Finanzmächtige Gruppen wie die Industriellenvereinigung möchten, dass wir Österreich in erster Linie als “Standort” betrachten. Ein “Standort”, der in Konkurrenz steht mit anderen “Standorten” auf dieser Welt. Diese Konkurrenz zwischen Staaten führt jedoch zu einem permanenten Unterbietungs-Wettlauf: Wer bietet die geringsten Löhne, Unternehmenssteuern, Umwelt- oder Sozialstandards. Genau damit gerät die Demokratie extrem unter Druck.
Wenn Staaten gegeneinander im Wettbewerb stehen
Wenn ein Staat sich demokratisch entscheidet höhere Umwelt- und Sozialstandards durchzusetzen als sein Nachbar, dann macht er die Produktionsbedingungen für seine Unternehmen teurer. Plötzlich haben andere Unternehmen, vielleicht direkt in benachbarten Staaten angesiedelt, Kostenvorteile und können die Unternehmen des ersten Staates unterbieten.
Wenn sich ein Staat also demokratisch entscheidet, etwas umzusetzen, das er für richtig hält, wird er dafür aber durch den Standortwettbewerb zwischen den Staaten bestraft. Konkurrenz zwischen den Staaten führt zu einem permanenten Unterbietungswettlauf. Dieser Standortwettbewerb wird umso schlimmer, je größer die Niveau-Unterschiede zwischen Ländern sind. Dann kann ein Unternehmen in einem Land mit den hohen Lohn- und Umweltstandards einfach die Produktion einstellen, ein paar Millionen Euro in das andere Land mitnehmen und dort eine neue Produktion aufbauen.
Transkript Folge 08 „Kowall redet Tacheles“
Folgendes Transkript entstammt dem “Kowall Blog”
Castings, Schönheitswettbewerbe und Talentshows, das sind die Spektakel, die unsere Gesellschaft liebt. Und das gilt nicht nur fürs Showbusiness und die Massenmedien. Auch unsere wirtschaftlichen Betriebe müssen sich einem permanenten Casting unterziehen. Bin ich als Standort sexy genug für Investoren? Habe ich als Betrieb genug Attraktivität, dass in mich investiert wird? Auf den Punkt bringt dieses Denken der Chef der Industriellenvereinigung, Georg Knill, wenn er über die Diskussion zum MAN Werk in Steyr spricht:
„Das ist natürlich jetzt ein sehr sehr gutes Beispiel (…) wie wichtig Standortpolitik ist. Standortpolitik, nämlich im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit, der Attraktivität, ist das Um und Auf. (…) Wettbewerbsfähigkeit ist all unser Lebenselixier“
(IV-Präsident Georg Knill in der Pressestunde vom 18. April 2021)
Ist der Standortwettbewerb also unser unausweichliches Schicksal? Reden wir einmal Tacheles!
Wettbewerb in der Wirtschaft ist weder per se gut, noch per se schlecht. Er ist im Bereich der Privatwirtschaft nützlich, wenn er durch klare Regeln in sinnvolle Bahnen gelenkt wird. Dann kann Wettbewerb Innovation fördern oder die Preise für die Verbraucherinnen drücken. Im Bereich des Spitalswesens ist Wettbewerb nicht nützlich, weil sonst gute Spitäler für die Reichen und schlechte für die Armen entstehen würden. Wo der Wettbewerb was bringt und wo nicht, ist eigentlich eine Frage, die sich relativ pragmatisch handhaben lässt. Wenn man den Wettbewerb ganz abschafft, lähmt man die Wirtschaft. Wenn man den Wettbewerb aber auf alle Lebensbereiche ausdehnt, dann landet man irgendwann in einer Gesellschaft wie den USA. Dort scheint es oftmals als würde der Wert eines Menschen zu 100 Prozent durch sein Einkommen bestimmt werden.
Also, der Wettbewerb kann innerhalb der Privatwirtschaft eines Landes, sei es Österreich, Deutschland oder Polen, durchaus nützlich sein. Die Politik und die Sozialpartner können ja über Regelungen steuernd eingreifen und Dinge umsetzen, die die Gesellschaft als richtig empfindet. Zum Beispiel beim Arbeitsschutz, bei ökologischen Auflagen oder bei der Lohnhöhe. Das alles ist innerhalb eines Landes auch kein Problem, weil die Regeln dann für alle Unternehmen gleichermaßen gelten. Keines wird bevorzugt oder benachteiligt, alle müssen z.B. einen vorgeschriebenen Filter einbauen, um ihren Schadstoffausstoß zu reduzieren.
