Während die hohen Energiepreise für die Bevölkerung und Betriebe eine große Belastung sind, freuen sich Energiekonzerne derzeit über beträchtliche Gewinne. Seit Mai schafft es die Regierung nicht, das Problem zu lösen. AK und ÖGB haben jetzt ein konkretes Modell vorgelegt, mit dem sie 90 Prozent der Übergewinne von Verbund und OMV besteuern wollen. Die Einnahmen muss der Staat für Anti-Teuerungsmaßnahmen verwenden. Gewerkschaft und Arbeiterkammer fordern die Regierung auf, die Sonderabgabe für Krisengewinner rasch einzuführen – “wie in anderen europäischen Ländern auch”.
“Es ist komplizierter, als man glaubt”, mit diesem Satz hat der grüne Vizekanzler Werner Kogler am 15. August im ORF-Sommergespräch begründet, warum die Regierung noch kein Modell zur Besteuerung von Übergewinnen vorgelegt hat. Bereits im Mai hat Bundeskanzler Karl Nehammer angekündigt, dass man die Milliarden an Übergewinnen der Energiekonzerne “abschöpfen” sollte – nach Kritik aus der Wirtschaft ist es um den Vorschlag wieder leise geworden. Es sei “halt nicht so leicht, wie es sich manche vorstellen. Das muss man schon genau konstruieren”, erklärt Kogler die Verzögerung im ORF-Sommergespräch.
„Dass die Regierung in dieser Hinsicht untätig bleibt, ist absolut unverständlich. Die Energiekosten verursachen einen hohen Teil der Teuerung und daher müssen Energieunternehmen ihren Teil zur Entlastung beitragen, insbesondere wenn massive Gewinne ohne ihr zutun entstehen.” (ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian)
Vier bis fünf Milliarden Übergewinne für Energiekonzerne dank Teuerung
Arbeiterkammer (AK) und die Gewerkschaft (ÖGB) haben daher am Wochenende ein konkretes Modell vorgelegt, wie man die aktuell 4 bis 5 Milliarden Euro Zusatzgewinne, die den Energiekonzernen durch die Inflation in die Taschen fließen, besteuern kann. Übergewinne sind die Gewinne, die deutlich über den Durchschnittsgewinnen von 2019 bis 2021 liegen. Investitionen in erneuerbare Energie im Inland können von der Steuer komplett abgezogen werden, was zwischen 1 bis 1,5 Mrd. Euro ausmachen dürfte. Laut Berechnungen bleiben dann noch 1,5 bis 2,2 Milliarden Euro pro Jahr übrig — damit sollen Anti-Teuerungsmaßnahmen wie der Energiepreisdeckel finanziert werden.
“Wenn die Übergewinne nicht besteuert werden, würden die Steuergelder, die einen Energiepreisdeckel finanzieren, indirekt an die Aktionäre bzw. Eigentümer der Energieunternehmen fließen. Das ist völlig inakzeptabel”, erklärt die Chefökonomin des ÖGB, Helene Schuberth.
Der Steuertarif ist progressiv: Liegt der Übergewinn 10 bis 30% über dem Durchschnittsgewinn der letzten Jahre, gilt ein Steuersatz von 60%, alles darüber wird mit 90% besteuert. Das Modell zielt auf große heimische Energiekonzerne, die mit ihrem Öl-, Gas- oder Stromgeschäft über die Maßen von der Teuerung profitieren – allen voran der Verbund und die OMV. Kleinstunternehmen mit einem Umsatz unter einer Million Euro im Jahr sind von der Steuer ausgenommen.
OMV ließ Managerboni von 6,2 Mio. auszahlen
Zur Einordnung: Die OMV konnte wegen der hohen Sprit-Preise im zweiten Quartal 2022 einen operativen Rekord-Gewinn von 2,9 Milliarden Euro einfahren. Das sind um 1,6 Milliarden mehr als im selben Zeitraum 2021. Im Juli hat die Bundeswettbewerbsbehörde festgestellt: Die Raffinerien haben ihren Anteil am Gewinn verdreifacht – und sind damit für die Hälfte der Preissteigerungen von Benzin und Diesel verantwortlich. Die OMV-Vorstände ließen sich im März Boni in Höhe von 6,2 Millionen Euro auszahlen. Aufgrund der massiven Übergewinne werden die Manager-Boni im nächsten Jahr noch weiter steigen.
“Die Energieunternehmen geben nicht nur importierte Preissteigerungen weiter, sondern treiben die Preise auch durch Steigerung der eigenen Gewinnmargen, insbesondere bei Strom und Treibstoffen, in die Höhe”, sagt ÖGB-Chef Wolfgang Katzian. Es gibt “keine sachliche Rechtfertigung für Übergewinne, daher braucht es diese Steuer, die Menschen langfristig unterstützt”.
Übergewinne sollen der Allgemeinheit zugutekommen
Viele europäische Staaten wie Rumänien, Italien, Spanien, Ungarn oder Großbritannien haben bereits unterschiedliche Modelle der Besteuerung umgesetzt. “Mit dem Modell wird es in Österreich, wie in anderen europäischen Ländern auch, die Möglichkeit geben, die Übergewinne der Energiekonzerne abzuschöpfen, damit sie tatsächlich den Vielen zugutekommen”, sagt AK-Präsidentin Renate Anderl.
Da der Großteil der Übergewinne, vor allem im Strombereich, erst für die Folgejahre erwartet wird, soll die Sonderabgabe bis mindestens 2024 gelten. Wie die “Bankenabgabe” in der Finanzkrise ist die Übergewinn-Steuer als eigenständige Sonderabgabe konzipiert: “Ein befristeter steuerlicher Beitrag des Energiesektors zur Finanzierung der staatlichen Hilfsprogramme sei verfassungsrechtlich ausreichend begründbar”, betonen die Erfinder des Modells. Die Regierung hat stets betont, es sei schwierig, eine “verfassungskonforme” Lösung zu finden.
Kritik kam am Sonntag naturgemäß vom Verbund, der zuletzt die Energiepreise für Verbraucher deutlich erhöht und seinen Gewinn im ersten Halbjahr um die Hälfte gesteigert hat. Aufsichtsratschef Martin Ohneberg sendet aus: “Der (Kapital-)Markt braucht Planbarkeit.” Der Vorschlag schädige “den Börsenwert und die Aktionärsinteressen der betroffenen Unternehmen”. Auch die Industriellenvereinigung hat dem Vorschlag umgehend eine Absage erteilt. Regierungsvertreter haben bislang noch nicht reagiert.