Oberösterreich hat die wenigsten Kinderbetreuungsplätze in ganz Österreich. Für unter Dreijährige liegt das von ÖVP und FPÖ regierte Bundesland im Bundesländervergleich am letzten Platz und bei den Drei- bis Sechsjährigen auf dem vorletzten Platz vor Vorarlberg. Die schwarz-blaue Landesregierung wälzt die Verantwortung für diese familienfeindlichen Umstände auf die Gemeinden ab.
Wer in Oberösterreich einen Kindergartenplatz ergattern will, muss schnell sein. Denn die freien Plätze gehen weg wie warme Semmeln. Nur für jedes vierte Kind gibt es in Oberösterreich aktuell einen vollzeittauglichen Betreuungsplatz. Obwohl EU-weit in den vergangenen zehn Jahren ein Anstieg der Kinderbetreuungsquoten um beinahe 40 % zu verzeichnen ist, stieg die Betreuungsquote in Österreich um gerade mal 3 %. Oberösterreich ist das traurige Schlusslicht dieser Entwicklung. Aber wie kommt es eigentlich zu diesen familienfeindlichen Zuständen?
Ganztägige Kinderbetreuung: Fehlanzeige!
Fehlende Kinderbetreuungsplätze sind in ganz Österreich, aber speziell in Oberösterreich ein Problem: Unzählige Familien klagen, dass sie trotz Anmeldung schon während der Schwangerschaft keinen geeigneten Kinderbetreuungsplatz bekommen können. Weder für eine Krabbelstube, noch für einen Kindergartenplatz oder einen Hort. Und wenn doch, dann meistens nur für den halben Tag. Ganztägige Kinderbetreuung ist Luxus für wenige in Oberösterreich.
Die Probleme ergeben sich anscheinend aus akutem Personalmangel und der ineffizienten Bürokratie. In Oberösterreich kann derzeit nicht einmal eine klare Auskunft über die Anzahl der offenen Betreuungsplätze gegeben werden. Das liegt daran, dass die Bedarfserhebung nicht landesweit durchgeführt wird, sondern von den einzelnen Gemeinden und Städten gestemmt werden muss. Diese führen die Bedarfserhebungen verschieden aus, weswegen die Daten oft nicht vergleichbar sind. So ist vielfach nicht einmal sicher, wie viel freien Plätze es für die Kinder gibt. Aktuell ist nur für jedes vierte Kind ein Vollzeitbetreuungsplatz verfügbar und die Landesregierung putzt sich bei den Gemeinden ab.
Schlechte Öffnungszeiten und teure Nachmittagsbetreuung
Im Februar 2018 führte die schwarz-blaue Landesregierung Kindergarten-Gebühren ein. Seither müssen die Erziehungsberechtigten in Oberösterreich für die Nachmittagsbetreuung ab 13 Uhr zahlen. In anderen Bundesländern wie beispielsweise dem Burgenland oder Wien sind Kinderbetreuungseinrichtungen gratis. In Oberösterreich kostet die Nachmittagsbetreuung die Familien seither bis zu 110 Euro pro Kind und Monat. Dabei ist aber das Essen noch nicht eingerechnet.
Also Folge wurde jedes 10. Kind wurde von der Nachmittagsbetreuung abgemeldet, jede zweite Frau in Oberösterreich kann keiner Vollzeitarbeit nachgehen. 73 % der oberösterreichischen Eltern geben in einer Studie der Arbeiterkammer Oberösterreich im November 2018 an, sich finanziell belastet zu fühlen. Die Einführung der Nachmittagsgebühr hat in einigen Kindergärten außerdem zu kürzeren Öffnungszeiten geführt, weil die erforderlichen Gruppengrößen nicht mehr zustande gekommen sind. Selbst jene, die nun die Nachmittagsgebühren zahlen, finden schlicht keinen Nachmittagsplatz mehr für ihr Kind vor.
Zu wenig Personal, zu niedrige Löhne
Neben finanziellen Hürden für die Erziehungsberechtigten straucheln aber auch die Angestellten der Kinderbetreuungseinrichtungen mit den unzumutbaren Zuständen. Seit Jahren machen die Betreiber der 350 Kindergärten, Horte und Krabbelstuben in Oberösterreich auf den Personalmangel aufmerksam. Im September 2021 hat der eklatante Personalmangel einen neuen Höhepunkt erreicht: Elf Kindergruppen mussten ohne Leitung einer fertig ausgebildeten Gruppenleiterin starten. In ersten Gemeinden mussten Kindergärten nachmittags schließen, weil es neben den finanziellen Problemen auch nicht mehr genügend Personal gibt.
Eine finanzielle Aufwertung der Arbeit von Angestellten in Kinderbetreuungseinrichtungen wurde erst im Oktober in Wien bei einer Demonstration gefordert. „Spart das Geld bei Inseraten, schickt es in den Kindergarten!“, riefen 1000 KindergartenpädagogInnen und pädagogen sowie deren AssistentInnen vor wenigen Wochen vor dem Bildungsministerium. Die Rufe blieben aber auch bei Bildungsminister Faßmann bisher unerhört.
Rechtsanspruch auf kostenlose Ganztags-Kinderbetreuung gefordert
In keiner anderen Lebensphase verlaufen Bildungsprozesse so rasant wie in den ersten Lebensjahren. Eine gute und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung mit ausreichend und fachlich qualifiziertem Personal ist daher essenziell für die Zukunft unserer Kinder. Die schwarz-blaue Landesregierung sparte von 2017 auf 2019 fast drei Millionen Euro bei Krabbelstuben, Kindergärten und Horten ein. Zulasten der Gemeinden, der Angestellten der Kinderbetreuungseinrichtungen und der Eltern.