Der Bundeskanzler Nehammer verharmloste in seiner Rede zur „Zukunft der Nation“ den Klimawandel. Nicht aus Ignoranz oder Unwissenheit, sondern aus Kalkül: Er schützt damit die Profite der Reichsten des Landes – zum Schaden aller anderen.
50 Jahre nachdem der „Club of Rome“ in seinem Bericht „die Grenzen des Wachstums“ aufgezeigt hat, 26 Jahre nach den „Kyoto-Protokollen“ und acht Jahre nach den „Pariser Klimazielen“, weiß es ein österreichischer Bundeskanzler besser: Es gäbe keinen wissenschaftlichen Beweis für eine „Untergangsapokalypse“. Für die Zukunft reiche es, uns weiter auf den Verbrennungsmotor, „unglaubliche Fortschritte“, Innovation und Forschung zu verlassen, sagt er in seiner Rede zur Zukunft der Nation.
Kapitalismus ohne Klima-Mechanismus
Der Bericht des „Club of Rome“ prognostizierte 1972 auf Basis von Computersimulationen des Massachusetts Institute of Technology ein Erreichen der Wachstumsgrenzen innerhalb der nächsten einhundert Jahre. Berücksichtigt wurde die Zunahme der Weltbevölkerung, die fortschreitende Industrialisierung, die Umweltverschmutzung, die Nahrungsmittelproduktion und die Ausbeutung natürlicher Rohstoffe. Ein Erreichen der Wachstumsgrenzen bedeutet nichts anderes als eine irreparabel zerstörte Umwelt und Milliarden Tote. Der Bericht veranlasste Erdölkonzerne, Kampagnen zur Leugnung dieser Apokalypse zu entwickeln, insbesondere des Klimawandels. Aus dieser Zeit könnten Nehammers Aussagen in seiner „Rede zur Zukunft der Nation“ stammen.
Ab Mitte der Neunziger Jahre gibt es den wissenschaftlichen Konsens, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wird. Seither wird nicht mehr geleugnet, sondern verharmlost, und Klimaschutzmaßnahmen damit verhindert und verzögert. Die Pariser Klimaziele werden wir nicht erreichen und eine Klimaerwärmung um weit mehr als um 1,5 Grad wird unausweichlich.
Der Grund dafür liegt in unserer kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Denn der Kapitalismus kennt keinen Mechanismus, der den Ausstoß von CO2 und anderen Treibhausgasen einbremst. Der ehemalige MIT-Professor und Kapitalismuskritiker Noam Chomsky bringt es auf den Punkt: Der Planet erfüllt im Kapitalismus nur zwei Funktionen – er dient auf der einen Seite als Ressource (zum Beispiel Erdöl, Kohle, Stahl, seltene Erden, Menschen), auf der anderen Seite als Müllhalde. Die einzige Zielgröße im Kapitalismus ist Profit.
Es braucht also Eingriffe in unser bestehendes System um dieser Zerstörung entgegenzuhalten. Wir brauchen Regulierungen, um die Klimakatastrophe abzuwenden. Doch man verzögert: Das Klimaschutzgesetz, mit verbindlichen Vorgaben für Unternehmen und Konzerne, wird zum Beispiel seit hunderten Tagen von der schwarz-grünen Bundesregierung unter Nehammer nicht umgesetzt.
Klassenkampf von oben
Gewerkschaften, Arbeitszeitgesetze, Lohnerhöhungen und jetzt eben auch Maßnahmen zum Klimaschutz. Kurz: was oder wer auch immer (kurzfristige) Profite gefährdet, wird bekämpft – von oben. „Diese da oben“ sind nicht etwa Teil einer geheimen Verschwörung, sie können klar benannt werden. Das sind Industrielle, Finanz- und Immobilieninvestor*innen und andere Vermögende, die wirtschaftlich mächtig und die Möglichkeit haben auf unsere Gesellschaft und Politik Einfluss zu nehmen. Es sind ihre Profite, die von Klimaschutz bedroht werden.
Ihr „Klassenkampf von oben“ wird möglichst unauffällig geführt. Sie streiken nicht, sie kleben sich nicht an Bankschließfächer, sie demonstrieren nicht auf der Wiener Ringstraße. Für die Durchsetzung ihrer Interessen setzen sie auf ihre eigene Propaganda und direkte politische Einflussnahme.
