwa für Gesundheitssysteme und Armutsbekämpfung.
Deutschland hat begriffen, dass die Krise eine völlig neue Dimension hat und dass die alten Rezepte wie das Sparen der „schwäbischen Hausfrau“ nicht funktionieren, schon gar nicht jetzt. Wenn man nicht will, dass die EU zerbricht und noch tiefer in die Krise rutscht, kann man die alten Regeln nicht aufrechterhalten. Dazu kommt, dass Deutschland als Exportweltmeister kapiert, dass man selbst schwer darunter leidet, wenn die Handelspartner daniederliegen. Dann geht es Deutschland auch schlecht. Früher konnte Deutschland noch stärker auf andere Märkte ausweichen, etwa nach China und Ostasien. Aber auch das ist in dieser Krise nur sehr eingeschränkt möglich.
Ich glaube, das hat vor allem eine innenpolitische Dimension. Kurz war bisher erfolgreich damit, gezielt FPÖ-Wähler anzusprechen und bei der Stange zu halten. Dazu greift er auf FPÖ-Argumente zurück – das Flüchtlings-Repertoire oder in dem Fall eben das Anti-EU Repertoire. Er hat Standard-Phrasen, die er aus der Schachtel nimmt und da weiß er genau, wen der damit bedient. Mehr steckt da nicht dahinter, glaube ich.
Gemeinsam mit seinen Parteiblättern Krone und Östereich glaubt er, dass er damit weiter in Österreich punktet. Und er hat noch einen kleinen Nebenvorteil: Mit seiner Ablehnung der EU-Hilfen desavouiert er wieder einmal seinen Koalitionspartner, die Grünen. Ich glaube, er berechnet den Absprung aus der Koalition als Möglichkeit. Nicht unmittelbar, aber mittelfristig. In der Vergangenheit hat Kurz nie eine Gelegenheit ausgelassen, wenn sich die Chance ergeben hat, eine Stufe auf der Leiter zu mehr Macht zu gehen. Er weiß auch, wenn es an die Budgetfinanzierung im nächsten Jahr geht, wird es eher schwierig.
Der Vorschlag ist ökonomisch dumm. Aber Kurz hat diesmal auch schlechte Karten in der EU. Da die Hilfen über das Budget der EU laufen sollen, ist klar, dass Zuschüsse dominieren müssen. Die österreichische Landwirtschaft bekommt ja auch Zuschüsse (in Höhe von 4,8 Mrd. Euro, Anm.) und keine Kredite, die man in zwei Jahren wieder zurückzahlen muss. Und Sebastian Kurz denkt auch überhaupt nicht langfristig mit dem Vorschlag. Der Vorschlag der Kommission geht über die unmittelbare Krisenbekämpfung hinaus: Es geht um einen ersten Schritt in Richtung neue Finanzierungsmöglichkeiten, um langsam den Weg zur Kreislaufwirtschaft und Ökologisierung zu gehen. So ein langfristiges Denken ist Kurz aber völlig fremd.
Grotesk ist, dass die sogenannten Geizigen Vier alle enorme Überschuss-Länder sind. Das sind alles Länder, die permanent mehr exportieren als sie den anderen Ländern abkaufen. Sie leben sozusagen auf Kosten der anderen. Während Deutschland als der Hauptexportsünder jetzt zum ersten Mal eine gewisse Einsicht in die Zusammenhänge erkennen lässt, ist in Österreich davon wenig zu spüren. Natürlich leidet die österreichische Wirtschaft, wenn ihr zweitwichtigster Handelspartner in der EU, Italien, am Boden liegt.
Da wird wohl auch Druck aus der Wirtschaft kommen, wenn Kurz bei seiner Ablehnung bleibt. Aber er wird das nicht durchhalten. Kurz spielt einfach wieder die Kontra-Position zu Merkel, damit will er politisch punkten. In der ersten Phase will er sich als Gegener profilieren, in der zweiten Phase wird er sich dann kompromissbereit zeigen. Er wird das taktisch betrachten, nicht langfristig.
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