Es ist eine tickende Zeitbombe: Immer mehr Entwicklungsstörungen von Kindern bleiben unbehandelt, weil die Therapieplätze fehlen. Therapeutinnen und Ärzte schlagen Alarm: Wenn Kinder nicht besser versorgt werden, können sie ihr Leben lang darunter leiden. Die Folgekosten für das Gesundheitssystem sind enorm.
Wer für sein Kind eine Therapie braucht, kann in Österreich schnell verzweifeln. Jedes zehnte Kind leidet in Österreich an kindlicher Depression, Sprechproblemen oder Entwicklungsstörungen, doch diese Kinder müssen ein oder zwei Jahre warten, um einen Therapieplatz zu bekommen. Es gibt viel zu wenig Psychotherapie, Logopädie oder Ergotherapie für Kinder, darauf weisen Ärzte und Therapeuten schon seit vielen Jahren hin. Vergeblich:
„Seit zirka 15 Jahren habe ich meine Praxis und besser ist es nicht geworden in den 15 Jahren, sondern im Gegenteil, es wird immer prekärer“, sagt die Legasthenie-Therapeutin Julia Sonnleitner.
Unbehandelte Störungen führen zu Folgeschäden
Dabei sind Investititionen in die Kindergesundheit nicht nur menschlich, sondern auch ökonomisch wichtig: Junge Kinder können ihre Schwierigkeiten und Probleme besonders leicht aufholen. Nützt man diese Fenster nicht, dann werden die Probleme viel schlimmer – für Kinder und ihre Familie. Und teurer zu behandeln. Bekommen Kinder nicht gleich eine passende Therapie, können sie für ihr Leben lang beeinträchtigt sein.
Und das droht in Österreich derzeit aus dem akuten Versorgungsmangel:
„Kinder müssen mit einer Wartezeit von mindestens einem Jahr, wenn nicht zwei Jahren rechnen“, sagt die Legasthenie-Therapeutin Julia Sonnleitner im Ö1-Morgenjournal. Das ist eine Katastrophe für Kinder und Eltern.
Die Störung bleibt unbehandelt, der Stress und Druck in der Familie erhöht sich, weil sie alleine gelassen werden:
„Ich erlebe das oft, wenn Eltern in der Praxis anrufen und am Telefon wirklich darum bitten und betteln, dass sie einen Therapieplatz bekommen. Die lange Wartezeit macht Stress, macht Angst, macht Unsicherheit“, sagt die Ergotherapeutin Elisabeth Führlinger gegenüber Ö1.
Obwohl das Problem bekannt ist, hat sich in den letzten Jahren nichts verbessert: Caroline Culen von der Liga für Kinder- und Jugendgesundheit führt das auch auf die Kassenfusion von Schwarz-Blau zurück: “Die kurze Antwort ist vielleicht, dass die Sozialversicherung sehr mit sich selbst beschäftigt war die letzten eineinhalb Jahre”, sagt sie im Morgenjournal. Gemeint ist der Umbau der Krankenkassen in eine Österreichische Gesundheitskasse, bei dem die Regierung Kurz ein Defizit von 1,7 Milliarden Euro im Gesundheitssystem erzeugt hat.
Die SPÖ hat letztes Jahr ein Paket für Kindergesundheit geschnürt und mehrmals im Parlament eingebracht. Sie fordert 60.000 bis 80.000 kassenfinanzierte Plätze für Logopädie, Ergotherapie und Psychotherapie. Erst letzte Woche hat der SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher einen Antrag dazu im Nationalrat eingebracht – die Regierungsparteien haben ihn vertagt.