Vizekanzler und Justizminister Jabloner sieht im Heraufsetzung der Mindeststrafen in der Jugendgerichtsbarkeit einen “zivilisatorischen Rückschritt”. Im Nationalrat kritisiert er, dass ÖVP und FPÖ die Einwände von Anwälten, Gerichten und Experten ignorieren.
Anwälte, Richter, Gewaltschutzzentren, Opferschutzeinrichtungen und Psychotherapeuten – sie alle sind sich einig, dass das “Gewaltschutzpaket” von ÖVP und FPÖ seinem Namen nicht gerecht wird, und äußerten Bedenken an den geplanten Maßnahmen.
Dennoch haben ÖVP und FPÖ in der letzten Nationalratssitzung vor der Neuwahl das Maßnahmenpaket aus ihrer Regierungszeit beschlossen. Vor der Abstimmung im Parlament bat Justizminister Jabloner die Abgeordneten, dem Gesetz zumindest in gewissen Punkten nicht zuzustimmen.
Die höhere Strafen in der Jugendgerichtsbarkeit sieht er als “zivilisatorischen Rückschritt”, mit dem den Richtern der erforderliche Entscheidungsspielraums genommen werde.
Denn die österreichische Jugendgerichtsbarkeit habe sich gut bewährt und mehr Vertrauen verdient. Der schonendere Umgang der Gerichte mit jungen Erwachsenen bis 21 hat zum Rückgang von Wiederverurteilungen geführt. Sie können sich nach einer Blödheit in der Spätpubertät wieder gut eingliedern.
Mehr Opfer, weniger Sicherheit und steigende Kosten
Nun kommen härtere Strafen, wodurch mit einer höheren Rückfallquote zu rechnen ist. „Mehr Rückfälle bedeuten mehr Opfer, weniger Sicherheit und weiter steigende Kosten“, hieß es auch in einer gemeinsamen Stellungnahme der Richtervereinigung, Opferschutzverbände und Rechtsanwaltskammer.
Auch Jabloner sieht in den Änderungen einen “gravierenden Rückschritt”: “Das trifft den 19-Jährigen von nebenan”, warnt er. Versetzt der einem Anderen an einem Abend in einem Lokal einen Schlag und das Opfer stürzt und bricht sich den Finger, wäre die Mindeststrafe in Zukunft 6 Monate. “Das halt ich für schwer übertrieben.”
„Die gesamte Fachwelt, Anwälte, Gerichte und Opferschutzorganisationen lehnen es ab. Kann es das Ziel einer rationalen Strafrechtspolitik sein, grundlegende Einwände vom Tisch zu fegen?” fragt der Justizminister die ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten.
Außerdem fürchtet Jabloner, dass einer schon belastete Justiz weitere Mühen auferlegt werden. Der Opferschutz und die Täterarbeit werden in den Hintergrund gedrängt und die Fehleranfälligkeit werde erhöht.
Anzeigeplicht hindert Opfer an offenen Gesprächen
Insgesamt haben Schwarz und Blau 25 Gesetze geändert. Strafverschärfungen gibt es bei einer Reihe von Gewalt- und Sexualdelikten. Außerdem kommt eine einheitliche Anzeigepflichten für alle Gesundheitsberufe. Diese übten ebenfalls scharfe Kritik an der geplanten Anzeigepflicht. In einem offenen Brief an die Nationalratsabgeordneten warnt der Verband davor, die Situation für Opfer häuslicher Gewalt zu verschlechtern.
Die Verschwiegenheitspflicht abzuschaffen würde ehrliche Gespräche über Gewaltbeziehungen mit Psychotherapeuten verhindern. Die geplante Gesetzesänderung berge das Risiko eines Anstiegs an Gewalt.