Schwarz-Blau

12-Stunden-Tag: Höheres Unfall-Risiko, weniger Erholung – für Bauarbeiter lebensgefährlich

Die tägliche Höchstarbeitszeit wird auf 12 Stunden erhöht, die maximale Wochenarbeitszeit auf 60 Stunden. Gut fürs Geschäft, schlecht für die Gesundheit der Arbeitnehmer. „Danke für 12 Stunden Arbeit am Tag … ich wähle euch nie wieder“, war auf Straches Facebook-Seite zu lesen. Die unpopuläre Maßnahme soll nun von ÖVP und FPÖ ganz schnell, ohne lange Diskussionen noch vor dem Sommer beschlossen werden.

Nachdem sich die Regierungsparteien für den 12-Stunden-Tag ausgesprochen haben, war die Empörung vor allem unter den FPÖ-Wählern groß. Weil man wachsende Widerstände im blauen Lager fürchtet, soll die Diskussion nun klein gehalten werden, wie der Kurier berichtet. Auch mit den Sozialpartnern will man nicht verhandeln, das würde ebenfalls unerwünschte Aufmerksamkeit auf das Thema lenken.

FPÖ-Wähler verärgert, Kurz und Strache machen Druck

Bei einer Veranstaltung mit Unternehmern in Vorarlberg hat Bundeskanzler Kurz (ÖVP) versprochen, den 12-Stunden-Tag noch vor dem Sommer zu beschließen. Die Sozialpartner haben zwar eine Einigung angekündigt, doch Kurz und Strache wollen nicht warten. Die Ausweitung der Arbeitszeiten müssen jetzt rasch und ohne Diskussionen kommen.

Vizekanzler Strache (FPÖ) versucht sich in der Zwischenzeit zu rechtfertigen und macht dabei den nächsten Fehler: Bauarbeiter würden ein solches Modell gerne nutzen, sagt er. Sie könnten ja den Freitag frei nehmen und Zeit mit der Familie verbringen, glaubt Strache und zeigt, dass er nicht die leiseste Ahnung hat von der Arbeit im Baugewerbe.

Dass Bauarbeiter freitags einfach frei bekommen, ist für Bau-Holz-Gewerkschafter Josef Muchitsch weltfremd:

„Bauarbeiter können sich in der Hochsaison am Freitag nicht einfach frei nehmen. Eine Autobahn-Baustelle wird nicht einfach für einen Tag ruhend gestellt.“

Unfall-Risiko: 12-Stunden-Tag am Bau ist gefährlich

Vor allem aber ist es gerade das Baugewerbe, wo überlange Arbeitszeiten gefährlich sind. Je länger man am Bau durcharbeiten muss, desto eher nimmt die Konzentration ab. Fehleranfälligkeit und Unfallgefahr steigen.

Die meisten Arbeitsunfälle passieren ab der 8. Arbeitsstunde. Am Bau können Fehler tödlich enden.

Die Hochsaison in der Bauwirtschaft ist im Sommer. Da sind die Arbeitsbedingungen im Freien am härtesten. Schwerarbeit – und das bei Hitze und Staub.

Wer glaubt wirklich, dass Schwerarbeiter einen 12-Stunden-Arbeitstag bei 35 Grad Plus im Sommer und bei minus 10 Grad im Winter gesundheitlich ohne Schäden überstehen?„, warnt der Bau-Holz Gewerkschafter Josef Muchitsch.

Schneller erschöpft und eher krank

Selbst wenn – je nach Branche – auf vier 12-Stunden-Tage drei freie Tage folgen, bedeutet das für ArbeitnehmerInnen nicht automatisch mehr Freizeit und Entspannung: Die freien Tage werden für Regeneration gebraucht. Unter der Woche leidet die Lebensqualität. Tagelanger erhöhter Stress ist ungesünder als regelmäßige Regeneration und führt vermehrt zu Erschöpfungszuständen (Stichwort: Burn Out).

Beschäftigte, die über längere Zeit mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten, fühlen sich gesundheitlich deutlich schlechter als jene, die 40 Stunden oder weniger pro Woche arbeiten. Diese Einschätzung betrifft körperliche Beschwerden wie Muskelverspannungen im Nacken- und Schulterbereich, aber auch psychische Beschwerden wie Schlafstörungen oder Erschöpfung.

Keine Zeit für die Kinder statt „Zeit für die Familie“

Beruf und Kinder schaukeln und gleichzeitig zwölf Stunden pro Tag arbeiten? Kein Problem, wenn es nach Vizekanzler Strache geht: Vier Tage arbeiten, drei Tage frei – mehr Zeit mit der Familie. Aber auch nur, wenn man das angehäufte Schlafdefizit und die nötige Zeit zum Erholen nicht mit bedenkt.

Und wie sollen an den vier langen Arbeitstagen die Kinder betreut werden? Eine Umfrage der Arbeiterkammer zeigt: Für Eltern verursacht ein 12-h-Tag große Probleme, Job und Kinderbetreuung zu vereinbaren.

59 Prozent der befragten Frauen und 45 Prozent der Männer sagen, sie hätten damit „ein echtes Problem„. ÖVP und FPÖ wollen 12 Stunden arbeiten lassen, Kinderbetreuungs-Einrichtungen für diese 12 Stunden gibt es aber kaum.

