Arbeit in der Nacht ist für viele Handelsangestellte keine Seltenheit, Zulagen bekommen sie dafür aber keine – anders als ihre Kollegen in der Industrie. Das will die Gewerkschaft in den Verhandlungen zum Kollektivvertrag ändern – auch, weil die Nachtarbeit im Handel immer mehr wird. Warum gerade Frauen keine Zulagen für Nachtarbeit bekommen sollen, wenn sie um 4 Uhr früh beginnen, das Geschäft vorzubereiten, versteht Chefverhandlerin Anita Palkovich von der GPA nicht. Sie fordert ein Lohnplus von 3,5 Prozent, faire Zulagen und Überstundenschläge.
Die dritte Verhandlungsrunde über den Kollektivvertrag im Handel ist gescheitert. Nach 13 Stunden wurden die Verhandlungen abgebrochen, die Handelangestellten werden nächste Woche Betriebsversammlungen abhalten, um alle Beschäftigten über “das zu geringe Angebot der Arbeitgeber zu informieren” . Betriebsversammlungen sind grundsätzlich eine Vorstufe zu weiteren Kampfmaßnahmen. Die Gewerkschaft fordert ein Lohnplus von 3,5 Prozent insbesondere in jenen Bereichen des Handels, die in der Coronapandemie besonders gefordert waren.
Aber auch grundsätzlich sollen Benachteiligungen von Handelsangestellten beendet werden. Am meisten stört Chefverhandlerin Anita Palkovich, dass die Beschäftigten im Handel um Nachtzulagen und Überstundenzuschläge umfallen, die in anderen Branchen selbstverständlich sind. Das drückt vor allem das Einkommen von Frauen, die den größten Teil der Beschäftigten im Handel ausmachen. Jede fünfte erwerbstätige Frau in Österreich arbeitet im Handel. Ziel ist ein Kollektivvertragsabschluss, “der bestehende Ungerechtigkeiten, vor allem für weibliche Angestellte, beendet und den jungen Angestellten eine Perspektive bietet”, heißt es in einer Resolution der BetriebsrätInnen. Außerdem müsse die hohe Inflationsrate abgegolten und die Kaufkraft gesichert werden.
Interview mit Chefverhandlerin Anita Palkovich
Kontrast.at: Die Corona-Krise hat den Handel unterschiedlich hart getroffen. Während manche Geschäfte schließen mussten und Beschäftigte zu Hause bleiben mussten, waren die Kolleg:innen im Lebensmittelhandel besonders gefordert. Was heißt das nun für die Kollektivvertrags-Verhandlungen?
Anita Palkovich: Es ist wichtig, eine Detailanalyse der Branchen-Situation zu machen, sich also die Zahlen genau anzuschauen. Man sieht da wirklich auf den ersten Blick, dass es zwar unterschiedliche wirtschaftliche Situationen je nach Branche gegeben hat, aber dass in Summe Verbesserungen für die Beschäftigten drin sein müssen. Klar gab es auch Umsatzeinbrüche, aber die Arbeitgeberseite darf sich nicht allein hinter diesen Werten verstecken. Denn es gab ja auch hohe Corona-Hilfen für Betriebe, um die Ausfälle zu kompensieren. Es gab Fixkosten-Zuschüsse, Corona-Kurzarbeit. Die Unternehmen wurden in der Krise gestützt. Wir sehen ja in den Jahresabschlüssen, dass die Corona-Hilfen angekommen sind. Auf der anderen Seite hatten die Beschäftigten im Handel entweder plötzlich massiv Mehrarbeit, wie im Lebensmittelhandel, oder sie haben auf Gehalt verzichtet, weil sie in Kurzarbeit waren. So oder so, die Beschäftigten haben ihren Beitrag geleistet, und die Steuerzahler haben mit den Hilfsgeldern Einbrüche der Unternehmen abgefedert.
Man hört ja immer wieder von Unternehmerseite, wie sehr die Lockdowns die Betriebe geschädigt hätten und dass deshalb Lohnerhöhungen jetzt nicht drin wären.
Anita Palkovich: Schauen wir uns die einzelnen Bereiche an. Der Lebensmittelhandel hat nicht nur das Geschäft offengehalten, sondern hatte immense Umsatzsteigerungen in der Krise. Getragen von den Beschäftigten.
Dann gibt es Handelsunternehmen, die zwar in den Lockdowns geschlossen waren, aber die dann große Aufholeffekte hatten, als sie wieder geöffnet haben bzw. die gute Umsätze über den Online-Handel gemacht haben. Der Möbelhandel zum Beispiel. Diese „click & collect“-Möglichkeiten haben dazu geführt, dass die Geschäfte einfach ihre Lager geöffnet haben und Kund:innen in Zeit-Slots eingekauft haben. Auch der Elektrohandel hat das genutzt. Auch beim Sportfachhandel gab es große Umsätze dank Online-Shops.
