Die Gründung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) fiel in die Amtszeit von Maria Berger. Die Angriffe der ÖVP auf die Korruptionsanwälte anlässlich der Ermittlungen gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) kritisiert die ehemalige Justizministerin (SPÖ) und frühere Richterin am Europäischen Gerichtshof scharf.
Die Attacken des Bundeskanzlers auf die Arbeit der Korruptionsanwälte zeigen für Maria Berger, dass Kurz das Einmaleins des Rechtsstaates nicht verstanden hat. Wenn Blümel tatsächlich einen berechtigten Einwand gegen die Hausdurchsuchung hätte, würde er sie gerichtlich überprüfen lassen – doch das tut er nicht.
In Bergers Amtszeit als Justizministerin war die Korruptionsstaatsanwaltschaft von allen Berichtspflichten befreit. Einige Jahre konnte man selbst in brisanten Verfahren reibungslos, ohne mediale Kritik und ohne politische Angriffe ermitteln, wie der erste Korruptionsstaatsanwalt Österreichs und ehemalige Grünen-Abgeordnete, Walter Geyer, im Falter-Podcast schildert. Das ist aktuell nicht mehr der Fall: Die ÖVP nahm die WKStA mit Berichtspflichten bei den Ibiza-Ermittlungen an die Kandare. Und sie versucht, die wichtige Arbeit der AnwältInnen mit Anschuldigungen zu diffamieren, wie Berger im KONTRAST-Interview sagt.
Seit der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Blümel ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft heftiger Kritik ausgesetzt. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Maria Berger: Überhaupt nicht. Die Kritik geht von einer ganz falschen Überlegung aus, was die Rolle einer Staatsanwaltschaft ist. Wir haben in Österreich das Legalitätsprinzip. Das heißt:
Die Staatsanwaltschaft muss allen auftauchenden problematischen Dingen nachgehen. Sie können das auch nicht stoppen, weil die Stimmung in der Regierung gerade nicht gut ist und die ÖVP jetzt einen Stimmungsaufheller braucht, wie das der ehemalige Nationalratspräsident Andreas Khol jüngst gemeint hat.
Das wäre ja ein Skandal, wenn die Staatsanwaltschaft bei so einer Verdachtslage nicht sofort ermitteln würde. Die Aufgabe der WKStA ist genau die, der Politik keine Freude zu machen. Und jetzt ist es schon das zweite Mal, dass Bundeskanzler Kurz auf die Arbeit der Korruptionsanwälte mit Angriffen reagiert. Das zeugt doch davon, dass er das Einmaleins des Rechtsstaates nicht verstanden hat. Das ist auch taktisch nicht sehr klug.
Die ÖVP streut Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hausdurchsuchung. Was ist da dran?
Maria Berger: Finanzminister Blümel könnte gerichtlich überprüfen lassen, ob die Hausdurchsuchung zulässig war. Aber das will er nicht. Es wäre aber der richtige Weg, wenn jemand wirklich glaubt, dass eine Hausdurchsuchung nicht rechtens wäre. Stattdessen wirft die ÖVP mit untauglichen Mitteln medial auf die Staatsanwaltschaft.
Das ist schon bemerkenswert, warum Blümel die Hausdurchsuchung nicht vor Gericht bekämpfen will, wo man doch angeblich so sicher ist.
Dazu passt auch die Statistik, die Bundeskanzler Kurz verbreitet. Die soll zeigen, dass von 40.000 Beschuldigten nur rund 400 überführt worden seien. Das Justizministerium musste das sogar richtig stellen.
Maria Berger: Sebastian Kurz hat alles zusammensuchen lassen, wovon er geglaubt hat, dass man es gegen die WKStA verwenden kann. In dem Fall war das besonders missbräuchlich, weil die Statistik sich auf alle angezeigten Fälle bezieht und die Staatsanwaltschaft muss jeder dieser Anzeigen nachgehen. Das geht oft nicht von der WKStA aus und eine Einstellung ist auch eine wichtige Erledigung. In der Statistik sind auch nicht jene Fälle berücksichtigt, die von der WKStA an andere Staatsanwaltschaften übergeben wurden. Die Statistik ist für nichts gut, außer dass sie für schlechte Stimmung gegen die Korruptionsanwälte missbraucht worden ist.
Die Gründung der WKStA fällt in Ihre Amtszeit. Warum haben Sie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ins Leben gerufen?
Maria Berger: Die WKStA war Teil eines großen Anti-Korruptionspakets. Zentral war auch die Verschärfung des materiellen Strafrechts, zum Beispiel der Delikt “Vorteilsannahme zur Beeinflussung” – was dann oft “anfüttern” genannt wurde. Da geht es eben nicht um “Zug-um-Zug-Geschäfte”, sondern darum, dass jemand über längere Zeiträume gewogen gehalten wird, damit dann, wenn man eine Amtshandlung braucht, die notwendige Bereitschaft gegeben ist. Das haben wir damals neu eingeführt – und das war sehr umkämpft.
Ein anderer Teil des Pakets war eben die WKStA. Österreich hatte damals viel internationale Kritik, etwa vom Europarat, bekommen, dass die Verfolgung von Korruptionsdelikten in Österreich unterentwickelt ist. Und wir haben gesehen, dass es eine spezialisierte Staatsanwaltschaft braucht, die auch über Zusatzwissen verfügt, etwa in Wirtschaftsfragen.
Die unabhängige Weisungsspitze haben Sie damals nicht durchgebracht?
Maria Berger: Ich wollte damals schon eine unabhängige Weisungsspitze, aber das war mit der ÖVP in der Koalition nicht zu machen. Aber ich habe die WKStA damals von den Berichtspflichten freigestellt. Damit die Korruptionsanwälte freier arbeiten können – gerade in Fällen, in denen es um Politiker geht. Das wurde leider mittlerweile wieder geändert. Genau mit diesen überbordenden Berichtsaufträgen hatte die arme Frau Jilek zu kämpfen, die damit bei ihren Ibiza-Ermittlungen blockiert wurde. Anlass war die BVT-Hausdurchsuchung, aber das war natürlich ein Vorwand – man wollte wieder mehr Kontrolle.
Warum fordert die ÖVP gerade jetzt einen unabhängigen Oberstaatsanwalt ? Bis jetzt hat sie das immer blockiert.
Maria Berger: Weil sie die jetzige Anklagebehörde als politisch gesteuert diffamieren wollen.
Was sind die drei wichtigsten Maßnahmen, mit denen man die Justiz vor politischer Einflussnahme schützen kann?
Maria Berger: Es braucht eine rechtliche Absicherung der Unabhängigkeit. Einen Justizminister oder eine Justizministerin, der sich schützend vor die Justiz stellt und RegierungskollegInnen, die das Einmaleins des Rechtsstaats verstanden haben. Außerdem braucht die Justiz ein ausreichendes Budget, um ihre Arbeit gut erledigen zu können.