Arbeitslosigkeit wird von Wirtschaftsverbänden und JournalistInnen auf zu hohe Kosten für Unternehmen zurückgeführt. Dabei sind es nicht hohe, sondern gerade zur niedrige Löhne, die für mangelnde Investitionen verantwortlich sind. Denn Österreich hat kein Produktivitätsproblem, sondern zu wenig Nachfrage: Unternehmen können nicht darauf vertrauen, ihre Produkte verkaufen zu können. Wie sich das ändern lässt und was das mit großen volkswirtschaftlichen Fragen zu tun hat, zeigt Niki Kowall in seiner Kolumne.
Fehlt das Angebot …
Wie Arbeitslosigkeit am besten bekämpft werden kann, ist hoch umstritten. Auf der einen Seite sind Fachleute der Auffassung, dass für Unternehmen optimale Bedingungen geschaffen werden müssen, damit diese Investitionen tätigen. Das heißt, der Zugang zu Personal, Energie oder Krediten soll hürdenfrei und günstig, die Steuerlast gering sein. Die Investitionen erfordern Beschäftigung und dadurch sinkt die Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig können mehr oder bessere Produkte hergestellt werden, wodurch der Wohlstand steigt. Weil die Unternehmen „Produkte anbieten“, nennt man das angebotsseitige Politik. Das Motto lautet „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s den Menschen gut“.
Angebotsseitige Politik wird in der öffentlichen Diskussion verkürzt als „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit“ bezeichnet. Sie ist dann sinnvoll, wenn eine Volkswirtschaft technologisch hinten nachhinkt, ineffizient ist oder strukurell mehr importiert als exportiert. Ist in diesen Szenarien die Arbeitslosigkeit hoch, dann ist die Produktivität der Volkswirtschaft zu gering, was sich auch negativ auf Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand auswirkt. Die Steigerung der Produktivität kann durch Qualifizierungsmaßnahmen, Liberalisierungen, Senkung der Lohnebenkosten, Forschungsprämien, steuerliche Investitionsanreize etc. erreicht werden. 1
… oder die Nachfrage?
Auf der anderen Seite gibt es Fachleute, die der Auffassung sind, dass Unternehmen selbst dann bei optimalen Bedingungen nicht investieren, wenn sie nicht erwarten, dass ihre Produkte Absatz finden. Es ist demgemäß die Kaufkraft der KonsumentInnen (und des Staats), die Investitionen mit sich bringt. Eine Lohnsenkung in einem einzelnen Unternehmen verbessert objektiv dessen Ausgangssituation im Wettbewerb, weil keine Auswirkungen auf den Absatz zu befürchten sind. Anders wenn die Löhne der Beschäftigten in allen Unternehmen sinken – was die Menschen in ihrer Rolle als LohnempfängerInnen verlieren, können sie in ihrer Rolle KonsumentInnen nicht nachfragen. Weil KonsumentInnen „Produkte nachfragen“ nennt man das nachfrageseitige Politik. Das Motto lautet „Geht’s den Menschen gut, geht’s der Wirtschaft gut“.
Wenn Arbeitslosigkeit herrscht, obwohl die Volkswirtschaft produktiv und der Außenhandel ausgeglichen ist, dann liegt das an zu geringer Produktion als Folge von zu wenig Nachfrage von Seiten der Privaten und/oder des Staates.
Die private Nachfrage kann schwach sein, weil die Löhne nicht vom Fleck kommen oder stark mit Abgaben belastet sind, sodass sich ganze Bevölkerungsgruppen weniger leisten können. In diesem Fall kann der Staat z.B. Mindestlöhne einführen oder Arbeitseinkommen entlasten, um die Kaufkraft der Privaten zu stärken. 2 Die öffentliche Nachfrage ist in der Regel schwach, weil der Staat zu wenige oder die falschen Ausgaben tätigt. Der Staat kann investieren und darauf setzen, dass die Unternehmen nachziehen. 3
Österreich hat ein Nachfrageproblem
Unsere Volkswirtschaft erzielt seit 17 Jahren Überschüsse im Außenhandel, was nicht auf Probleme bei der Wettbewerbsfähigkeit als Ursachen für Arbeitslosigkeit hindeutet. Das Land verzeichnet obendrein seit Einführung des Euro 1999 hinter Irland das zweithöchste Produktivitätswachstum (+26%) aller ursprünglichen Mitglieder der Eurozone.
Selbst wenn es Wirtschaftsverbände noch so laut trommeln und die meisten JournalistInnen ihnen glauben: Die österreichische Volkswirtschaft hat kein angebotsseitiges (=Wettbewerbsfähigkeits-)Problem. Vielmehr beobachten wir zu geringe Nettolöhne und zu niedrige öffentliche (und folglich private) Investitionen, was an der Sparpolitik liegt. Beides deutet darauf hin, dass Österreich und Europa seit der Krise 2008/09 an einer Nachfrageschwäche leiden. Diesen Befund teilen nicht nur breite Teile der österreichischen Arbeitnehmerbewegung – ÖGB, AK, SPÖ – sondern auch internationale Topökonomen.