Ein Problem bekommen wir aber, wenn der Wettbewerb nicht nur zwischen Unternehmen herrscht, sondern auch zwischen Staaten. Wenn ein Staat sich demokratisch entscheidet, höhere Umwelt- und Sozialstandards durchzusetzen als sein Nachbar, dann macht er die Produktionsbedingungen für seine Unternehmen teurer. Plötzlich hat der Nachbar einen Kostenvorteil und kann die Unternehmen dieses Staates unterbieten. Überlegen wir einmal was das heißt: Ein Staat hat sich demokratisch entschieden etwas umzusetzen, das er für richtig hält, wird dafür aber durch den Standortwettbewerb zwischen den Staaten bestraft. Damit gerät die Demokratie extrem unter Druck.
Konkurrenz zwischen Staaten führt zu einem permanenten Unterbietungswettlauf: Wer bietet die geringsten Löhne, Unternehmenssteuern, Umwelt- oder Sozialstandards? Genau das ist der Standortwettbewerb, den der Chef der Industriellenvereinigung für „all unser Lebenselixier“ hält.
Der Standortwettbewerb wird umso schlimmer, je größer die Niveau-Unterschiede zwischen Ländern sind. Dann kann ein Unternehmen in einem Land mit den hohen Lohn- und Umweltstandards einfach die Produktion einstellen, ein paar Millionen Euro in das andere Land mitnehmen und dort eine neue Produktion aufbauen. Und wegen des Freihandels kann es die Waren wieder in das Land verkaufen, wo es ursprünglich herkommt. Solche Manöver sind typisch für die Globalisierung, die den Standortwettbewerb erst ausgelöst hat.
Gruppen wie die Industriellenvereinigung möchten, dass wir Österreich in erster Linie als Standort betrachten. Die türkis-blaue Regierung, also die vor Ibiza, wollte sogar den „wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort“ als Staatsziel in die Verfassung schreiben. Überlegen wir uns einmal wie verrückt das ist:
Was heißt es, wenn man ein ganzes Land als Standort bezeichnet? Es heißt, das Land auf seine Attraktivität für das Kapital zu reduzieren. Dann sind wir aber kein Staat, keine Gesellschaft, keine Volkswirtschaft keine Nation oder Republik. Wir sind einfach nur ein Standort oder eine Filiale. Wie die Forstinger Filiale, mit dem Standort auf der Umfahrungsstraße in Hainfeld, wo ich für mein Fahrrad oder mein Auto irgendein Trum kaufe. So gesehen wollte die türkis-blaue Bundesregierung den Forstinger auf der Hainfelder Umfahrungsstraße in die Verfassung schreiben.
Natürlich ist das nicht lustig, weil sie wollen eigentlich, dass wir unsere Gesellschaft, ja unser Land, nur noch nach wirtschaftlichen Kennzahlen beurteilen. Und deshalb war die Abstimmung der MAN-Beschäftigten ein absolut ungewöhnliches Ereignis. Trotz des enormen Drucks, sich der Profitlogik zu beugen, haben fast zwei von drei Beschäftigten gegen das Angebot von Investor Sigi Wolf gestimmt. Das hat uns allen gezeigt, dass wir mehr sind als kleine Rädchen eines Wirtschaftsstandorts. Nämlich ArbeitskollegInnen, DemokratInnen und StaatsbürgerInnen.
Was wir tun können um den Unterbietungswettbewerb zu unterbinden, unsere Republik wieder aktiv politisch zu gestalten und in unserer Gesellschaft mehr zu sehen als einen Standort, damit werden wir uns nach dem Sommer beschäftigen.
So, wir haben jetzt die ersten neun Folgen von Tacheles hinter uns gebracht und jetzt beginnt eine zweimonatige Sommerpause. Ich danke ganz besonders allen, die sich alle neun wirklich reingezogen haben und ich freue mich, wenn ihr ab September wieder dabei seid. Bis dahin könnt’s auch ihr auf meine Webseite gehen, euch für den Newsletter anmelden oder wenn ihr wollt sogar etwas spenden. Danke für euer Interesse und bis dann!