Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) droht Arbeitslosen mit mehr Sanktionen, wenn sie Jobangebote ablehnen. Besonders wichtig ist Kocher in seinem Schreiben an das AMS (das Kontrast vorliegt), dass auch Arbeitslose aus anderen Branchen in “touristische Berufe” vermittelt werden, sobald diese “nicht mehr dem sogenannten Berufs- und Einkommensschutz unterliegen.” Was heißt das?
100 Tage, also etwas mehr als drei Monate, unterliegen Arbeitslose einem Berufsschutz, das heißt, sie müssen keine Arbeit annehmen, die nicht dem bisherigen Beruf entspricht. Ein Journalist muss also keine Stelle als Ladner in einer Bäckerei annehmen, ein Wirtschaftsforscher kein Küchengehilfe werden. Einzige Ausnahme: Wenn ein schlechter Beruf die Wahrscheinlichkeit erhöht, bald darauf wieder eine Anstellung im bisherigen Beruf zu bekommen – die arbeitslose Chefredakteurin könnte als normale Redakteurin beginnen müssen, weil sie sich so wieder zur Chefredakteurin vorarbeiten könnte.
Berufsschutz fällt nach 3 Monaten
Findet man in den ersten 100 Tagen allerdings keine Arbeit im bisherigen Beruf, was in der Corona-Krise mit 500.000 Arbeitslosen und 70.000 offenen Stellen keine Seltenheit war, gibt es keinen Berufsschutz mehr. Auch mit dem Übertritt in die Notstandshilfe fällt der Berufsschutz weg.
Ähnlich ist das mit dem Schutz des Einkommens-Niveau: In den ersten 120 Tagen hat man noch Anspruch auf einen Arbeitsplatz, bei dem man 80 Prozent des Letzteinkommens verdient, dann bis zur Notstandshilfe auf 75 Prozent des letzten Verdienstes. Fällt man in die Notstandshilfe, besteht gar kein sogenannter Entgeltschutz mehr.
3 Stunden Arbeitsweg
Beim Anfahrtsweg sind es zwei Stunden pro Tag für den Hin- und Rückweg, für einen wirklich gut passenden Job aber auch 3 Stunden – also eineinhalb Stunden für die Anreise und noch einmal eineinhalb Stunden für die Abreise. Die schwarz-blaue Regierung wollte das um eine Anfahrtszeit von bis zu 2,5 Stunden erhöhen, dazu kam sie dann nicht mehr.
In Österreich schützen immer mehr Vollzeitjobs nicht mehr vor Armut. 300.000 Menschen in Österreich sind arm oder armutsgefährdet, obwohl sie arbeiten. Sie sind BäckerInnen oder arbeiten in der Gastronomie. Am Anfang des Lockdowns haben viele von ihnen die Kündigung bekommen – trotz Wirtschaftshilfen und Kurzarbeit. Jetzt öffnen Handel, Hotellerie und Gastro ihre Türen wieder und suchen das Personal, das sie vor einem Jahr vor die Tür gesetzt haben. Doch mittlerweile haben sich viele der Gekündigten anders orientiert oder suchen nach einem besseren Arbeitsplatz.
Denn nach einem Jahr Arbeitslosigkeit mit gerade einmal 55 Prozent vom Letzteinkommen brauchen viele einen Arbeitsplatz, der genug zum Leben bietet – und zum Zurückzahlen der Rückstände.
Während andere Regierungen nach der Corona-Krise den ArbeitgeberInnen raten, die Löhne zu erhöhen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern, setzt der österreichische Arbeitsminister auf Zwang, Sanktionen und Kürzungen, um Jobs zu besetzen, die niemand will. Das nützt vor allem den Unternehmern, die nicht an der Attraktivität des Arbeitsangebots schrauben – und bringt auch jenen einen Nachteil, die es tun.
Bitte das Schreiben von Martin Kocher auch als Ganzes veröffentlichen. Wir Bürger*innen haben ein Recht darauf zu erfahren, was die Obrigkeit so treibt …
Bitte Fehlzuweisungen durch das AMS melden! Die überregionale Vermittlung verstösst gegen das Verfassungs- und Menschenrecht auf freie Wohnsitzwahl usw. https://www.arbeitslosennetz.org/arbeitslosigkeit/rechtshilfe/zumutbarkeit_ueberregionale_stellenvermittlung.html
Naja, dann werden die schwindligen Gastrounternehmer hoffentlich in der Probezeit ihr blaues Wunder erleben. Sobald die Arbeit aufgenommen ist, darf mensch kritisch sein und sich (basis)gewerkschaftlich organisieren. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt -> https://www.aktive-arbeitslose.at