Vor einem Jahr, am 15. Oktober 2017, hat die Nationalratswahl in Österreich stattgefunden. Sie war der Auftakt für die Bildung der ÖVP-FPÖ-Koalition im November. Ein guter Anlass, um die Maßnahmen der schwarz-blauen Regierung mit den Wahlprogrammen von ÖVP und FPÖ zu vergleichen.
Die ÖVP hat am Samstag den ersten Jahrestag der Nationalratswahl gefeiert. Die ÖVP-FPÖ Regierung lässt sich durch kritische Stimmen nicht von ihren Maßnahmen abbringen, verkündet Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei seiner Rede vor ÖVP-Funktionären. Denn:
„Wir tun genau das, was wir im Wahlkampf versprochen haben. Wir setzen genau das um, wofür wir gewählt wurden,“ wie Kurz gerne wiederholt.
Doch das entspricht nicht der Wahrheit. Beschlüsse, die Millionen Menschen in Österreich negativ betreffen, waren im Wahlkampf überhaupt kein Thema.
Ohne Begutachtungsphase haben ÖVP und FPÖ den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche – mit den Stimmen der Neos – beschlossen. Sozialpartner oder Betriebsrat müssen nicht mehr zustimmen, wenn 60 Stunden in der Woche gearbeitet wird.
ÖVP und FPÖ haben sogar die Gültigkeit des Arbeitszeitgesetzes von Jänner 2019 auf September 2018 vorverlegt. Nach nur 3 Wochen haben schon 9 Prozent in Österreich 12-Stunden-Tage hinter sich.
Vor der Wahl war das kein Thema. Die ÖVP sprach im Wahlprogramm nur vage von „mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit“ und forderte eine „betrieblich einvernehmliche Lösung“. Das wäre die Mitsprache des Betriebsrates bei längeren Arbeitszeiten, die es jetzt im Gesetz aber nicht gibt. Bei der FPÖ finden sich überhaupt keine Andeutung in Richtung längere Tages- und Wochenarbeitszeiten.
Kürzungen bei der Mindestsicherung soll es bei Asylberechtigten, aber nicht bei Österreichern geben, hieß es in den Wahlprogrammen von ÖVP und FPÖ. Fakt ist aber: Nur 10 Prozent der BezieherInnen sind Asylberechtigte. Die Regierung hat Kürzungen der Mindestsicherung für Familien ab dem 2. Kind beschlossen: Künftig soll das erste Kind 216 Euro erhalten, das zweite 129 und jedes weitere nur noch 43 Euro monatlich. Über 54.400 Familien mit drei oder mehr Kindern sind von diesen Kürzungen betroffen.
Die Regierung hat von der AUVA verlangt, 500 Millionen einzusparen. Nach langen Verhandlungen werden es 430 Millionen weniger – das sind immerhin 36 Prozent des Gesamtbudgets der AUVA (das bei 1,4 Milliarden liegt). Um diese Summe werden Unternehmen entlastet. Etwa 100 Millionen der geforderten Summe kann die AUVA stemmen, der Rest wird den Krankenkassen umgehängt. Letztlich werden also die Kosten von den Unternehmen auf die Beschäftigten übertragen.
Weder im FPÖ- noch im ÖVP-Wahlprogramm finden sich Pläne zu den drastischen Kürzungen bei der Unfallversicherung. Erst im Regierungsprogramm tauchen die Pläne auf.
Die Regierung bürdet den Gebietskrankenkassen außerdem zusätzliche Kosten auf: Bis 2023 droht ein Defizit von 427 Millionen Euro nach derzeitigem Stand. Bei strukturellen Defiziten sind die Krankenkassen per Gesetz (§31 Abs. 5a ASVG) verpflichtet, Selbstbehalte einzuführen. Die Entscheidung darüber fällt im neuen Dachverband (im Entwurf zum SV-OG: Art.1 z24) – und dort haben die Arbeitgeber eine Mehrheit von 6:4.
Ursprünglich hat das AMS für 2018 mit 1,94 Milliarden Euro staatlicher Förderung gerechnet. Bekommen hat es nur 1,4 Milliarden Euro. Das ist eine Kürzung von fast 30 Prozent. Das bedeutet
Netto kostet die Aktion 20.000 pro Person 100 € im Monat – insgesamt sind das 2,4 Mio. Euro im Jahr.
Jugendlichen ab 18 Jahren wird die Ausbildungsbeihilfe gekürzt, gewissermaßen das Pendant zur Lehrlingsentschädigung. Statt bisher 753 Euro müssen sich Betroffene ab Herbst in den ersten zwei Ausbildungsjahren mit 325,80 Euro pro Monat begnügen.
Ein Teil des Regierungsabkommens ist auch die Abschaffung der Jugendvertrauensräte: Sie vertreten die Interessen der Lehrlinge in Unternehmen. Ohne sie gehen Mitspracherechte für Lehrlinge verloren. Mehr als ein Drittel der Lehrlinge darf dann nicht einmal mehr den Betriebsrat wählen.
Von den Angriffen auf Lehrlinge war in den Wahlprogrammen der beiden Parteien nichts zu lesen.
Sebastian Kurz hat in seinem Wahlprogramm versprochen, dass er die „Bürgergesellschaft, das zivilgesellschaftliche Engagement und Ehrenamt fördern“ wird. Jetzt werden Umweltorganisationen gezwungen, der Regierung Namen und Wohnadressen ihrer Mitglieder zu melden. Nur dann dürfen sie an Verfahren zur Prüfung der Umweltverträglichkeit teilnehmen. Verfassungsrechtler Heinz Mayer sagt:
„Das kann nur dazu dienen, Druck auf Leute auszuüben – eine ganz unschöne Sache.“
380 Euro im Monat werden Menschen weggenommen, die aufgrund schwerer Behinderungen die Mindestsicherung beziehen und betreutes Wohnen in Anspruch nehmen. Diese Kürzuung wurde nicht einmal im Regierungsprogramm angekündigt. Und im Wahlprogramm der ÖVP hieß es sogar noch: „Menschen mit Behinderung besser unterstützen“.
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