„Die da oben“ gründen und finanzieren „Denkfabriken“ wie die Agenda Austria, um öffentliche Debatten zu starten oder in ihre gewünschte Richtung zu drehen. Sie engagieren sich in der Industriellenvereinigung oder der Wirtschaftskammer und sie spenden an politische Parteien. Das sind in Österreich die ÖVP, aber auch die FPÖ, in Deutschland die CDU/CSU, die FDP, aber auch die AfD. So kommt es dazu, dass sich der österreichische Bundeskanzler vor seine Nation stellt, in einer Rede zur Zukunft des Landes die Auswirkungen des Klimawandels verharmlost und den dringlichen Handlungsbedarf herunterspielt. Er dient damit den Interessen der oberen Klassen.
Dreifach benachteiligt
Die unteren Klassen werden durch die Leugnung und Verharmlosung dreifach benachteiligt.
- Erstens werden die Profite der oberen Klassen geschützt.
- Zweitens sind es gerade die Reichen, die am meisten CO2-Emissionen verursachen.
In Österreich verursachen die zehn Prozent der einkommensstärksten Haushalte vier Mal so hohe CO2-Emissionen wie die zehn Prozent der einkommensschwächsten Haushalte. Weltweit betrachtet handelt es sich sogar um das fünfzigfache. Der Zusammenhang zwischen Reichtum und CO2-Ausstoß ist leicht erklärt: größere Wohnungen, Häuser, Autos bis zu Yachten und Privatjets sind echte Klimakiller. - Drittens sind ausgerechnet einkommensschwächere Haushalte viel stärker vom Klimawandel betroffen, auch in Österreich. Sie verfügen seltener über private Freiflächen wie beschattete Balkone oder Terrassen, Wohnungen sind oft schlechter isoliert. Reiche hingegen können sich einfach eine Klimaanlage einbauen lassen oder fahren zur Sommerfrische in die Berge. Sie kaufen sich von Auswirkungen frei.
Gerechter Wandel
Immerhin erkennt man in der EU diese Ungerechtigkeit. Unter „Just Transition“ (dt.: gerechter, fairer Wandel) versteht die Europäische Union ein Bündel an Maßnahmen, um den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft „fair“ zu gestalten. 50 Mrd. Euro nimmt die EU dafür in die Hand:
Es geht dabei um nichts weniger als einen umfangreichen Strukturwandel, der aktiv von der öffentlichen Hand gestaltet wird. Das umfasst vor allem die Industrie, den Verkehr und den Energiesektor und bringt mit sich, dass der Öffentliche Raum für alle grüner und kühler wird, Autos in der Stadt und am Land immer überflüssiger werden, die Luftqualität steigt, oder dass thermisch sanierte Wohnungen nicht mehr überhitzen.
„Fair“ bedeutet dabei, dass niemand zurückgelassen werden soll. So werden Beschäftigte von Branchen, die weniger zukunftsträchtig sind, rechtzeitig umgeschult. Damit soll genau jene drohende Arbeitslosigkeit verhindert werden, vor der Nehammer in seiner Rede gewarnt hat.
„Fair“ bedeutet dabei auch, dass Konzerne von der öffentlichen Hand nicht ohne Gegenleistungen riesige Summen für Investitionen bekommen, um ihre jahrzehntelangen Versäumnisse beim Klimaschutz zu korrigieren. Unternehmensbeteiligungen oder spezielle Gewinnsteuerung sollen sicherstellen, dass wieder „fair“ etwas in den Staatshaushalt zurückfließt. Die Palette an Möglichkeiten ist groß. Der Widerstand der ÖVP – das hat Nehammer mit seiner Rede bestätigt – wird aber auch groß sein.
Der größte Strukturwandel aller Zeiten steht uns bevor, und somit auch der womöglich größte Verteilungskampf aller Zeiten. Am Ende geht es nicht nur darum, die Pariser Klimaziele zu erreichen, sondern endlich für Umverteilung von oben nach unten zu sorgen. Damit uns das gelingt, müssen wir uns dem Klassenkampf von oben entschlossen entgegenstellen – mit einer Wirtschafts- und Sozialpolitik „von unten“, die alle mitnimmt.
darf nicht sein. Besonders nicht, wenn man im Ösireich Kanzler werden will. Da reicht ein bisschen Kirche, tsss.
Klimawandel: Ne, hammer net!