Die Rekordumsätze im Lebensmittelhandel haben Sie schon angesprochen. Was haben die Beschäftigten davon gehabt? Wie haben die von den höheren Umsätzen, die sie erwirtschaftet haben, profitiert?
Anita Palkovich: Von den Handels-Konzernen in diesem Sektor wurden Corona-Prämien ausgeschüttet. Aber mehr auch nicht. Und man muss schon diskutieren, ob eine Einmalzahlung das alles aufwiegt, was die Beschäftigten geleistet haben und welchen Gefahren sie ausgesetzt waren. Da geht es ja um deren Gesundheit und eine enorme Arbeitsbelastung. Die Schutzmaßnahmen – die ständige Hygiene, das Tragen der FFP2-Masken den ganzen Tag – waren und sind anstrengend. Hinzu kommt der Personalmangel. Klar ist eine einmalige Prämie nett, allerdings war die oft in Form von Gutscheinen des jeweiligen Unternehmens. Das heißt: Es war Geld, das ich wieder nur bei meinem eigenen Arbeitgeber ausgeben konnte – und das sozusagen zu ihm zurückgeflossen ist. Und viele Beschäftigten hätten sicher gern freier über die Prämie verfügt. Um damit ihre Stromrechnung, ihre Miete oder den Laptop fürs Kind im Home-Schooling zu bezahlen.
Der Handel ist nicht gerade für gute Arbeitsbedingungen berühmt. Was sind die größten Probleme?
Anita Palkovich: Neben den genannten erschwerten Arbeitsbedingungen durch die Schutzmaßnahmen während der Krise ist die hohe Belastung durch zu wenig Personal ein großes Problem. Im letzten Jahr konnten viele gar nicht auf Urlaub gehen, ständig müssen Beschäftigte Ausfälle ausgleichen. Weil Kolleg:innen erkrankten oder in Quarantäne waren.
Die dünne Personaldecke war schon vor Corona ein Problem, aber jetzt hat sie sich verschärft. Das Risiko einer Ansteckung ist jeden Tag gegeben, dazu noch die Arbeitszeiten, die nicht familienfreundlich sind. Und die einfach physische Anstrengung, die anfallende Mehrarbeit abzufedern.
Dass dieses Mehr an Anstrengung und Leistung sich dann nicht am nächsten Gehaltszettel widerspiegelt, ist für die Kolleg:innen sehr demotivierend, um nicht zu sagen: herablassend ihnen gegenüber.
Warum ist das so? Warum heißt mehr geleistete Arbeit nicht mehr Gehalt?
Anita Palkovich: Das liegt an der unterschiedlichen Handhabung bei Vollzeit- und Teilzeitverträgen. Bei Vollzeit-Beschäftigten wird eine Überstunde mit 50- oder 100-Prozent-Zuschlag abgegolten. Bei Teilzeit-Beschäftigten aber nicht. Hier darf der Arbeitgeber die Mehrarbeit über drei Monate lang über Zeitausgleich abbauen lassen. Erst wenn das nicht geht, muss er sie ausbezahlen – aber dann nur mit 25-Prozent-Zuschlag. Das ist nicht fair.
Das trifft vor allem Frauen negativ …
Anita Palkovich: Ganz genau. Führen wir uns das mal in Zahlen gegossen vor Augen: Jede 5. erwerbstätige Frau in Österreich arbeitet im Handel. Das sind 261.000 Frauen, um die es geht. Der Frauenanteil im Handel beträgt 63 Prozent, im Lebensmittelhandel sogar 78 Prozent. Und dort wiederum arbeitet so gut wie jede Frau Teilzeit.
Diese Frauen schultern den Lebensmittelhandel – mit all den Einbußen und den erschwerten Arbeitsbedingungen. Denn was heißt Personalmangel konkret? Mehr Nachtarbeit. Wenn das Geschäft um kurz vor acht Uhr aufsperrt, muss der Laden hergerichtet sein. Brote müssen aufgebacken, Aktionsware muss eingeschlichtet sein, Obst und Gemüse müssen aussortiert werden. Gerade vor einem langen Wochenende müssen Feinkost-Platten vorbereitet werden. Und wenn das Personal fehlt oder ausfällt, verteilt sich diese ganze Arbeit auf weniger Menschen. Die Kolleg:innen müssen da oft schon um 4 Uhr früh mit der Arbeit beginnen. Aber eine entsprechende Nachtzulage gibt es nicht.
Es sind genau diese Frauen, die eine allgemeine Gehaltserhöhung verdienen. Weil sie durch ihre Teilzeit schon niedrigere Einkommen haben und von einer Gehaltserhöhung mit einem Mal profitieren.
