In der Vergangenheit hätten sich Firmen immer wieder über die Strenge der Kartellwächter beschwert, sagt Österreichs Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) und kündigt eine Novelle des Kartellrechts an. Sie bezeichnete sich zuletzt als “oberste Anwältin der Betriebe”. Die Wettbewerbsbehörde soll stärkeren Berichtspflichten an die Wirtschaftsministerin unterliegen. Das sieht die am Freitagabend in Begutachtung geschickte Kartellrechtsnovelle vor. Kartellrechtler warnen: Die Wettbewerbsbehörde würde dadurch in ihrer Arbeit geschwächt werden.
Die Berichtspflicht schränkt die unabhängige Arbeit der Kartell-Ermittler ein, sagen die Wettbewerbsbehörde und Kartellrechtler. Man kennt es aus der Arbeit der Korruptionsanwälte: Dort schmiss zuletzt eine der führenden Ibiza-Anwältinnen das Handtuch, weil überbordende Berichtspflichten an das Ministerium und Interventionen ihre Ermittlungsarbeit lähmten. So enorm, dass die Korruptionsanwältin Christine Jilek ihren Job hingeschmissen hat, nachdem sie 13 Jahre „mit Leib und Seele“ bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gearbeitet hat.
Wettbewerbsbehörde sorgt für Strafen gegen Supermarkt-Riesen und Baukartelle
Die von Schramböck kritisierte “strenge” Kontrolle von Preisabsprachen und anderen Kartell-Delikten ist aber die zentrale Aufgabe der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB). 2013 und 2015 haben Ermittlungen der Kartellwächter dazu geführt, dass die Supermarktriesen Spar und Rewe zu Geldstrafen in zweistelliger Millionenhöhe verurteilt wurden, weil sie die Preise für Milch, Bier und andere Lebensmittel durch Preisabsprachen künstlich hochgehalten hatten.
Aktuell ermittelt die BWB gegen ein Mega-Baukartell, das von 2002 bis 2017 bestanden haben soll. Beteiligt sollen über 40 Baufirmen in ganz Österreich sein, darunter auch die Porr. Es geht um ein Volumen von etwa einer Milliarde Euro. Im Schnitt sollen die Bauriesen die Preise künstlich um 10 bis 15 Prozent erhöht haben. Den Unternehmen könnten Rekordstrafen drohen. Es ist die wohl größte Kartellermittlung in der Geschichte der BWB.
Ermittlungen: ÖVP-Spender Ortner betroffen
Hauptaktionär der Porr ist Klaus Ortner, er hat eine Million Euro an Sebastian Kurz gespendet und ihm wird die “strenge” Arbeit der Ermittler nicht gefallen. Ob das Ansinnen des Ministeriums nach der Berichtspflicht mit den Ermittlungen gegen die größten Baufirmen des Landes und dem Bußgeldantrag gegen Porr zusammenhängt? Der Chef der Bundeswettbewerbsbehörde Theodor Thanner sagt dazu nur: „Ich kann den Zusammenhang nicht belegen.“
Thanner hat sich schon letztes Jahr an die Medien gewandt, um Alarm zu schlagen: Die Politik wolle die Ermittlungen seiner Behörde unter ihre Fuchtel bringen. Das zeigte sich für Thanner etwa in „Bürokratiespielen, wenn ein Mitarbeiter neun Monate keinen Ausweis bekommt, den er aber für eine Hausdurchsuchung braucht“. Aber auch der Wunsch, dass die BWB in monatlichen Treffen dem Ministerium über ihre geplanten Ermittlungen berichten soll. Das widersprach für Thanner der Unabhängigkeit.
“Dieser Wechsel ist völlig unverständlich”, erklärt auch der Verbraucherschützer Peter Kolba: “Die Bundeswettbewerbsbehörde ist beim Aufdecken von Kartellen recht erfolgreich. Das soll offenbar obstruiert werden. Kartelle führen in der Regel zu höheren Preisen. Und das schadet auch Verbrauchern.”
