Bildung

Studiengebühren: Die neue Mittelschicht-Steuer von Schwarz-Blau

Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen belasten Studierende – und ihre Eltern. Aus der Vergangenheit wissen wir: Vor allem Familien aus der Mittelschicht und jene mit niedrigen Einkommen sind davon betroffen. Für sie wird der Weg zu höherer Bildung noch schwieriger als er ohnehin schon ist.

ÖVP und FPÖ wollen Studierenden ins Geldbörsel greifen: 500 Euro pro Semester, also 1.000 Euro pro Studienjahr. Das soll offenbar junge Erwachsene „motivieren“, schneller zu studieren. Genau da geht die Politik von Schwarz-Blau an der Realität vorbei: Wie lange jemand studiert, hängt damit zusammen, wie seine finanzielle Situation aussieht, wie die Studierendensozialerhebung zeigt.

Wer wenig hat, studiert länger

Immer mehr Studierende müssen neben dem Studium jobben, um sich ihr Studium und den Lebensunterhalt zu finanzieren. Das erschwert das Lernen erst recht: Zwei Drittel der „geringfügig“ Studierenden sagen, ihr Studium hätte sich durch ihre Erwerbstätigkeit verzögert.

Belastungen für die Mittelschicht

Studiengebühren belasten GeringverdienerInnen und Mittelschichts-Familien ungleich mehr als Top-VerdienerInnen. Denn gerade Familien mit mittleren Einkommen, deren Kinder keinen Anspruch mehr auf Studienbeihilfe (und damit auf eine Befreiung von den Studiengebühren) haben, werden voll zur Kasse gebeten.

Wie wirken sich Gebühren in der Höhe von 500 Euro pro Semester aus? Für eine Familie mit mittlerem Einkommen und drei Kindern, die studieren möchten, sind das 3.000 Euro zusätzliche finanzielle Belastung im Jahr – dazu kommen noch die ohnehin anfallenden Ausgaben wie Wohnkosten, Fahrtkosten, Essen und Lernunterlagen.

Studiengebühren erzeugen AbbrecherInnen, nicht AkademikerInnen

Als die ÖVP-FPÖ-Regierung im Jahr 2000 Studiengebühren einführte, brachen 45.000 StudentInnen ihr Studium ab – das waren 21 Prozent aller Studierenden! Sie konnten sich unter diesen Bedingungen ihren Lebensunterhalt nicht mehr leisten. Die Zahl der DoktorandInnen ging zurück, vor allem der Frauenanteil in dieser Gruppe sank stark.

Im September 2008 beschlossen SPÖ, Grüne und FPÖ eine Abschaffung der Studiengebühren für österreichische Studierende und ihre KollegInnen aus dem EU-Ausland in der Mindeststudienzeit.

Amerikanische Verhältnisse: Studieren auf Kredit

Das abschreckende Beispiel der USA zeigt, welche Belastung Studiengebühren für die ganze Familie sein können: Fast 25.000 Dollar Studiengebühren verlangen US-amerikanische Unis im Schnitt pro Jahr, Privat-Universitäten sogar 36.000 Dollar. Die wenigsten Familien haben genug Rücklagen, um diese Unsummen locker aus der Haushaltskassa zu bezahlen. Über 40 Millionen Menschen in den USA müssen noch für ihr Studium aufgenommene Schulden zurückzahlen.

Großeltern zahlen mit

Nicht nur die Studierenden selbst, auch Eltern oder Großeltern nehmen fürs Studieren einen Kredit auf. Laut Studie eines US-amerikanischen Konsumentenschutzeinrichtung hat sich die Zahl der über 60-Jährigen mit Studiengebühren-Schulden zwischen 2005 und 2015 auf 2,8 Millionen Menschen vervierfacht. Fast 67 Milliarden Dollar beträgt die Summe, die sie an Studienkrediten zurückzahlen müssen. 73 Prozent der Betroffenen gaben an, die Kredite für die Ausbildung von Kindern oder Enkeln aufgenommen zu haben.

Ein ähnliches Bild zeigt sich in Großbritannien, wo Studierende nach vier Jahren Studium mit circa 36.000 Pfund Schulden durch Studiengebühren (ohne Lebenshaltungskosten) in den Kreide stehen.

Kein Studium für Lisa Simpson?

Doch nicht nur Studiengebühren, auch flächendeckende Zulassungsbeschränkungen wirken sozial selektiv. Ein Beispiel: Kurse zur Vorbereitung auf den Aufnahmetest für das Medizinstudium in Wien oder Graz kosten mehrere hundert Euro. Auch Aufnahmegespräche sind für Kinder aus bildungsfernen Schichten eine größere Hürde als für Akademikerkinder.

Zusammenfassend argumentiert Ingolf Erler in seinem Buch Keine Chance für Lisa Simpson:

„Studiengebühren, Zulassungsbeschränkungen, Aufnahmetests schrecken den Medizinersohn aus Wien Döbling wohl weniger ab als die Tochter einer türkischen Putzfrau aus dem ländlichen Raum. Nicht vergessen werden dürfen die zusätzlichen Kosten, der Aufwand des Umzugs an den Studienort und der Einkommensausfall (Opportunitätskosten). Dazu kommt die unsichere Erfolgswahrscheinlichkeit sowie die Gefahr, nach dem Studium keine bezahlte Arbeit zu finden und auf längere Zeit auf unbezahlte Praktika angewiesen zu sein.“ (Ingolf Erler 2011: 201 f)

Zum Weiterlesen

Ingolf Erler (2011): Keine Chance für Lisa Simpson (Mandelbaum Verlag) – Vollversion PDF

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1616 Stimmen
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    1616 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 15%, 428 Stimmen
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    428 Stimmen - 15% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 340 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    340 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 252 Stimmen
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    252 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 130 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    130 Stimmen - 5% aller Stimmen
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12. März 2024
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