Arbeit & Freizeit

So kann die Corona-Krise die Pflege in Österreich retten

Auf der einen Seite suchen so viele Menschen Arbeit wie noch nie in Österreich. Auf der anderen Seite steuern wir auf eine Pflegekrise zu. Die Gleichung ist eigentlich recht simpel. Wir müssen die, die suchen, für jene Berufe qualifizieren, die dringend gebraucht werden. Doch dafür brauchte es Unterstützung für die Auszubildenden – denn diese fehlt bisher. Genau das fordern jetzt die Sozialdemokraten. Mit einem Ausbildungsgeld sollen Interessierten eine Um- und Ausbildung ermöglicht werden. So kann die Corona-Krise die Rettung der Pflege werden.

Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie noch in der Zweiten Republik. Die Corona-Krise hat eine große wirtschaftliche Rezession eingeleitet. Ein Ende ist nicht abschätzbar: Die Entwicklung der Pandemie ist zu unklar, die Abhängigkeit vom Weltmarkt zu groß. Experten sind sich allerdings einig: Es geht um Jahre, nicht um Monate – und sie warnen vor einer zweiten Kündigungswelle im Herbst, wenn die Sommer-Saison vorbei ist und Staatshilfen auslaufen.

Was man allerdings abschätzen kann, ist der Bedarf an Pflegerinnen und Pflegern: Bis zum Jahr 2030 ist mit einem Mehrbedarf von 76.000 Pflegekräften zu rechnen, so die aktuelle Studie des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz. Das liegt daran, dass über 30 Prozent des gesamten Pflegepersonals über 50 Jahre alt ist; gleichzeitig altert die Gesellschaft. 80.000 Menschen werden in Österreich jedes Jahr geboren. Das heißt, dass ein ganzer Jahrgang Pfleger werden müsste, um den Bedarf zu decken.

„In Wirklichkeit müssten wir den Interessentinnen und Interessenten den roten Teppich ausrollen“, sagt der Vorsitzenden des Fachbereichs Gesundheit in der Gewerkschaft vida, Gerald Mjka, „denn wir brauchen sie.“

Wir brauchen euch!

Als die Fluglinie „Level“ Insolvenz angemeldet, organisiert die Gewerkschaft mit dem Betriebsrat eine Veranstaltung, bei der über berufliche Möglichkeiten informiert wird. Auch Gerald Mjka referiert dort für den Pflegebereich. „Wir brauchen euch!“ sind die Eröffnungsworte seines Vortrags, in dem er Teilnehmern die Pflege näher bringt.

Unter den Zuhörern ist die ehemalige Flugbegleiterin Daschütz. Auch sie wurde wegen der Insolvenz gekündigt. Die Alleinerzieherin will etwas tun; sie kann nicht einfach zu Hause sitzen. Natürlich weiß sie, dass es die Pflege gibt – doch das sie eine Option für die sie ist, wird ihr erst dort klar. Der Gedanke wächst in ihr: Der Beruf ist sinnstiftend und – was ihr nach der Kündigung auch wichtig ist – krisensicher. Aber ohne Förderung kann sie sich die Ausbildung nicht leisten. Sie recherchiert tagelang. Doch findet nichts. Denn es gibt nichts.

Das finden die Sozialdemokraten falsch. Bei der Pressekonferenz am 5. August stellt die Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner ihr Konzept vor. Mit einem Ausbildungsgeld in der Höhe des Arbeitslosengeldes plus einem Bonus von 500 Euro soll es den Menschen möglich werden, die Ausbildung zu absolvieren – und Jugendliche motivieren, sie anzutreten.

„Mit der Pflegeoffensive können wir die Arbeitslosigkeit bekämpfen und die Pflege für die Zukunft absichern“, sagt Rendi-Wagner.

Dass der Job für viele interessant ist, zeigt auch die Info-Veranstaltung der Gewerkschaft. Von 120 Teilnehmern haben sich dort 40 für eine Pflegeausbildung beworben. Dass sie die Ausbildung antreten können, ist aber ohne Unterstützung unwahrscheinlich.

Rendi-Wagner bei einer Pressekonferenz zur Pflegeausbildung mit Mjka und Darschütz.

Die Krise als Chance

Auf der einen Seite suchen so viele Menschen Arbeit wie noch nie in Österreich. Auf der anderen Seite herrscht Pflegenotstand. Die Gleichung ist eigentlich recht simpel. Wir müssen jene, die suchen, für die Berufe qualifizieren, die dringend gebraucht werden. Das ist die Kernaufgabe staatlicher Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik. Das kostet natürlich etwas. Aber das tut Arbeitslosigkeit auch. Und die schadet nachweislich jenen, die davon betroffen sind. Vor allem Langzeitarbeitslose leiden überdurchschnittlich oft unter körperlichen Erkrankungen. Die psychische Belastung sind groß, aber schwieriger zu quantifizieren.

Während jene, die in der Arbeitslosigkeit hängen bleiben, sich jeden Cent vom Mund absparen müssen, können jene, denen man die Möglichkeit gegeben hat, sich zu qualifizieren, ihrer Arbeit nachgehen, Steuern zahlen und mit ihrem Konsum die Wirtschaft ankurbeln. Wer er es sich leisten kann, in längeren Zeiträumen zu denken, investiert jetzt. Österreich kann es sich (noch) leisten.

Corona hat uns gezeigt, welche Berufe wirklich systemrelevant sind

„Bei der Hochphase des Corona-Lockdowns wurden die Pflegerinnen beklatscht“, sagt Mjka. Auch die Politik lobte die wichtigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Gesundheitsberufen. „Jetzt, wo man ihnen wirklich helfen kann, tut sich allerdings nichts.“

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