Der Chefredakteur von VICE, Markus Lust, erklärt, warum Journalismus nie objektiv ist, warum die journalistische Sprache antiquiert ist, warum die Linke rebellischer sein sollte, warum Porno neben Politik stehen darf und was alles sonst noch Bullshit ist.
Markus Lust: Mein Name ist Markus Lust, ich bin Chefredakteur von Vice Österreich und inzwischen seit fünf Jahren beim Unternehmen, seit sieben Jahren für VICE insgesamt tätig. Davor war ich freier Autor und habe Kolumnen geschrieben über Wrestling und andere komische Dinge.
Alter Journalismus gegen neuen Journalismus
kontrast: Ihr habt mit Vice eine recht neue Art von Journalismus eingeführt in Österreich.
Markus Lust: Journalismus als Prädikat ist mir scheißegal. Ich schreibe für ein Magazin, würde mich deshalb aber nicht Journalist nennen. Ich habe auch Bücher geschrieben und nenne mich nicht Autor.
Was wir, glaube ich, bei VICE immer so ein bisschen gezeigt haben, ist, dass Journalismus einfach keine Wissenschaft ist. Journalismus ist einfach nicht so schwierig. Und ich glaube das nervt unglaublich viele von denen, die Journalismus schon sehr lange machen.
kontrast: Kann man also kann man auch sagen irgendwie, die alten Journis, die Journalisten-Profis kommen mit den Onlinern, mit den jungen Wilden schwer zurecht.
Markus Lust: Das ist jetzt etwas ausufernd, aber ich hab mal in der VOEST gearbeitet im Kaltwalzwerk 2. Dort habe ich Autobleche geschnitten. Ich bin an einer Maschine gesessen und habe sehr viele Knöpfe bedient. Diese Arbeit kann man nach einer Woche perfekt, das wissen auch die, die dort seit 20 Jahren arbeiten und suchen andere Weg, um die dich ein bissi runter zu machen. Diese Wege sind dann sowas wie Schau dich einmal an! und sowas wie Dein Stil ist Scheiße!, was auch immer.
Und genau das gleiche beobachte ich im Journalismus gegenüber VICE in den letzten Jahren von den Etablierten, Alteingesessenen, die dann sowas sagen wie Müsst ihr wirklich Bullshit in eine Headline schreiben? Müsst ihr wirklich Schimpfwörter verwenden?
kontrast: Und was macht ihr jetzt konkret anders, was stört euch am alten Journalismus und der alten journalistischen Sprache?
Markus Lust: Dieses bürokratiesierte Sprechen, dieser eigene Schreibstil. Ich finde das sind Bullshit Hadlines in Wirklichkeit, wenn du Skandal Doppelpunkt Wirtschaftskammer macht XY schreibst. Du lasst die Artikel weg, du schreibst nicht alltagssprachlich, sondern du hast einen Schlagzeilen-Sprech eingeführt, den sich einfach Journalistinnen und Journalisten ausgedacht haben.
Es gibt keinen organischen Grund dafür, außer weil du Zeichen weglassen musst in der Headline. Diesen Grund gibt es heute nicht mehr.
Wir haben versucht das ganz massiv zu korrigieren etwa, indem wir sehr deskriptive, erzählerische Headlines haben. Und das ist sogar eines der wichtigsten Elemente stilistisch von VICE, das inzwischen im Internet sehr viel nachgemacht wird.
Diese Dinge, also auch diese Betriebsblindheit in Bezug auf Phrasendrescherei im Journalismus, ist das Allerschlimmste! Aus gut informierten Quellen weiß man. Bullshit! Entweder du hast das von wem Konkreten gehört, dann schreib es hin. Wenn es eine anonyme Quelle ist, schreibt das hin.
Aber mach für die Leser und Leserinnen transparent, was du da eigentlich erzählst und verklausuliere es nicht, indem du eine Nebelwand aufbaust. Das ist das Gegenteil von dem, was Journalismus soll und führt dazu, dass die Leute Lügenpresse sagen.
kontrast: Ihr habts also quasi eine eigene Sprache entwickelt bei VICE. Eine Sprache, mit der ihr auch jüngere Leute ansprecht und die lesen dann sogar Politik bei euch.
