„Es ist der größte Steuerraub in der Geschichte Europas“, sagt der Steuerprofessor Christoph Spengel. Das heißt: Es ist der größte Raub an der Allgemeinheit – die Steuerzahler zahlen einer kleinen Clique ihre Gewinne. Es ist ein komplexes Verbrechen, und viele Medien bemühen sich die Vorgänge klar darzustellen. Eine Reaktion auf Twitter sorgt allerdings für Aufsehen: Dort werden die Ausgaben für Pensionen mit dem Schaden durch den Steuerraub gleichgesetzt.
So hat der Cum Ex-Betrug funktioniert
Banken und Investoren haben riesige Aktienmengen – auch zum Schein – zwischen Firmen, Banken und Zwischenhändlern hin- und herverkauft. Die Beteiligten haben sich dabei die Bescheinigungen über die Kapitalertragssteuer mehrfach ausstellen lassen – obwohl sie sie nur einmal gezahlt haben.
Für die nationalen Finanzämter waren diese taktischen Käufe und Verkäufe zu unübersichtlich. Sie wussten nicht mehr, wer schon Steuern bezahlt hatte und wer nicht. Also haben sie den Aktienhändlern mehrmals Steuern rückerstattet – auch solche, die nie gezahlt wurden.
Die Rendite für die Cum Ex-Clique war gut. Doch die Kosten dafür tragen die Steuerzahler. Europaweit beträgt der Schaden 55 Milliarden Euro.
Das Risiko für Händler, Geld zu verlieren, ist gleich Null, denn:
„Der Staat ist eine Geldquelle, die niemals versiegt. Die einzige Gefahr war die, entdeckt zu werden.“ (Christina Heller, Augsburger Allgemeine)
“Der Feind ist der Staat” – die Täter haben keine Skrupel
Benjamin Frey ist einer der Hauptbeschuldigten im Cum Ex-Skandal. Das ist nicht sein richtiger Name. Doch er erzählt den Behörden in Deutschland, wie die Betrüger vorgegangen sind. Ihm drohen bis zu sieben Jahre Haft.
So unruhig waren die Beteiligten nicht immer. Während ihrer Deals waren sie kühl und berechnend. Bei Meetings fallen Sprüche wie: „Wer sich nicht damit identifizieren kann, dass in Deutschland weniger Kindergärten gebaut werden, weil wir solche Geschäfte machen, der ist hier falsch.“
“Wir hatten alle dieses Bild vor den Augen: Der Feind ist der Staat“, sagt Benjamin Frey. “Meine Gier war so groß”, sagt er, “da habe ich mich mit Moral nicht aufgehalten.“
Schaden für Österreich: mindestens 100 Millionen Euro
Laut Rechnungshof hat das Finanzministerium jahrelang bessere Kontrollen zu Cum Ex-Geschäften verabsäumt. Um wieviel Geld österreichische Steuerzahler durch solche Geschäfte betrogen wurden, macht das Finanzministerium trotz parlamentarischer Anfrage nicht transparent. Laut Schätzungen hat der Schaden allerdings ein Ausmaß von 100 Millionen Euro.
Ein Insider sagte: „Die meisten Trader hatten den Eindruck, Österreich ist einfach verschlafen. Das waren Jäger, Tiger, blutrünstige Tiere. Für die war Österreich nicht einmal ein Frühstück.“
Empörung über Pensionisten statt über Cum Ex-Betrüger?
Interessant ist auch, wie manche Reaktionen auf den Cum Ex-Skandal ausfallen. Ein Vergleich hat auf Twitter für Diskussionen gesorgt: Jener von Gabriel Hellmann, Mitarbeiter von addendum. Er hat die öffentlichen Ausgaben für Pensionen mit dem Schaden durch den Cum Ex-Betrug gleichgesetzt:
Auf Zustimmung gestoßen ist diese Aussage bei Gerald Loacker, dem Sozialsprecher (!) der NEOS. Er hat den Beitrag geteilt. Hellman hat mittlerweile den Tweet gelöscht und erklärt, er habe alles nur satirisch gemeint. Ob Herr Loacker es als Satire interpretiert hat, ist fraglich.
Die NEOS wettern regelmäßig gegen das Pensionssystem in Österreich. Das ist keine Kleinigkeit. Denn es geht um den Lebensunterhalt eines Viertels der Bevölkerung. In Österreich wird die Pensionsversicherung zum überwiegenden Teil umlagefinanziert. Das bedeutet, dass die Beiträge der aktiven Arbeitnehmer an die Pensionsbezieher ausbezahlt, also „umgelegt“ werden. Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber zahlen in die Pensionsversicherung ein, die Differenz, die für die Auszahlung der Pensionen entsteht, wird allenfalls vom Staat abgedeckt. Konservative und NEOS sprechen gerne von einer “Kostenexplosion” bei den Pensionen – die Zahlen zeigen aber, dass die Zuschüsse des Staates gleich bleiben.
In Österreich muss niemand um seine Pension bangen, im Gegenteil. Wie stabil das System ist, zeigt der rückläufige Bundeszuschuss zu den Pensionen: Die Beiträge decken die Auszahlungen immer besser, der Staat muss weniger zuschießen. Für den Zeitraum 2016 bis 2020 werden von der öffentlichen Hand insgesamt 4 Milliarden weniger für das Pensionssystem ausgegeben werden müssen als erwartet.
Zum Weiterlesen:
Der größte Steuerraub in der Geschichte Europas (Augsburger Allgemeine)
Sozialbetrug: Regierung jagt Sozialleistungs-Empfänger – aber schont Millionen-Betrüger (Kontrast.at)
Warum unser Pensionssystem weniger kostet als gedacht und sich private Vorsorge selten rechnet (Kontrast.at)
Zum Nachschauen: