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Teuerung

In anderen EU-Ländern ist die Inflation spürbar gesunken, unsere Regierung versagt

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Nirgendwo sonst in Westeuropa steigen die Preise so extrem wie in Österreich. Woran das liegt, was die Folgen sind und wie man das ändern könnte – steht hier!

Die Inflation in Österreich ist gerade so hoch wie seit der Nachkriegszeit nicht mehr. Seit Jahresbeginn sind in keinem anderen Land Westeuropas die Preise drastischer gestiegen als bei uns. Die Inflationsrate im Juni lag bei 7,8 %. Zum Vergleich: der Durchschnitt in der Eurozone liegt bei 5,5 %. Spanien hat eine Inflationsrate von 1,6 %, die Schweiz von 1,7 %, Portugal von 4,7 %.

30 % der Österreicher:innen können sich keinen Urlaub leisten

Die Folgen der Preisentwicklungen sind dramatisch: Sozialmärkte können die Nachfrage kaum noch decken. Jede:r 10. Österreicher:in gibt an, es sich nicht leisten zu können, einmal im Monat Freund:innen zu treffen. Doch die monatelange Inflation wirkt auch bis tief in die Mittelschicht. 30 % der Bevölkerung können sich heuer keinen Urlaub leisten. Das ist die Folge des Rückgangs der Kaufkraft: Im vergangenen Jahr sind die Reallöhne in Österreich um 3,9 % gesunken. Das ist laut dem Momentum Institut der höchste Kaufkraftverlust seit den 1960ern.

Unternehmenspleiten wegen Kaufkraftverlust

Das wirkt sich auch negativ auf die Gesamtwirtschaft aus: Nach der Pleite von Kika/Leiner und dem damit verbundenen Verlust von 1.900 Arbeitsplätzen stehen jetzt auch die Schuhhändler Salamander und Delka sowie die Autozubehörkette Forstinger vor der Pleite. Salamander, Delka und Forstinger geben als Gründe für die Insolvenzen den Kaufkraftverlust der Bevölkerung und die hohe Inflation an.

Warum Österreich eine viermal höhere Inflation hat als Spanien oder die Schweiz

Bei der enormen Inflation und dem damit verbundenen Kaufkraftverlust handelt es sich um kein Naturgesetz. Anders als Österreich haben etwa Spanien, die Schweiz oder Portugal Maßnahmen gegen die Inflation gesetzt und kommen so auf deutlich niedrigere Teuerungsraten. Die Preistreiber in Österreich sind vor allem Mieten, Lebensmittelpreise und Energiekosten – gerade in diesen Bereichen gibt es in anderen Staaten bereits erfolgreich umgesetzte Maßnahmen.

Immo-Branche hat Gewinne verdoppelt

In Österreich sind Mieterhöhungen an den Verbraucherpreisindex gekoppelt. Das heißt: Bei hohen Inflationsraten steigen die Mieten – diese erhöhen wiederrum die Inflation. Ein Teufelskreis, der dazu beigetragen hat, dass sich Mieteinnahmen der Immobilienwirtschaft von 1,9 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf 4,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 mehr als verdoppelt haben.

Diesen Juli steigen die Kategoriemieten wieder um 5,5 %. Das ist besonders unfair, weil 80 % der Mieteinnahmen ins oberste Einkommenszehntel fließen. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung sind aber deutlich weniger von der Inflation betroffen als der Rest des Landes, da sie anteilsmäßig weniger von ihrem Einkommen für die Hauptpreistreiber Wohnen, Lebensmittel und Energie ausgeben müssen. Für jene, die ohnehin unter der hohen Teuerung am meisten leiden, werden also die Mieten automatisch erhöht – jene, die eine geringere Preisbelastung haben, profitieren nochmals davon.

Andere Länder haben reagiert und die Mieten gedeckelt. In Spanien dürfen Mieten seit Anfang des Jahres gar nicht mehr erhöht werden. In Portugal dürfen sie um maximal 2 % steigen und auch in Schottland wurden sie eingefroren. In der Schweiz dürfen die Mieten nur um 40 Prozent des Verbraucherpreisindex steigen. Das wären bei der derzeitigen Schweizer Inflation von 1,7 % gerade einmal 0,68 % Mietsteigerung.

Energiepreise: Übergewinne für Konzerne sprudeln

Mit ein Grund für die niedrige Inflation der Schweiz ist, dass unser Nachbar keinen liberalisierten Strommarkt hat. In der Schweiz können Stromanbieter nicht einfach ihre Preise erhöhen, die eidgenössische Elektrizitätskommission überwacht die Preise und gibt eine Bandbreite vor. Die Kommission kann sogar Preissenkungen erzwingen.