Markus Lust: Wir haben gemerkt, dass es nicht stimmt, dass Jugendliche politikverdrossen sind oder dass sie diese Themen nicht interessieren. Es stimmt nur, dass es nicht interessant für sie ist das auf die alte Art zu hören. Es interessiert keine Sau, einen 60-Jährigen zu hören, der in einem Studio sitzt vor einem Greenscreen und dir die Welt erklärt. Es interessiert aber jeden, was der da redet inhaltlich. Es interessiert die Leute nur eine andere Art.
Porno darf neben Politik stehen
kontrast: Wenn man auf eurer Webseite rumscrollt, liest man in der einen Spalte über Schwarz-Blau, in der anderen Spalte über Pornos. Erreich man so heute die jungen Menschen?
Markus Lust: Es dürfen diese Dinge gleichberechtigt nebeneinander existieren. Wie Internet-Bullshit und Innenpolitik oder so. Ernste Kriegsberichterstattung virale Stories. Das darf gleichzeitig sein.
Weil wir ehrlicherweise alle so sind. Uns interessieren diese Sachen gleichzeitig. Es wäre verlogen, so zu tun als würden wir nur Standard oder die Zeit lesen und würden uns die ganze Zeit nur intellektuell selbst beweihräuchern.
Das tun wir nicht. Wir schauen Bullshit, wir lesen Boulevard und so weiter. Und ich finde wichtig dass wir uns nicht selber bullshiten. Geben wir zu, dass die Welt so vielfältig ist. Und das versucht VICE abzubilden.
Auch auf der Startseite. Wenn du drauf schaust, bin ich immer dann am zufriedensten, wenn da irgendwas über Porno neben irgendwas sehr, sehr Ernstem steht. Ihr könnt es euch das nicht aussuchen, weil so ist die Welt. Wir spiegeln nur, was euch interessiert.
kontrast: Das Publikum bekommt auf eurer Website ganz viel Platz. Die Leute haben die Möglichkeit abgefahrene, witzige Geschichten zu erzählen.
Markus Lust: Man sollte auch wirklich die anderen nicht nur dort zu Wort kommen lassen, wo sie wie in Fernsehinterviews dann der Mann oder die Frau auf der Straße sein dürfen, wo sie dann die 08 15 Meinung vertreten dürfen: Na, ich find des net gut. Oder so.
Lasst die Leute auch mal was Interessantes sagen. Nicht nur Expertinnen und Experten haben interessante Meinungen, sondern auch jeder Mensch da draußen.
Und das ist ein bisschen, was VICE oft macht. Dass wir Leute reinholen, dass uns Leute auf Facebook schreiben, die sich nicht trauen würden einem Standard zu schreiben oder einer Presse. Sie schreiben aber an unser Facebook und sagen Hey, ich hab da was Arges erlebt. Schicken uns zwei Word-Seiten und wir machen daraus einen Artikel.
kontrast: VICE entwickelt eine ganz eigene Art von Journalismus, einen eigene Art von Content. Das hat mit Mainstream-Medien nicht mehr viel zu tun. Aber ehrlicherweise hat doch jeder ein Vorbild. An was orientiert ihr auch stattdessen?
Markus Lust: Ich schaue wirklich, dass ich mich nicht zu viel in der Blase des österreichischen Journalismus aufhalte und nur den Standard lese und nur die Presse. Darauf kann man, glaube ich, getrost ein bissi scheißen.
Weil erstens der österreichische Journalismus nicht so super ist. Und weil zweitens eure oder unsere Konkurrenz nicht der Standard oder die Presse ist, sondern alles, was im Internet ist. Wenn du auf Facebook durchscrollst, dann hast du einen VICE Artikel neben einem Katzenfoto, neben irgendeinem Urlaubsvideo.
