Rund zwei Wochen vor dem offiziellen Ende des österreichischen EU-Ratsvorsitzes zieht der Nationalrat Bilanz über die vergangenen sechs Monaten. Auch wir haben uns die Ergebnisse der österreichischen Regierung in der EU angesehen: Während insgesamt wenig weitergegangen ist, können sich Verlags-, Atom- und Kohlekonzerne sowie Finanzspekulanten über die EU-Ratspräsidentschaft von Österreich freuen. Eine Bilanz der Ratspräsidentschaft in drei Punkten.
Begonnen hat die Ratspräsidentschaft als Spektakel in Schladming. Kostenpunkt: 2,7 Millionen Euro. Insgesamt hat die österreichische Ratspräsidentschaft doppelt so viel gekostet wie ursprünglich geplant – nämlich 100 Millionen Euro. Neue Schwerpunkte wurden dabei keine gesetzt.
Aber was ist während der Ratspräsidentschaft passiert?
Vor einem Jahr hat der damalige österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) noch verkündet, dass eine Einigung über die Finanztransaktionssteuer zum Greifen nahe ist. Nun hatte Österreich die EU-Ratspräsidentschaft inne und der aktuelle Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) war Vorsitzender der Arbeitsgruppe zur Finanztransaktionssteuer (FTS). Schon Ende Oktober hat er gegenüber dem Handelsblatt angedeutet, dass eine EU-weite Finanztransaktionssteuer wohl nicht kommen wird. Die Steuer wurde von der Liste der österreichischen Schwerpunkte gestrichen. Knapp vorm Ende der österreichischen Ratspräsidentschaft begräbt er das Vorhaben ganz.
Der Steuersatz sollte 0,1 Prozent auf den Handel von Aktien und Anleihen und 0,01 Prozent für Derivate von Aktien und Anleihen betragen. Typische Finanzgeschäfte von Kleinsparern wie Kredite, Hypotheken, Versicherungsverträge und Kreditkartenumsätze sollten steuerbefreit sein. In Summe wollte die EU damit rund 50 Milliarden Euro einholen. Die Einnahmen wären vor allem den Mitgliedsländern zugutekommen.
Die Finanzlobby wollte die Steuer verhindern, und das ist ihr während der österreichischen Präsidentschaft endgültig gelungen. So ist von der ursprünglich geplanten Steuer wenig übrig geblieben, der neue Vorschlag macht gerade einmal 10 Prozent des Ursrpungswertes aus.
Die E-Privacy Verordnung verhindert, dass Websitebetreiber die Daten ihrer Nutzer sammeln und weitergeben, ohne dass User dem explizit zustimmen. In Browsern und auf Smartphones sollen automatisch die schärfsten Privatsphäre-Einstellungen gelten – wer sie lockern will, müsste das bewusst selbst machen. Doch während der österreichischen Präsidentschaft ist hier nichts weitergegangen.
Denn die Verlagshäuser lobbyierten dagegen: sie fürchteten geringere Werbeeinnahmen. Schließlich könnten sie durch die Verordnung weniger Daten ungefragt sammeln. Die österreichische Ratspräsidentschaft kam für die Verlags-Lobby zur genau richtigen Zeit. Denn sie stießen bei Kanzler Sebastian Kurz auf offene Ohren. Vor allem der Axel Springer Verlag lobbyiert kräftig gegen die Verordnung – sein Chef und Kurz kennen sich gut. Gleich bei seinem ersten Auslandsbesuch in Deutschland traf sich Kurz mit dem Chef des Axel Springer-Verlags Matthias Döpfner zum Schnitzel-Essen. Döpfner hat später, bei einer Enquete von Medienminister Blümel, Österreichs Regierung öffentlich dazu aufgefordert, die Stärkung des Datenschutzes in Europa zu verhindern:
Er bat Österreich alles zu tun, „damit dieser Wahnsinn nicht umgesetzt wird“.
Österreich hat während seiner EU-Ratspräsidentschaft vorgeschlagen, die Subventionen für Kohle-, Gas- und Atomkraft bis zum Jahr 2035 zu verlängern. Adam Pawloff, Klimaexperte von Greenpeace in Österreich und Beobachter bei der UN-Klimakonferenz kommentiert das so:
„Das ist ein Schlag ins Gesicht für sogenannte Entwicklungsländer, die mit den Auswirkungen der Klimakrise zu kämpfen haben. Als EU-Ratsvorsitzender muss Österreich endlich mit gutem Beispiel vorangehen und Menschen vor Konzerninteressen stellen.”
Gleichzeitig hat der Weltklimarat in seinem jüngsten Bericht klargestellt, dass Kohlekraft bis 2030 um mindestens zwei Drittel reduziert werden muss. Österreich bewirkt mit seinem Vorschlag aber das genaue Gegenteil. Mit der Verlängerung der Subventionen um 17 Jahre, bleiben die fossilen Energien besonders profitabel für Konzerne. Diese können also bis 2035 weiter Gewinne mit Kohlekraft machen, während das Klima und die Erde darunter leiden.
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