Kein Gasthaus, kein Café und keine Kantine funktioniert ohne sie – rund 160.000 Menschen arbeiten in der Gastronomie-Branche, geben Essen aus und räumen es wieder ab. Nach acht Jahren in dem Job verdient Nicole Frank gerade einmal 1.500 Euro netto – bei einer 40-Stunden-Woche, wie sie gegenüber Kontrast erzählt. Aufgrund der steigenden Preise kann sie sich nichts mehr auf die Seite legen. Wenn der Kühlschrank kaputt wird, ist das für sie ein Problem.
Nicole Frank arbeitet in der Kantine eines Großunternehmens. Zwischen 11 und 14 Uhr ist die Hauptzeit – da kommen über 1.000 Beschäftige zum Mittagessen. Sie kümmert sich mit ihren Kolleg:innen um einen reibungslosen Ablauf: vom Vorbreiten, der Essensausgabe und dem Nachfüllen, über Kassierstätigkeiten, bis hin zum Abwasch und Reinigungsarbeiten. Damit zählt Frank zu den rund 160.000 Beschäftigten in der Gastronomie-Branche. Frank gefällt ihr Job:
„Es ist schön, dass man immer mit den gleichen Gästen zu tun hat und irgendwann die Gewohnheiten und Wünsche der Menschen kennt. Anders als in der üblichen Gastronomie, wo jeden Tag andere Menschen kommen und man sie gar nicht kennt“, erzählt Frank.
200 Euro mehr im Monat wären notwendig
Doch die Arbeit ist auch stressig, mit dem Zeitdruck können viele nicht umgehen. „Für viele ist es nichts, die hören nach kurzer Zeit wieder auf und suchen sich etwas Anderes“, so die Servicekraft. Hinzu kommt die schlechte Bezahlung. Frank arbeitet seit 8 Jahren im Betrieb und verdient für eine 40-Stunden-Woche nur etwa 1.500 Euro netto. „Es hat heuer eine Erhöhung gegeben, aber das war eigentlich eine Wiedergutmachung für die letzten zwei Jahre, weil es da eigentlich gar keine Verhandlungen gegeben hat“, erzählt sie. 200 Euro mehr im Monat sollten auf jeden Fall drin sein und wären gerade in der aktuellen Situation mehr als notwendig, findet Frank.
Wohnkosten brauchen über ein Drittel des Gehalts auf
Vor dem Hintergrund steigender Preise sind viele in ihrem Umfeld auf familiäre Unterstützung angewiesen. Doch Frank ist alleinstehend: „Ich muss alle Bezahlungen selber stemmen. Alleine fürs Wohnen geht mehr als ein Drittel von meinem Lohn drauf. Es ist schon schwer“, erzählt Frank. Für Miete, Strom und Tiefgarage zahlt sie jedes Monat 550 Euro, da bleiben nicht mal 1.000 Euro zum Leben.
Wegen der hohen Preise und dem niedrigen Gehalt kann sich Frank einiges nicht mehr leisten, das für sie früher selbstverständlich war. „Man fängt an, auf Sachen zu verzichten, die man sich früher geleistet hat, weil es einfach so nicht drin ist.“ Statt neue Kleidung zu kaufen, näht sie sich vieles selbst. Schuhe schafft sie nur an, wenn es unbedingt notwendig wird.
Ein neuer Kühlschrank wäre nicht leistbar
Auch im Lebensmittelgeschäft kauft sie gewisse Produkte nicht, weil sie zu teuer geworden sind. „Sachen, die man sich früher vielleicht jeden Tag gekauft hat“, sagt Frank. Doch trotz ihrer Sparsamkeit kann sie sich nichts mehr auf die Seite legen. „Zum Sparen kommt man eigentlich nicht mehr. Wenn der Kühlschrank kaputt wird oder die Waschmaschine eingeht, habe ich kein Geld, es zu ersetzen“, schildert Frank ihre Situation.
Dabei hat Frank noch Glück: Sie kann mit dem Rad in die Arbeit fahren und hat die Möglichkeit, in der Arbeit zu essen. Damit kann sie sich Sprit und Lebensmittel sparen. Dass sie ein Auto hat, gehört für sie zum Luxus, auf den sie nicht ganz verzichten will – auch wenn sie wegen der hohen Spritpreise möglichst wenig fährt. „Mein Auto ist mein Luxus, weil es mich ins Grüne bringt, in die Natur, wo ich wieder Kraft für den Alltag schöpfe.“
Gehaltseinbußen: Neben Kurzarbeit zusätzlich geringfügig arbeiten
Die Gastronomie ist eine Branche, auf die die Regierung schon seit Jahren vergessen hat, sagt Frank. Die Arbeitsbedingungen, Personalmangel und der niedrige Lohn sind schon lange ein großes Thema hier. Doch Corona hat die Situation noch weiter verschärft.
Nicole Frank war insgesamt 12 Monate in Kurzarbeit – mit entsprechenden Gehaltseinbußen. „Ich bin daneben noch geringfügig arbeiten gegangen, damit ich genug Geld zum Leben habe“, erzählt sie. Anspruch auf den Langzeit-Kurzarbeitsbonus hat sie dennoch nicht – dafür hätte sie im Dezember 2021 in Kurzarbeit sein müssen. Auch um andere Boni ist Frank umgefallen – weil sie keine Kinder hat oder knapp zu viel verdient. Lediglich 100 Euro Corona-Bonus hat sie im Dezember 2020 erhalten.
„Man würde sich schon wünschen, dass die Lebensqualität wieder besser wird und man sich das Leben wieder leisten kann. Wenn Politiker mit 1.300 oder 1.400 Euro auskommen müssten, dann würden sie danach anders denken und anders entscheiden“, ist Frank überzeugt.