Katzenfotos ist ein Code für Bullshit Content geworden, was ich meine ist, wir sind nur ein Content Provider von sehr vielen. Und jeder von euch oder von uns ist Content Provider und wenn man sich ehrlich ist … beim Durchscrollen evaluiere ich ja nicht: Ah, das ist ein Medium, das mir das schickt. Ich habe heute Zeit für einen Medienartikel. Ist das jetzt VICE oder die Presse? Sondern ich schaue mir einfach an, was da generell kommt, auch ob das ein Youtube Video ist oder ein Artikel, ist scheißegal.
Also deshalb sage ich, ist es auch wichtig, sich an anderen Medien, an anderen Inhalten auf der Welt zu orientieren und nicht zwangsweise im österreichischen Journalismus Vorbilder zu suchen. Weil dann machst du halt nach, was der Standard oder die Presse schon gemacht haben. Da ist, ehrlich gesagt, keinem geholfen damit.
Es gibt keine Objektivität im Journalismus
kontrast: Der Qualitätsjournalismus hat auch immer diesen Anspruch objektiv zu sein.
Markus Lust: Die Vorstellung, dass es sowas wie journalistische Objektivität gibt, finde ich schon mal sehr, sehr schwierig. Also es ist die Frage: Meint man mit Objektivität einfach beide Seiten zu beleuchten, dann hat man auch oft ein Grundsatzproblem. Sagen wir zum Beispiel, wir schreiben über Klimawandel. Muss ich dann jedes Mal einen Klimawandelgegner befragen, der mir wieder sagt, dass er das für Blödsinn hält, obwohl wir uns als Gesellschaft und als Scientific Community hoffentlich inzwischen darauf geeinigt haben, dass es ein echtes Ding und ein Problem ist? Also ich würde sagen, ich muss nicht das Arschloch, das es einfach nicht glaubt, dass es den Klimawandel gibt, jedes mal mit abholen.
Meine Aufgabe ist es auch nicht immer beide Seiten zu beleuchten. Außer es wird wer konkret beschuldigt, dann muss ich die Person, das Unternehmen, wen auch immer dazu Stellung nehmen lassen.
Ich habe vor kurzem diesen schönen Satz gelesen … deine journalistische Aufgabe ist es nicht … wenn jemand sagt es regnet draußen, den Anderen zu Wort kommen zu lassen, der sagt es regnet nicht, sondern deine Aufgabe ist es raus zu schauen aus dem Scheiß-Fenster und zu schauen, ob es regnet.
Es gibt eine Art vorgeschützte und falsche Objektivität im Journalismus, diese Vorstellung, wenn ich nur beide Seiten abdecke oder wenn ich nur genügend Gegenmeinung drin habe, dann ist es objektiv. Das ist, glaube ich, Blödsinn.
Und wenn Objektivität bedeuten würde, so wie es zum Beispiel ein Steger von der FPÖ sieht, dass man einfach nur mehr Mikrofonständer ist für die Regierenden oder Sprachrohr für irgendwen, dann haben diese Leute auch ein Riesenproblem mit dem Objektivitätsbegriff. Weil das ist Journalismus nicht. Journalismus war noch nie einfach nur das Abbilden, was irgendein anderer will, dass du es sagst.
Und deshalb ist es mir tausendmal lieber deklariert subjektiv zu sein, einfach klar zu machen wo meine Meinung ist. Selbst wenn du noch so objektiv berichtest, wählst du aus. Allein schon, indem du nicht ein Protokoll oder einen Live-Ticker 24 Stunden von einer Sache XY machst, sondern indem du zusammenschneidest, zusammenkürzt. Diese Auswahl schon, dieses Rearrangement von Fakten ist schon subjektiv, finde ich. Es ist wichtig, das irgendwie im Hinterkopf zu haben, wenn man Journalismus macht
kontrast.at: Du sagst, Medien können gar nicht objektiv sein. Das funktioniert gar nicht. Wie sollen die subjektiv sein, wie soll das ausschauen?
Markus Lust: Ich finde, dass sich Medien mehr deklarieren sollten oder könnten. So wie sie es im amerikanischen oder englischen Raum tun, wo sie Wahlempfehlungen abgeben, wo Medien Positionen beziehen.
