Gerd Hofielen hat sich mit einer Beratungsfirma selbstständig gemacht und ist reich geworden. Als “selfmade Millionär” versteht er sich aber nicht. Er findet: Es sind die guten Voraussetzungen, die eine Gesellschaft bereitstellt, die Aufstieg überhaupt ermöglichen – oder auch nicht. Und ohne einen starken Staat geht nichts. Deshalb fordert er gemeinsam mit anderen Millionären höhere Vermögenssteuern. Wir haben mit Gerd Hofielen über seinen Werdegang, die Parallelwelt von Superreichen und das Problem von “Charity” gesprochen.
Herr Hofielen, wie wird man eigentlich vermögend? Kann man als Arbeiterin oder Angestellter überhaupt reich werden?
Gerd Hofielen: Das kommt darauf an, wie man “reich” definiert. Also ich würde sagen: Wohlhabend kann man auf alle Fälle werden. Das ist aber ein bisschen trickreich, weil die ganz hohen Gehälter als Angestellter kriegt man nur, wenn man in der richtigen Branche arbeitet oder wenn man entsprechend hoch in der Hierarchie aufsteigt. Und wenn man aufsteigen will, dann muss man auch bestimmte Prinzipien mittragen, die da üblich sind. Also sich in einer gewissen Weise mit Ellenbogen nach oben kämpfen. Ich würde sagen: Als Normalverdiener kann man nicht Millionär werden. Aber man kann mit klugem Verhalten wohlhabend werden.
Würden Sie uns etwas über Ihren eigenen Werdegang erzählen?
Gerd Hofielen: Ich habe mich mit 35 Jahren selbstständig gemacht. Davor war ich in einem internationalen Konzern. Ich habe gemerkt: Wenn ich eine gute Karriere hinlege, kann ich auch gutes Geld verdienen. Aber dann muss ich mich auch auf bestimmte Prinzipien einlassen, die mir eigentlich nicht gefallen. Und ich habe gewusst, dass man in einem Konzern als Angestellter immer in diesem Gehaltsgefüge steckt und da nicht rauskommt. Da habe ich mich entschieden: Nein, das mache ich nicht. Ich bin lieber selbstständig, bin Unternehmer, gehe das Risiko ein, kann auch scheitern und muss viel und mehr arbeiten. Das musste ich tatsächlich.
Die ersten fünf Jahre waren hart. Aber ich hatte dann auch die Möglichkeit, dem zu entgehen, was man normalerweise als Ausbeutung bezeichnet. Wenn Sie in einem Unternehmen stecken, als Angestellter, dann bekommen Sie nur das bezahlt, was das Gehaltsgefüge hergibt. Das ist angelehnt an den Wert, den man produziert. Aber eben ein bisschen weniger. Die Differenz eignet sich das Unternehmen an und diejenigen, die das Unternehmen besitzen. Die Konzernchefs entscheiden, wie viel Gewinn sie aus dem Unternehmen herausnehmen, wie viel Gewinn sie im Unternehmen drin lassen. Als Angestellter entscheidest du nichts mit.
Thema Steuern. Warum wehren sich so viele Vermögende gegen Millionärssteuern oder ähnliches. Es würde sich doch finanziell bequem ausgehen, einen höheren Beitrag zu leisten.
Gerd Hofielen: Ich glaube, die Frage ist, wann man genug hat – und mit wem man sich vergleicht. Vergleiche ich mich mit jenen, die weniger haben als ich? Oder vergleiche ich mich mit denen, die mehr haben? Ich denke, wir tendieren dazu, in einem Hamsterrad zu stecken. Es ist nie genug, es muss immer mehr sein. Es gibt immer jemanden, der mehr Autos hat, größere Häuser, längere Urlaube. Und die meisten Menschen sind so gestrickt, dass sie fragen: Wie kann ich noch mehr aus mir machen? Das ist ja auch so unsere Lebensweise, unser Lebensprinzip geworden: Möglichst viel aus sich selbst machen. Das ist im Prinzip nicht schlecht.
