Ibiza-U-Ausschuss

Kurz in der Krise: Nationalrat befragt Kanzler zu Ermittlungen gegen ihn und Blümel

Die Ermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) haben am Montag das Parlament beschäftigt. In einer Sondersitzung musste der Bundeskanzler 50 Fragen zu den Vorwürfen der Falschaussage im Ibiza U-Ausschuss beantworten. Die Opposition beantragte eine Minister-Anklage gegen Finanzminister Blümel, der Misstrauensantrag gegen den Finanzminister scheiterte aber an der Ablehnung von ÖVP und Grünen.  

Eine Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher unterstützt die Arbeit im Ibiza-U-Ausschuss. Das ergab eine Unique Research-Umfrage für „Profil“. 54 Prozent sind der Meinung, dass der Ausschuss ein passendes Mittel ist, um Korruption aufzudecken. Ebenso findet eine Mehrheit in Österreich, dass Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) zurücktreten sollte. Beides sieht Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) anders. In der Sondersitzung des Nationalrats am Montag geht er zum Angriff über: Statt Verantwortung für seine Fehler zu übernehmen, warf er der Opposition vor, ihm seine politischen Erfolge zu missgönnen und ihn persönlich anzugreifen. Tatsächlich ging es in der Sitzung nicht um „persönliche Angriffe“ gegen die Person Kurz, sondern um Ermittlungen der unabhängigen Justiz gegen den Bundeskanzler wegen Falschaussage im U-Ausschuss.

Der  stv. Klubchef der SPÖ, Jörg Leichtfried, reagiert in seiner Wortmeldung auf die Täter-Opfer Umkehr des Kanzlers und stellte klar, dass Kurz kein Opfer ist:

„Sie sind der Täter, der sich gegen den Rechtsstaat, die parlamentarische Demokratie und gegen Moral und Anstand richtet“.

Der SPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss Kai Jan Krainer stellte den Bundeskanzler mehrmals richtig. So widersprach er der Darstellung, dass es in der Schredder-Causa nur um Druckerfestplatten geht, wie Kurz stets behauptet hat. „Wir haben im U-Ausschuss herausgefunden, dass auch zwei Laptop-Festplatten geschreddert wurden. Die Justiz hat ihre Ermittlungen daher wieder aufgenommen“, erklärt Krainer und will wissen: „Was war auf diesen Laptop-Festplatten?“ Außerdem widersprach Krainer der Behauptung des Bundeskanzlers, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft aufgrund einer Anzeige von SPÖ und Neos gegen Kurz ermittle – „Das stimmt einfach nicht. Es gibt diese Anzeige der SPÖ nicht“.

Beate Meinl-Reisinger von den Neos erklärt, warum dem Bundeskanzler die Arbeit des Untersuchungsausschusses so unangenehm ist: „Was als FPÖ-Krise begonnen hat, ist mittlerweile eine veritable ÖVP-Krise“, sagt Neos-Chefin Meinl-Reisinger. Sie warf der ÖVP vor, ihre Macht und ihren Einfluss nicht im Interesse der ÖsterreicherInnen einzusetzen, sondern „im Interesse der Freunde und der Spender“.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stellt in ihrer Rede klar: „Niemand steht über dem Recht, auch Sie nicht, Herr Bundeskanzler“. Ob Kurz eine Straftat begangen hat, werde ein unabhängiger Richter entscheiden, nicht das Parlament und nicht die Opposition.

Während sich die ÖVP-Abgeordneten demonstrativ hinter den Kanzler stellen, traten die Grünen weit kritischer auf. Die Grüne Klubvorsitzende Sigrid Maurer kritisierte die Haltung der ÖVP gegenüber dem Parlament. Es sei „hochnotpeinlich“, dass der Finanzminister eine Aufforderung des Bundespräsidenten gebraucht habe, um die Akten an den U-Ausschuss zu liefern. Es sei nicht okay, das Parlament mit der Sicherheitsstufe drei zu „papierln“. Maurer bezieht sich auf die Kisten ausgedruckter Mails, die Blümel ans Parlament lieferte – mit höchster Sicherheitsstufe. Laut Umfrage hat der Streit um die verweigerte Akten-Lieferung an den Ibiza-U-Ausschuss Finanzminister Gernot Blümel weiter geschadet. Mittlerweile sind 54% der Bevölkerung der Meinung, Blümel solle zurücktreten. Dies sind um zehn Prozentpunkte mehr als im Februar nach der Hausdurchsuchung in Blümels Privatwohnung.

FPÖ-Klubchef Herbert Kickl bekam bei seiner Rede gleich zwei Ordnungsrufe vom Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP) erteilt. Kickl sprach von „Ceausescu-Methoden“ bei Kurz und davon, dass seine Stärke vor allem auf „unterwürfigem Bestelljournalismus“ fuße.

ÖVP und Grüne lehnten Minister-Anklage ab

Ursprünglicher Anlass der Sitzung war Finanzminister Blümel, der relevante Unterlagen aus dem Finanzministerium erst an den U-Ausschuss lieferte, nachdem der Verfassungsgerichtshof den Bundespräsidenten zur Exekution aufgefordert hatte. Die Opposition brachte eine Ministeranklage gegen Blümel ein: Wenn ein Regierungsmitglied in seiner Amtsführung die Gesetze verletzt, kann der Nationalrat Anklage beim Verfassungsgerichtshof erheben. Kommen auch die Verfassungsrichter zu dem Schluss, dass Gesetze gebrochen wurden, verliert das angeklagte Regierungsmitglied sein Amt. Der Antrag wurde dem Verfassungsausschuss zugewiesen.

Kurzfristig hinzu kam in der Sondersitzung des Nationalrats die mögliche Anklage gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen Falschaussage im U-Ausschuss. Die SPÖ richtete 50 Fragen an den Bundeskanzler, die FPÖ stellte sogar einen Misstrauensantrag gegen den Kanzler, den aber auch SPÖ und Neos ablehnten – man wolle die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch abwarten, hieß es.  Vorgeworfen wird Kurz, „tatsachenwidrig (…) behauptet“ zu haben, er sei bei der Entscheidung, Thomas Schmid als Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG zu nominieren, „nur informiert, aber nicht darüber hinaus eingebunden gewesen“. Auf 58 Seiten belegt die WKStA durch Chats, dass Kurz faktisch selbst entschieden habe, dass Schmid ÖBAG-Vorstand werden soll und welche Mitglieder von der ÖVP in den Aufsichtsrat nominiert werden. Im U-Ausschuss gilt die Wahrheitspflicht, eine Falschaussage wird mit bis zu drei Jahren Haft bestraft.

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1651 Stimme
    58% aller Stimmen 58%
    1651 Stimme - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 16%, 440 Stimmen
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  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 349 Stimmen
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  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 263 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    263 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 134 Stimmen
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    134 Stimmen - 5% aller Stimmen
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12. März 2024
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Kontrast Redaktion

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