Weil ich eh weiß, dass es so ist. Ich weiß doch, dass ein Standard nicht den Norbert Hofer unterstützt. Aber der Standard sagt das nicht und gibt sich den Anstrich objektiv zu sein. Solche Sachen schädigen eher die Glaubwürdigkeit der ganzen Branche, als dass es irgendwas bringt.
kontrast: Wenn ich an subjektiven Journalismus denke, da fallen mir gleich Krone und Österreich ein …
Markus Lust: Subjektiver Journalismus ist wichtig, aber deklariert subjektiver Journalismus. Österreich zum Beispiel oder OE24.at ist eben nie deklariert subjektiv, sondern tut immer so, als würden sie die Wahrheit oder die größere Wirklichkeit abbilden. Und reden dabei aber von der Kanzler-Krönung von Kurz und photoshopen ihm eine Krone auf den Kopf. Das ist nicht Berichterstattung, das ist ganz offensichtlich Framing, das ist Kommentar. Das ist vielleicht noch irgendwie Journalismus, weil Kommentar und Glosse auch Journalismus sind, aber es ist schlechter Journalismus.
Wozu es heute Journalismus braucht
kontrast.at: Warum machen die Fellners und Dichands überhaupt Journalismus, was treibt die an?
Markus Lust: Ich glaube, dass es diesen Leuten einfach nur darum geht gewisse Sachen ganz banal in ihre Richtung zu spinnen und Geld zu machen.
kontrast: Auf Wikipeida findet man die Definition Journalismus hat das Ziel Öffentlichkeit herzustellen. Stimmt das so noch?
Markus Lust: Medien haben nicht mehr die Gatekeeper-Funktion von früher. Medien stellen keine Öffentlichkeit mehr her. Die kannst du an uns vorbei herstellen. Wenn du eine große Facebook Seite, einen gut besuchten Youtube Channel oder sowas hast, dann kannst du Öffentlichkeit selbst herstellen.
Die Frage ist nur: Überlasst du diesen Leuten die Deutungshoheit oder nicht? Wenn die Identitären auf dem eigenen Youtube Channel groß sind, dann gibt es an sich keine Notwendigkeit mehr für sie Medien zu benutzen, für ihre PR. Aber es gibt die Notwendigkeit aus Mediensicht, sie anders darzustellen als sie gerne gesehen werden würden. Das ist insofern schon eine Kontrollfunktion, die die Medien und wir als VICE einnehmen.
Die Frage ist immer, wie wir es machen. Zum Beispiel … wir haben die Pegida damals ziemlich aufplatteln lassen, indem wir einfach einen Liveticker zu ihrer Demo gemacht haben. Zu einem Zeitpunkt, wo ich mich auch dafür verteidigen musste, wo Leute angeschrieben haben ist das jetzt nicht ein Hochschreiben von diesen Rechten, die sonst unbedeutsam wären? Wo ich eben dann immer darauf sagte: ich glaube an die Mündigkeit unserer Leserinnen und Leser und wir müssen ihnen nicht sagen, was sie lesen dürfen oder konsumieren dürfen.
Aber wir haben diesen Liveticker gemacht und minutiös jeden kleinen Bullshit aufgezeigt, den sie machen. Sowas wie … da macht einer von denen einen Kühnen-Gruß mit drei Fingern. Dann sagt irgendein anderer, das ist eigentlich verboten in Österreich. Dann sagt wer anderer ich weiß nicht, ist das wirklich verboten? Dann sagt wer anderer aber das ist doch der Rütlischwur aus der Schweiz, ist das dann bei uns nicht doch …. Der andere sagt Ja darf ich eigentlich Heil Hitler sagen?
Das war dann wirklich so ein relativ skurriles, verbürokratisiertes Ding, wo sehr viele Pegida-Anhänger und die Leute auf der Bühne miteinander darüber geredet haben, mit wievielen Fingern sie jetzt sagen dürfen, dass sie Faschisten sind.