Wohlhabend werden zu wollen, ist ein gesunder Impuls. Wir brauchen eine Gesellschaft, in der möglichst viele Menschen auch wohlhabend werden können, aber eben mit Mitteln, die anständig sind und die nicht beinhalten, dass man anderen Menschen damit Schaden zufügt.
Aber, es gibt auch so einen mentalen Virus, einen Wettbewerbsvirus – wo man nur noch Konkurrenten sieht und nur deshalb Karriere macht, weil man ein möglichst großes Stück vom Kuchen haben will. Wenn man nur noch wachsen will. Wenn es nur noch um Umsatzsteigerung geht.
Da blickt man mit Scheuklappen auf die Welt. Es geht nur um Wachstum und Gewinnsteigerung. Einige wenige häufen sich auf diese Weise viel Reichtum an. Aber auf diese Weise zerstört man auch die Umwelt, unter anderem. Denn Überlegungen wie Umweltschutz haben keinen Platz in dem Streben nach mehr.
Der Blick fürs große Ganze fehlt also?
Gerd Hofielen: Es geht ja auch um die Frage, wie viel Zeit ich mir lassen will, um Wohlstand zu erwerben. Daraus leitet sich ab, welche Mittel ich wähle. Zum Veranschaulichen: Wenn ich zu einem Ziel hin möchte mit meinem Fahrrad und mir genug Zeit gebe, dann kann ich auch die Blumen am Weg noch sehen und dann kann ich mit anderen Menschen, die mir in die Quere kommen, rücksichtsvoll umgehen. Wenn ich mir aber wenig Zeit einräume, dann hetze ich, dann habe ich den Scheuklappen-Blick. Und wenn mir dann Menschen in die Quere kommen, dann gehe ich mit denen auch nicht sorgfältig um, sondern krache mit denen zusammen.
Viele Vermögende setzen auf Philantrophie – auf Spenden, auf “Charity”, statt auf einen größeren Steuer-Beitrag …
Gerd Hofielen: Das reicht nicht. Also in den USA ist ja das Prinzip der Philanthropie sehr hoffähig. Und wenn man genau hinguckt, dann gibt es natürlich auch Analysen zu diesem Thema. Durch Philanthropie entsteht ein Zuwachs zum Gemeinwohl im Rahmen von zwei Prozent dessen, was Vermögende besitzen. Das heißt also, man gibt zwei Prozent weg. Das ist meines Erachtens zu wenig. Es ist ein Tarn-Manöver. Das heißt: Das, was Philanthropen weggeben, sind Peanuts. Da ist auch Bill Gates nicht anders gestrickt.
Es spricht überhaupt nichts dagegen, dass Menschen wohlhabend sind. Es spricht auch nichts dagegen, dass Menschen mehrere Millionen besitzen. Die Frage ist aber: Wie gehen Sie damit um? Wie sind sie dazu gekommen und wie gehen sie mit anderen Menschen um?
Haben Sie das Gefühl, dass Sie durch Ihr Vermögen mehr politische Macht haben?
Gerd Hofielen: Wenn ich es darauf anlegen würde und intensiv für politische Parteien spenden würde, könnte ich garantiert Einfluss gewinnen. Also bei der CDU/CSU zum Beispiel, glaube ich, könnte ich relativ schnell relativ viel Einfluss gewinnen, weil die gewohnt sind dieses Spiel mitzumachen. Wenn ich der Grünen Partei Geld spende, glaube ich, kann man nicht so schnell politische Positionen mit beeinflussen. Also es kommt halt auch drauf an, in welchem Geist, mit welchen Absichten, in welcher Kultur gewissermaßen schon Einfluss stattfindet. Und wir wissen ja, dass manche Parteien käuflich sind. Dass es Personen gibt, die keine Mittel scheuen, um jenen, deren Geld sie nehmen, auch Gefallen zu tun.
Gibt es diesen Abtausch so wirklich? “Tit for Tat” – Geld gegen Politik?