In Österreich und dem Rest der EU bilden sich die Preise hingegen nach dem Merit-Order-Prinzip. Strom kostet so viel wie das teuerste Kraftwerk, das zur Versorgung zugeschaltet werden musste. In der Energiekrise war das meist ein Gaskraftwerk. Das bedeutete, dass die steigenden Gaspreise automatisch zu steigenden Strompreisen führten. Damit konnten Energiekonzerne hohe Übergewinne erwirtschaften, da sich die Erzeugungskosten für z.B. Strom aus Wasserkraft nicht veränderten, aber die Preise, die man dafür am Strommarkt erzielen konnte, in die Höhe schossen.

Österreich hat das größtenteils hingenommen und nur mit Einmalzahlungen reagiert. Spanien und Portugal haben hingegen in den Markt eingegriffen, indem sie den Preis für Gas, der zur Stromerzeugung benötigt wird, gedeckelt haben. Das bremste die Preisentwicklung am Strommarkt massiv.

Deutschland setzte auf einen Maßnahmenmix, führte einen allgemeinen Energiepreisdeckel ein und senkte die Mehrwertsteuer für Gas von 19 % auf 7 %. Auch in Deutschland ist die Inflation mit 6,8 % deutlich geringer als in Österreich.

Portugal, Spanien und Polen strichen Mehrwertsteuer auf Lebensmittel

Auch auf die hohen Lebensmittelpreise haben manche Staaten mit Mehrwertsteuersenkungen reagiert. Portugal, Spanien und Polen haben die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel gestrichen. Eine Maßnahme, die die SPÖ schon seit Monaten fordert. Kombiniert mit einer Preiskommission, die kontrollieren soll, dass die Mehrwertsteuersenkung und Hilfszahlungen auch tatsächlich an die Konsument:innen weitergegeben werden. Bei Nicht-Weitergabe fordert die SPÖ harte Sanktionen, die bis zur Rückzahlung von Energiehilfen gehen sollen.

70 % der Inflation in Österreich sind profitgetrieben

Die Preiskommission wäre zentral, da die letzten Monate gezeigt haben, dass Unternehmen ihre Preise deutlich stärker erhöhen, als es gerechtfertigt wäre. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat jüngst in einer Analyse festgestellt, dass rund die Hälfte der Inflation in der Eurozone auf „Gierflation“ zurückzuführen ist – also auf die Tatsache, dass Unternehmen ihre Preise stärker erhöhen als ihre Kostensteigerungen ausmachen – und somit ihre Profite übermäßig steigern.

In Österreich ist diese Profit-Preisspirale noch extremer: Eine Analyse des Momentum Institutes aus dem März zeigt, dass in Österreich sogar 70 % der Inflation durch nichts anderes zu erklären sind, als durch Gewinnsteigerungen von Unternehmen.

„Diese Inflation ist profitgetrieben. Länder, die in den radikalen Markt eingegriffen haben, haben eine weitaus niedrigere Inflationsrate als wir in Österreich“, erklärt der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler und fordert die Regierung abermals auf, etwas gegen die Teuerung zu unternehmen.

Der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Philip Kucher lud deshalb vor der letzten Nationalratssitzung vor der Sommerpause alle Parteien ein, gemeinsam Antiteuerungsmaßnahmen zu beschließen, denn: „Es geht nicht, dass sich die Regierung in den Sommerurlaub verabschiedet, während sich die Leute das Leben kaum noch leisten und vom Urlaub nur noch träumen können“, erklärt Kucher.

Die SPÖ schlägt Maßnahmen vor, die sich an den internationalen Best Practice Beispielen orientieren. So sollen etwa die Erhöhung der Richtwertmieten aus dem April rückgängig gemacht und die Mieten bis Ende 2025 eingefroren werden. Außerdem will die SPÖ wie in Spanien oder Portugal die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel aussetzen und eine Übergewinnsteuer einführen.

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Peter
Peter
6. Juli 2023 22:26

Das ergibt nur keinen Sinn aus Sicht der ÖVP, ist das Klientel der ÖPV auch jenes der superreichen, nur mit der Inflationsrate erleiden auch diese eine Milliardenverlust.

Es ergibt auch keinen Sinn als Wirtschaftspartei, der Realeinkommensverlust führt zu einem Kaufkraftverlust der wiederum der Wirtschaft massiv schadet.

Ebenso wenig ergibt es ein Sinn als Tourismus-Partei, bei der Inflationsrate werden sich bald keine Touristen mehr ein Urlaub in Österreich mehr leisten können, was dem ganzen Tourismus massiv schadet.

Dieses Verhalten der ÖVP macht nur ein sinn, wenn diese Partei gezielt der FPÖ für eine zukünftige ÖFP/FPÖ Koalition in die Hände spielt. Das sie das macht zeigen sich auch an den Anbiederungsversuchen an Viktor Orban, und anderen zwielichtigen Gestalten.

Allein der Umstand das es sehr, sehr sicher bei einer ÖVP/FPÖ Koalition zu einer Hexenjagd auf LGBTIQ kommen wird, sollte alle Alarmglocken Leuten lassen. Wohin das führt schön Grüße aus Ungarn, Polen, Türkei und Russland. Ein apokalyptisches wirtschaftliches Desaster, mit dem Potential eines Ständestaats 2.0.

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