Und das das nachzuzeichnen so minutiös, wie wir das gemacht haben, hat sie viel mehr aufgeplattelt und bloßgestellt, als wenn wir einen Leitartikel geschrieben hätten.
Also ich glaube wir haben zum Teil die gleiche Kontrollfunktion wie andere Medien, wir verwenden aber andere Mittel. Wir verwenden manche Mittel auch subversiv. Wir machen auch leere Artikel. Wir hatten zum Beispiel “Alles, worauf wir uns an der Wiederholung der Bundespräsidentenwahl freuen” und dieser Artikel war leer. Wir arbeiten zum Teil auch recht konzeptionell.
Aber ich glaub schon an diese Funktion von Journalismus, eine Kontrollfunktion in der Gesellschaft einzunehmen. Ich glaube nur nicht, dass Journalismus das einzige ist, dass das macht.
Der österreichische Journalismus
kontrast: Vollends überzeugt bist du vom österreichischen Journalismus nicht. Gibt es dennoch vielleicht eine Journalistin oder einen Journalisten, der dir zusagt?
Markus Lust: Ja schwierige Frage, finde ich. Ich finde österreichische Journalisten und Journalistinnen jetzt generell nicht so endlos spannend, dass ich irgendeinem von denen massiv folgen würde, muss ich sagen. Ohne jetzt irgendwen persönlich beleidigen zu wollen.
Natürlich finde ich einen Armin Wolf, aber das ist eben so ein Klassiker, gut in dem was er macht, mit Putin-Interviews und so. Da gibt’s fachlich sicher nichts auszusetzen und ich glaube … ja … er ist die wichtigste Stimme im Journalismus, sicher, die wichtigste die wir haben in Österreich. Sonst … Sibylle Hamann ist sehr spannend.
kontrast: Umgekehrt … welche Journalisten nerven dich?
Markus Lust: Ein Journalist, der mir gar nicht gefällt … ich bin kein Fan von Michael Fleischhacker, würde ich mal sagen ich
kontrast: Warum sagst du nicht Jeannée?
Markus Lust: Also Jeannée ist ist schon das Letzte aber, ich würde ihn nicht als Journalist bezeichnen.
Die Stärke der Rechten und warum die Linke rebellischer sein sollte
kontrast.at: Apropos Fleischhacker und Jeannée … die Rechte befindet sich gerade in Europa und in Österreich im Aufwind. Woran liegt das?
Markus Lust: Ich glaube, dass dieses Fehlen von linkem Populismus, dieses ganze … wir sind sehr vorsichtig, wir sind sehr korrekt bei allem, wir passen auf, wie wir was formulieren … auch den Rechten hilft. Weil es hat ihnen ermöglicht der neue Punk zu sein. Und es ist nichts schlimmer, als wenn rechte, konservative, reaktionäre Arschlöcher sich wie die größten Rebellen vorkommen können.
Die Leute, die im Schrebergarten sitzen, die Leute, die sagen aber Graffiti, das darf nicht sein. ich finde da muss man sich wehren. Und diese drei Ausländer im Ort sind auch schlimm, ausgerechnet diesen Leuten das Gefühl zu geben, sie sind mit dieser Meinung rebellisch oder sie sind die Revoluzzer, finde ich extrem schlimm. Aber man muss so ehrlich sein: jeder will selbst auf irgendeine Art rebellieren gegen irgendwas. Und diese Leute rebellieren sonst gegen nichts. Sie sitzen im Schrebergarten, sie sitzen in Vereinen, sie sind konservative klassische Österreicher, angelernte Österreicher und Österreicherinnen.
Und diese Leute haben ein Outlet gefunden für sich, wie sie sich selbst argumentieren können, dass sie eigentlich total wild sind. Und das ist diese neue Rechte, dieser neue rechte Punk. Und das finde ich sehr problematisch, weil es eben kein linkes Äquivalent dazu gibt. Es gibt keine Linken, die genauso herumreden, einfach sagen hey da sind wir und ich trete genauso bold und wild und und direkt auf …
kontrast.at: Aber die Vertreter der angeblichen Rebellen sitzen in der Regierung, die werden von den Mainstream-Medien eher hofiert …
Markus Lust: Das lustige ist … die Rechten haben es auch geschafft, nebendem dass sie Angst für sich claimen, zu ihrem Thema machen, dass sie allen einreden, dass es ein linkes Meinungsditat gibt. Und ich frage mich immer, wo das sein soll.