Gerd Hofielen: Das findet statt, ja. Das kann man täglich in der Zeitung lesen. Der Gesundheitsminister Jens Spahn, zum Beispiel, hat Veranstaltungen organisiert, wo jeder, der bei dieser Veranstaltung dabei war, 9.999 Euro gespendet hat. Denn ab 10.000 Euro wäre es meldepflichtig. Das sind Spielchen, die werden gespielt.
Haben Sie den Eindruck, dass es eine Parallelwelt für die ganz Reichen gibt?
Gerd Hofielen: Ja. Die haben die dicken Autos, die großen Häuser, leben in bestimmten Gegenden oder Wohnvierteln. In Großstädten gibt es meist bestimmte Viertel, die von Reichen eher bevorzugt werden, wo dann die großen Häuser mit den großen Gärten stehen.
Man verschafft sich da ein Lebensgefühl, das einfach königlich ist. Man kauft sich mit diesen Mitteln eigentlich eine Ego-Vergrößerung. Es gibt zwar auch reiche Menschen, die führen ein relativ bescheidenes Leben. Aber es gibt eben auch die, die zeigen wollen, dass sie reich sind.
Warum ist der Staat für Superreiche ein Feindbild geworden?
Gerd Hofielen: Das Feinbild Staat ist ein ideologisches Konstrukt. Wenn ich aufgrund meines Vermögens alles effektiv selber machen kann – meine Kinder auf exzellente Schulen schicken, mich von den besten Ärzten versorgen lassen – dann kommt mir der Staat, der von mir Steuern will, um das alles zu organisieren, wie ein Blutsauger vor. Und das überhöhen manche sogar. Die sagen dann, der Staat sei ineffizient, bürokratisch etc. Natürlich ist ein Staat nicht so flexibel wie ein Unternehmen. Aber er bietet Stabiltät, das haben wir in der Corona-Krise gesehen. Dort, wo es funktionierende Staaten mit guten Gesundheitssystemen gibt, ist die Überlebenswahrscheinlichkeit größer als dort, wo ein Staat nicht mal in der Lage ist, Impfstoffe zu kaufen.
Wir brauchen einen starken Staat. Das ist eine gute Sache. Wichtig ist, dass dieser Staat dann auch demokratisch funktioniert und die Bedürfnisse seiner Bürgerinnen und Bürger befriedigt. Und manche Staaten tun das eben wenig. Problematisch wird es, wenn die Reichen aufgrund ihrer Vermögen Gesetze beeinflussen und ihren besseren Zugang zur Politik ausnützen. Wenn also deren Bedürfnisse im Vordergrund stehen.
Dass es ohne Staat besser ginge, ist ein scheinheiliges Argument. Denn auch die Reichen haben sehr gern für ihre Unternehmen die Hilfen des Staates in Anspruch genommen. Also des Staates, den alle Steuerzahler:innen unterstützen. Und gleichzeitig gibt es die oberste Schicht an Reichen, die ihr Vermögen in Steuer-Schlupflöchern versteckt und nicht zur Allgemeinheit beiträgt.
Ärgert es sie, dass andere Vermögende ihren Reichtum in Steueroasen parken?
Gerd Hofielen: Wenn man sich die Gesellschaft insgesamt ansieht, kann man feststellen, dass es an der Spitze der Wohlstandspyramide delinquentes Verhalten gibt. Es gibt da Leute, die schaffen sich ihre eigenen Regeln. Die entfernen sich von der Gesellschaft.
Für Kriminelle und Gangs gibt es die Polizei. Aber bei jenen an der Spitze der Pyramide, da sind die staatlichen Mittel oftmals zu schwach. Obwohl die sich ihren Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft entziehen.
Warum gibt es denn Steueroasen? Warum gibt es denn Steuerprivilegien für Unternehmen und für Reiche? Warum kann man eine Firma in Irland betreiben und zahlt dann kaum Steuern? Das ist möglich, weil die Staaten, weil die Politik und letztlich leider auch die meisten Bürger dieses Verhalten letztlich akzeptieren. Aber es bleibt delinquentes Verhalten.