Es sind die Arbeitgeber, die mehr Flexibilität einfordern. Dann sollen sie aber auch mehr Sicherheit bieten. Es kann nicht sein, dass Kolleg:innen oft vor lauter Personalmangel nicht wissen, wie sie am nächsten Tag eingeteilt sind. Wie soll man das mit dem Familienleben vereinbaren? Es ist unverschämt, dass all das auf dem Rücken der Frauen ausgetragen wird.
Was sind angesichts all dieser Probleme die Forderungen an die Arbeitgeberseite?
Anita Palkovich: Wir wollen, dass ab der ersten Stunde Mehrarbeit ein entsprechender Zuschlag ausbezahlt wird. Und, dass Teilzeit-Beschäftigte, die regelmäßig mehr leisten, weil sie die Mehrarbeit abfangen, ein Recht auf eine Stundenaufstockung bekommen. Denn dann ist das Grundgehalt höher und der Alltag planbarer. Angesichts der aktuellen Situation der Wirtschaft und der speziellen Struktur im Handel müssen wir die Möglichkeit nutzen, über Zuschläge die Einkommen zu erhöhen. Der Handel soll die Arbeitsbedingungen so verändern, dass sie den Beschäftigten auch mehr Geld bringen. Die Kolleg:innen arbeiten immerhin alles ab, was anfällt. Die stehen ja nicht zum Spaß länger im Geschäft, sondern weil sie Engpässe abfedern.
Wie verhält sich angesichts all dessen das Gegenüber – also die Arbeitgeberseite?
Anita Palkovich: Die Arbeitgeberseite hat uns in der ersten Runde erklärt, dass Kollektivvertrags-Verhandlungen „keine Frauenpolitik“ sind – was einfach unverschämt ist. Gerade wenn man bedenkt, dass der Handel händeringend Arbeitskräfte sucht und dass es vor allem Frauen sind, die diese Arbeit schultern. Die Arbeitgeberseite ist insgesamt sehr oberflächlich geblieben und versteckt sich hinter Corona und den schwächsten Betrieben, die sie stellvertretend für den ganzen Handel vorhalten.
Was wir aber ganz klar auch in den Verhandlungen sagen: Anders als die Betriebe haben die Beschäftigten weder einen Fixkostenzuschuss noch Ausfall-Ersatz für irgendetwas bekommen. Die Beschäftigten mussten ihre Mieten, ihre Stromrechnungen, ihre Lebensmittel bezahlen, haben obendrein sogar auch auf Einkommen verzichtet.
Wir lassen uns sicher nicht auf die Debatte ein, wem es in der Krise angeblich schlechter gegangen ist. Das Wichtigste ist, dass wir die Arbeitsbedingungen im Handel verbessern.
Auch Christian BAHA vom Super-Fund- Gründer ist zu lesen in der Krone vom 12.9.21 , dass es Lohnerhöhungen geben soll, die deutlich über der hohen Inflation liegen soll! Deutlich höher wäre eine Lohnerhöhung von 10%, wie es diese schon einmal gegeben hat, vor langer Zeit.
Jetzt wäre ein Lohn von 17.50 € NETTO , pro Stunde nötig, mit einem 6 Stundentag. Damit die Armut und die Arbeitslosigkeit verschwindet. Wo bleibt unser ÖGB? Hat dieser eine “Schlafpille” geschluckt??Nur wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren!
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Werte Kollegen Seit doch auch „Empört“ über die Aussagen der AG!
Wegen der Ablehnung , bei der erste Lohnrunde, durch die AG!
Hebt Eure Forderung auf 10 % Lohnerhöhung NETTO , hinauf.
Seit ca. 45 Jahren sagen die AG-Vertreter immer wieder das selbe:
Das können wir uns nicht LEISTEN!
Aber sie wurden immer REICHER!!
Alles wird teurer, wie das Wohnen um 10.7 %
Von den anderen Teuerungen nicht zu sprechen!
Wie :Gas, Strom, Benzin, Lebensmittel usw…
Geht doch endlich auf die Straße und KÄMPFT für die und mit den Menschen, damit etwas weiter geht! Ihr seit die „KAMPFORGANISATION“ der Werktätigen! Sagt doch den AG, daß wir den 6 Stundentag + 17.-Euro NETTO pro Stunde haben wollen.
Das sind 2208.30.-Euro Netto im Monat
Damit man weiß, wovon man spricht.
Mit diesem Lohn und wo es diesen noch nicht gibt, sowie die AZV , werden die Arbeitslosen und die Armut in Österreich, der Vergangenheit angehören!
Wie gesagt:
Seit ca. 45 Jahren keine wirkliche AZV auf 30 Wochenstunde, durchgesetzt, weil die AG es nicht wollten und die GW keine STREIKS.