Regierung hat der Wettbewerbsbehörde den Verbraucherschutz entzogen
Einen Teil der Arbeit der BWB hat die Regierung den Ermittlern bereits entzogen: Im April musste sie die Verbraucherschutz-Agenden an das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen abgeben – keine unabhängige Behörde, sondern der Weisungspflicht von Schramböck unterstellt. Dazu wird dem Amt nicht viel Kompetenz in diesem Bereich zugetraut.
Jetzt will die Wettbewerbsbehörde die geplante Berichtspflicht verhindern, von denen sie selbst erst am Freitag erfahren hat. In die Erstellung der Novelle war die Wettbewerbsbehörde – anders als früher – überhaupt nicht eingebunden. In der aktuellen Novelle heißt es: “Die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat das Recht, sich jederzeit über alle Gegenstände der Geschäftsführung und Aufgabenerfüllung der Bundeswettbewerbsbehörde zu unterrichten. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat der Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort unverzüglich und auf Verlangen schriftlich alle diesbezüglichen Anfragen zu beantworten”, soweit dies nicht der Unabhängigkeit der Bundeswettbewerbsbehörde nach EU-Recht widerspreche.
Man könnte vor Hausdurchsuchungen warnen
Die Wettbewerbsbehörde fürchtet, dass die Berichtspflicht die Gefahr erhöhe, dass Ermittlungen oder Hausdurchsuchungen an die betroffenen Unternehmen verraten werden könnten, je mehr Personen davon wissen. Auch die BWB-Whistleblower-Hotline sieht Thanner gefährdet, wenn die Behörde darüber Auskunft erteilen muss. Dem widerspricht Schramböck zwar, aber im Gesetzestext finden sich keine Ausnahmen von der umfassenden Berichtspflicht.
Schramböck begründet die Novelle mit der Umsetzung einer EU-Richtlinie. “Es ist schon erstaunlich, dass ein Gesetz, mit dem eine EU-Richtlinie umgesetzt wird, die der Stärkung der Wettbewerbsbehörden dient, in die Gegenrichtung zeigt”, sagt dazu aber die auf Kartellrecht spezialisierte Rechtsanwältin Isabella Hartung.
Die EU-Richtlinie sieht vor, die nationalen Wettbewerbsbehörden bei Budget und Personal noch unabhängiger zu stellen. Schramböcks Entwurf bewirkt das Gegenteil.
Auch die Grünen sind skeptisch. Im “Standard” sagte die Wirtschaftssprecherin der Grünen, Elisabeth Götze, ihre Partei wolle die unabhängige BWB und ihre Ermittlungen erhalten und die Gesetzespassage gegebenenfalls ändern.
Theodor Thanner ist seit 2007 Chef der Wettbewerbsbehörde, er arbeitete zuvor für diverse ÖVP-Politiker in der Salzburger Landesregierung und in der Bundesregierung. Thanner genießt einen ausgezeichneten Ruf als Chef der Wettbewerbsbehörde und setzt sich für die unabhängige Arbeit der Wettbewerbsbehörde ein. Die ist vor allem den KonsumentInnen, aber auch den kleinen und mittleren Unternehmen in Österreich verpflichtet, die unter Kartellbildungen leiden. Die Kartell-Wächter haben aber auch mächtige Feinde: Etwa in der Bau-, in der Lebensmittel oder der Molkereiindustrie. Auch Amazon haben die Ermittler im Visier.
»REGIERUNG HAT DER WETTBEWERBSBEHÖRDE DEN VERBRAUCHERSCHUTZ ENTZOGEN«
Klagen, klagen, klagen: Den Kanzler in den Knast!
Knast, Kerker für den Kanzler!
Dazu sind ja normalerweise die Opositionellen da: Anzeige beim EGH! Weil das Kartellrecht kein österreichisches Alleinrecht sein kann.