Sind Sie ein „selfmade Millionär“, von denen man so gerne liest und hört – jemand, der es ganz allein nach oben geschafft hat …
Gerd Hofielen: Ich habe erst einmal eine Lehre gemacht. Dann habe ich studiert. Und mich später selbstständig gemacht.
Wenn jemand behauptet, er hätte alles allein aus eigener Kraft geschafft, ist das sicherlich eine Lüge. Es ist immer eine Mischung aus eigenem Einsatz und dem, was die Gesellschaft zur Verfügung stellt. Das Quäntchen Glück braucht man natürlich auch.
Ja, und dann gibt es natürlich in Deutschland oder in Österreich wesentlich günstigere Möglichkeiten, zu Wohlstand zu kommen als wenn man in Mali oder Burkina Faso lebt. Deshalb finde ich es auch wichtig, dass wir einen Rechtsstaat, der auch Sozialstaat ist, etablieren und am Leben erhalten, weil dadurch das Niveau der Sicherheit in der Gesellschaft höher ist. In einer Gesellschaft, in der jeder gegen jeden kämpft, ist es rauer und es lebt sich für alle schlechter.
Es müsste ja auch im Interesse der Vermögenden sein, dass es einen starken Sozialstaat gibt – weil er den sozialen Frieden sichert.
Gerd Hofielen: Ja, natürlich. Wenn ich in Argentinien in einer bestimmten Gegend mit einem teuren Auto an der Ampel stehe, kann es passieren, dass man mich ausraubt, entführt oder sonst was. In Deutschland bekommt man höchstens Blicke – anerkennende oder abschätzige. Aber ich kann mich sicher fühlen und weiterfahren.
Die Corona-Krise hat viele Reiche reicher gemacht. Wie haben Sie das miterlebt?
Gerd Hofielen: Wir haben zur Bewältigung der Corona-Krise sehr viel Aktivität von Seiten der Staaten erlebt – kluge Aktivität. Weil man die gesunkene private Nachfrage durch öffentliche Nachfrage ersetzt hat. Man hat Unternehmen unterstützt – und Privatpersonen. Das waren alles sehr gute Taten von vielen europäischen Staaten. Das hat den Konsum stabilisiert und die Wirtschaft.
Aber der Nebeneffekt war, dass die Unternehmenswerte, sprich Aktien, und dass die Sachwerte, sprich Immobilien, im Wert enorm zugenommen haben in der Krise. Also ich kann von mir sagen: Mein Aktien-Depot ist im Wert im Laufe der letzten zwei, drei Jahre um 30 Prozent gewachsen. Und das ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Staaten die Wirtschaft stabilisiert haben.
Und da kann man sehen, dass handlungsfähige Staaten, die klug handeln, letztlich auch wieder überproportional den Reichen, den Vermögenden, den Besitzern von Sachvermögen zugutekommen. Natürlich hat auch der Lohnabhängige durch Kurzarbeit seine Existenz stabilisiert. Aber der ist runter getropft auf die Hälfte seines Einkommens. Und wenn man im Gastgewerbe gearbeitet hat und keinen umsichtig denkenden Chef hatte, dann war man sogar arbeitslos und musste gucken, wo die Kohle herkommt.
Angesichts solcher Vermögenszuwächse wäre es doch völlig okay, ein paar Prozent vom Vermögen an den Staat zu zahlen. Das wäre sogar sehr preiswert.
Gerd Hofielen: Ja, das wäre sogar ein sehr guter Deal (lacht).
Gerd Hofielen ist Unternehmer. Er hat nach seiner Lehre Betriebswirtschaft und Psychologie studiert und sich mit 35 mit einer Beratungsfirma selbstständig gemacht. Herr Hofielen unterstützt die Initiative der Gemeinwohl-Ökonomie, ist Mit-Initiativer der Millionaires for Humanity und unterstützt die Initiative #taxmenow, die Vermögenssteuern für Millionäre fordert.