Doch das Regierungsprogramm setzt zu sehr auf Angebotsseite
Nun ist es aber so, dass die Maßnahmen im jüngsten Regierungsübereinkommen mehrheitlich angebotsseitig orientiert sind. So erlässt etwa der Beschäftigungsbonus Unternehmen einen Teil der Lohnnebenkosten für neue Eingestellte. Doch weshalb sollten Unternehmen Leute einstellen, wenn sie gar nicht glauben, dass ihr Absatz dies rechtfertigen wird? Die gleiche Skepsis gilt für die Investitionsförderung mit vorzeitiger Abschreibung. Und auch die Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose folgt der Vorstellung, dass Arbeitslosigkeit primär in der Verantwortung des Einzelnen liegt.
Ein einfaches Beispiel macht skeptisch: Nehmen wir an, eine Firma produziert Filme für Fotokameras und kommt zunehmend unter Druck, weil sich Digitalkameras durchsetzen. Irgendwann sperrt die Firma zu. Die freigesetzten ArbeitnehmerInnen sind natürlich nicht selbst schuld an ihrem Schicksal, sondern Opfer eines Strukturwandels. Das gleiche gilt, wenn Arbeitslosigkeit als Folge falscher Wirtschaftspolitik entsteht.
Die Höhe der Arbeitslosigkeit ist das Resultat wirtschaftlicher Auslastung. Um eine hohe Auslastung zu garantieren, bräuchte es in der aktuellen Situation nachfrageseitige Impulse, doch im Regierungsprogramm finden sich nur wenige und unzulängliche Maßnahmen.
Die Arbeiterkammer Wien rechnet auf Basis der Erfahrungen der letzten Jahrzehnte damit, dass ein Anstieg der Staatsausgaben um eine Milliarde Euro die folgende Anzahl an Jobs bringt:
- bei Steuersenkungen 3.500
- bei staatlichen Investitionen 7.000
- bei direkter öffentlicher Beschäftigung 17.000
Das bedeutet: In Anbetracht von 500.000 Arbeitslosen müsste man schon mehrere Milliarden Euro lockermachen, um einen spürbaren Effekt zu erreichen. 4 Tatsächlich plant die Regierung aber nur Mehrausgaben von knapp einer Milliarde Euro jährlich, davon soll noch ein Teil durch Einsparungen gegenfinanziert werden – was den Effekt dämpft. Wir sehen also, dass die geplanten nachfrageseitigen Impulse sehr gering ausfallen. In diesem Lichte scheint das Maßnahmenpaket der Regierung ungenügend, um das angestrebte Hauptziel zu erreichen: Die Verringerung der Arbeitslosigkeit in Österreich. 5
Aus dem Beitrag von Niki Kowall hat sich eine interessante Kontroverse zur Ausrichtung der Beschäftigungspolitik entwickelt. Dominik Bernhofer und Sven Hergovich haben nachfrageseitige Maßnahmen der Bundesregierung dargestellt, aber vor allem die angebotsseitigen Ursachen der Arbeitslosigkeit betont: die Arbeitsmigration und die höhere Erwerbsbeteiligung Älterer. Markus Marterbauer hat schließlich argumentiert, dass es sowohl umfassende Investitionen als auch angebotsseitige Maßnahmen braucht, um die Arbeitslosigkeit zu verringern.
- Die Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel kann auch durch eine Abwertung der Währung oder durch Lohn- und Preisdämpfung erhöht werden. Beides nützt kurzfristig gegen Defizite im Außenhandel, hilft aber nicht die Produktivität zu verbessern.
- Eine Entlastung wird nur voll nachfragewirksam wenn nicht gleichzeitig anderswo in gleichem Ausmaß Ausgaben gekürzt oder Abgaben erhöht werden.
- Es kann übrigens auch Situationen geben wo ein Mix aus angebotsseitigen und nachfrageseitigen Politikmaßnahmen sinnvoll wäre. Denken wir an Südeuropa, dort benötigen einige Volkswirtschaften sowohl eine höhere Produktivität als auch eine höhere Produktion.
- Es kann sein, dass bei einer europäischen Konjunkturerholung die Arbeitslosigkeit in Österreich 2017 trotzdem sinkt. Dann hatte die Regierung aber einfach Glück, während sie in den letzten Jahren Pech hatte. Einen signifikanten nationalen Beitrag zur Senkung der Arbeitslosigkeit hat die Regierung seit 2009 nicht mehr geleistet.
- Ist Wachstum nicht ein altmodisches wirtschaftspolitisches Ziel? Geht es nicht vielmehr um die ökologische Absicherung des Wohlstands, um Arbeitsverkürzung und Lebensqualität? Das ist alles wahr, es ist nur unwahrscheinlich diese Fragen in Anbetracht einer halben Million Arbeitslosen jetzt sofort angehen zu können.
Es ist ist leider ein bisschen Flach. Im Grunde ist es verkürztes Keynes. Glaubt wirklich jemand das eine erhöhte Nachfrage nicht augenblicklich befriedigt wird? Alles was passiert, passiert dann eine Woche später, Überproduktion (der Konkurrenz geschuldet) Krise, Marktbereinigung,spricht Konkurs. Die Produktion ist doch nicht auf Bedürfnisbefriedigung ausgelegt, es geht um maximalen Profit, in der Systematik ist Lohnsenkung das Zauberwort denn Lohnerhöhung. Jeder Produzent geht davon aus das er der ist der Überlebt.
Nur eine 30 Wochenstunde und einem Lohn von 17.-€ Netto, für alle die diesen Lohn noch nicht haben, wird die Armut und die Arbeitslosigkeit, bekämpft.
Das währe etwas für die Arbeit-Nehmer zum Überleben.
Geht es den Menschen (AN) GUT, geht es auch der Wirtschaft wieder GUT!!