Es gibt in Österreich die Kronen Zeitung, es gibt Österreich es gibt Heute, es gibt die Salzburger Nachrichten, die Presse odie Oberösterreichischen Nachrichten. Ich kann diese Liste endlos fortsetzen. Die Niederösterreichischen Nachrichten, was auch immer du nimmst, es sind alles reichweitenstarke Medien, die alle nicht links sind.
Lustigerweise schafft es dieser rechte Überhang, diese rechte Breitseite zu sagen, wenn da einer kommt von links und sagt aber lass uns das mal anders sehen dann entgegen diese Rechten mit Die wollen uns alles vorschreiben, die bestimmen, die diktieren uns. Was kompletter Blödsinn ist.
kontrast: Du sagst wohl mit Berechtigung, dass die österreichischen Medien eher nicht links sind. Du glaubst aber gleichzeitig an die mündigen Leser. Müssen wir uns also vor der rechten Medienübermacht in Österreich nicht fürchten …
Markus Lust: Ich glaube immer noch, dass gerade im Internet sehr viel Leute mobilisierbar sind, die sehr aufgeklärt sind, denen man nicht immer ein Ettikett drauf picken muss wie auf einem Tschickpackerl, auf dem steht Achtung, diese Sache ist böse. Ich muss ihnen nicht immer dazu sagen, wie sie über die Identitären denken sollen oder so. Es reicht dann oft schon, ihnen was Interessantes anderes zu zeigen oder es zur Diskussion zu stellen und sie ein bisschen ernst zu nehmen.
Weil die Alternative wäre zu glauben, dass da draußen eine Herde von dummen Schafen läuft und wenn irgendwer sagt Heil Hitler!, dann stehen die alle wieder auf der Straße und sagen Ja genau so wollen wir es! und lassen sich einfach verführen. Also diese Idee, dass das alles nur Marionetten sind, die einfach besspielbar sind, finde ich nicht zutreffend und ich finde es gefährlich so zu denken. Ich findet es sehr gefährlich das Medienmachen so zu denken, dass wir glauben, wir können bestimmen, was die Leute glauben und denken. Das können wir glaube ich nicht, also nicht mehr und ich glaube, wir konnten es noch nie.
Die Tageszeitung wird nicht überleben
kontrast: Vier kurze Fragen haben wir noch. Die erste … Wie sieht die Tageszeit der Zukunft deiner Meinung nach aus?
Markus Lust: Also ich glaube nicht, dass Tageszeitungen überleben werden. Das ist eine völlig absurde Maschinerie, die wir implementiert haben vor ein paar hundert Jahren oder vor hundert Jahren, die überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist. Um Nachrichten schnell raus zu bringen, ist Tageszeitung sicher tot auf lange Sicht.
Das ist auch der Grund, glaube ich, warum mich VICE so interessiert hat von Anfang an im Gegegensatz zu vielen anderen Medien. Wir sind halt kein Tagesmedien, wir sind schon sehr magazinig, obwohl wir eine Onlineplattform sind. Die Grenzen verschwimmen, aber das heißt für mich auch, wir müssen nicht diesem News-Cycle so extrem nachlaufen. Das ist für mich deshalb wichtig, weil sie glaube, dass es einfach Bullshit ist und nicht wichtig ist.
Es ist nicht wichtig, dass 14 Leute heute dort an irgendwas gestorben sind. Es ist nicht wichtig, dass ein Traktor in Niederösterreich einen Typen umgefahren hat oder so. Das sind Newsmeldungen, die eine Halbwertszeit von zwei Stunden haben, die wichtig dafür sind, damit du in der Kaffeeküche in deiner Arbeit Leuten erzählen kannst, dass du auch weißt, was abgeht in der Welt, damit du irgendeinen gemeinsamen Nenner hast, weil sonst hast du keinen. Lebensweltlich würdest du höchstwahrscheinlich nie im Leben miteinander reden und deshalb sagt du hast gelesen heute? und das ist dann dein Gesprächsinhalt.
Diese Sachen haben mich nie interessiert und ich glaube auch dass dieses Nachrennen, dass dieses der-Aktualität-nachrennen sehr, sehr unehrlich ist. Und News sind nicht jeder einzelne Tweets von Donald Trump sondern News wäre sich das ganze Twitterprofil von Donald Trump anzuschauen. Das finde ich dann wieder spannend und das ist das was VICE macht. Wir nehmen wir uns einfach die Zeit und sind eben drei age später dran und haben dafür einen ganz anderen Blick auf diese Sache als die APA-Meldung zu copy-pasten, so wie das jede Zeitung tut.
kontrast.at: Klassisches Fernsehen bleibt oder wird es von Streaming-Diensten verdrängt?
Markus Lust: Fernsehen hat eine extrem wichtige Funktion, die meiner Meinung nach so was wie Netflix und diese ganzen neuen Streaming-Angebote nicht haben. Nämlich Leute zu konfrontieren mit Sachen, von denen sie nicht wussten, dass es sie interessiert.
Diese Funktion übernimmt zum Teil jetzt das Internet, Social Media hat zum Teil diese Funktion. Der Unterschied ist nur … es hat schon eine ganz eigene Qualität, sich berieseln zu lassen.
kontrast.at: Wünscht du dir Presseförderung auch für Onlinemedien?
Markus Lust: VICE bekommt zum Beispiel keine Presseförderung, das haben wir noch nie bekommen. Während jetzt zum beispiel Zur Zeit, die rechte Publikation, sehr wohl Presseförderung kriegt. Sowas ist dann schon zumindest ein ganz kleines bisschen bedenklich und man darf das hinterfragen.
Hunter S. Thompson, Begründer des Gonzo-Journalismus
kontrast: Wenn du einen journalistischen Wunsch frei hättest … wen würdest du zu einem ausführlichen Interview bitten?
Markus Lust: Okay, wenn es eine nicht lebende Person wäre, dann definitiv Hunter S. Thompson, den Erfinder, den Begründer von Gonzo-Journalismus, der wahrscheinlich VICE ziemlich stark geprägt hat und mich, weil ich sogar ein Tattoo von ihm hab.
Das Spannende an Hunter S. Thompson war ja immer dieser Zugang und du machst erst die Geschichte, ohne dich gibts die Geschichte nicht. Mir kommt das sehr sehr ehrlich vor, in einer so grundlegenden Art zuzugeben, dass es nicht ohne Subjektivität geht im Journalismus und dass es aber dann am ehrlichsten ist, wenn du es auch transparent machst wenn du sagst hallo hier bin ich, hier gibt es einen Ich-Erzähler, es geht hier um meine Gedanken, ich erzähle euch jetzt einen inneren Monolog darüber, was ich über dieses Thema denke.
Und nicht hintenrum versuchen, subjektive Meinungen rein zu reklamieren, in dem man wie eine Kronen Zeitung zum Beispiel das über vermeintliche Statistiken tut, die man dann so liest, wie man sie lesen will, weil man eh weiß, was rauskommen soll.
Ich finde einfach, Journalismus sollte deklariert subjektiv sein und Hunter S. Thompson war das.
enschen gibt: ES GIBT KEINE OBJEKTIVITÄT IM JOURNALISMUS
Tja, so geht es immer mehreren. Nur die Mitläufer bleiben, die von Werbeeinnahmen leben, dafür den Leser für die Firmenpolitik umgehen. Eine fröhlich neue Welt?
So ist es und wird es vermutlich auch bleiben. Das beweisen schon diese Minusklicker, die das Hirn eines S t r a c h e haben – bestenfalls, hehe.
ITIK STEHEN – Kurios, das eine bringt frisches Leben, das andere vernichtet Existenzen. Besonders im Ösireich.