12-Stunden-Tag als Ausnahme gibt es längst

In der Bauwirtschaft ist schon heute ein 12-Stunden-Tag am Bau bei Auftragsspitzen möglich – für einen begrenzten Zeitraum. Geregelt ist das im § 7 Abs 4 im Arbeitszeitgesetz: Unternehmen können die Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden ausweiten, wenn sich der Arbeitsbedarf in Zeiten von Auftragsspitzen erhöht und andernfalls dem Unternehmen wirtschaftlicher Schaden droht. Will das Unternehmen vorübergehend die Arbeitszeit ausweiten, muss es die Kollektivvertragsparteien und das Arbeitsinspektorat über die Betriebsvereinbarung informieren. Die maximale Dauer ist begrenzt. Besteht kein Betriebsrat, müssen bis zu zwei Fachgutachten die arbeitsmedizinische Unbedenklichkeit dieser Maßnahmen bestätigen.

Geht es nach der ÖVP-FPÖ-Regierung, sollen Vereinbarungen zum 12 Stunden-Tag nur mehr auf betrieblicher Ebene oder einzeln Arbeitnehmern einzeln ausgehandelt werden. Starke Betriebsräte können vielleicht das Niveau des Kollektivvertrags halten, weniger mächtige Betriebsräte werden aber schlechtere Ergebnisse erzielen. ArbeitnehmerInnen ohne Betriebsrat werden in der Praxis wohl überhaupt keine Gegenforderungen durchsetzen können.

Politik im Interesse der Arbeitgeber

Wir haben von der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung und den Unternehmen viele Ideen gesammelt„, erklärt Kanzler Kurz Anfang April 2018 auf einer Unternehmer-Veranstaltung in Dornbirn. Die Interessen von Arbeitnehmern sind in die Ideensammlung nicht eingeflossen. Unternehmer werden das neue Gesetz ausnützen. Da werden 5 x 12 Stunden Arbeit pro Woche zum Normalfall – da ist sich Muchitsch sicher. Die 60-Stunden-Woche? Für ÖVP und FPÖ kein Problem.

Zum Weiterlesen

Schwarz-Blau: Das droht beim 12-Stunden-Tag (Kontrast.at)

Lohndumping außer Kontrolle (Kontrast.at)

855 Euro: So billig war Sozialbetrug noch nie (Kontrast.at)

Wie soll die Sicherheitspolitik Österreichs zukünftig aussehen?
  • Österreich soll seine Neutralität beibehalten und aktive Friedenspolitik machen. 58%, 1783 Stimmen
    58% aller Stimmen 58%
    1783 Stimmen - 58% aller Stimmen
  • Österreich soll der NATO beitreten und seine Neutralität aufgeben. 16%, 475 Stimmen
    16% aller Stimmen 16%
    475 Stimmen - 16% aller Stimmen
  • Österreich soll seine Verteidigungsausgaben erhöhen, um die Neutralität zu stärken. 12%, 368 Stimmen
    12% aller Stimmen 12%
    368 Stimmen - 12% aller Stimmen
  • Österreich soll eine aktive Rolle in einer potenziellen EU-Armee spielen. 9%, 286 Stimmen
    9% aller Stimmen 9%
    286 Stimmen - 9% aller Stimmen
  • Österreich soll sich der NATO annähern, ohne Vollmitglied zu werden. 5%, 150 Stimmen
    5% aller Stimmen 5%
    150 Stimmen - 5% aller Stimmen
Stimmen insgesamt: 3062
12. März 2024
×
Von deiner IP-Adresse wurde bereits abgestimmt.

Neue Artikel

Neutralität adé? ÖVP-Grünen-Regierung will Österreich an die NATO annähern

Die ÖVP-Grünen-Regierung strebt eine Annäherung an die NATO an. Gemeinsam mit Irland, Malta und der…

8. Mai 2024

Vorwärts zurück – Aber bitte mit Vollgas!

Österreichs Konservative scheinen mit Wehmut zurückzublicken. Zuerst haben die Herrschaften der Industriellenvereinigung mit der Forderung…

8. Mai 2024

Die EU-Fraktionen: Diese Parteien kannst du bei der EU-Wahl wählen

Am 9. Juni findet die EU-Wahl statt. Nach der Wahl bilden unsere österreichischen Parteien im…

7. Mai 2024

Extrem – das will Kickl: Arbeiterkammer zerschlagen, Fahndungslisten für Andersdenkende, gegen Klimaschutz

Eine Frauenpolitik aus den 50ern, Zerschlagung der Arbeiterkammer und ein schleichender EU-Austritt: Das sind nur…

7. Mai 2024

Die EU-Politik der FPÖ: Viel für Konzerne, wenig für die Umwelt und Klimaschutz

Das Europäische Parlament beschließt Gesetze zum Kampf gegen die Klimakatastrophe und zum Schutz der Menschenrechte:…

7. Mai 2024

So weit hinten wie noch nie: Österreich stürzt bei Pressefreiheit auf Platz 32 ab

Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlichen jedes Jahr ein Ranking, wie es um die weltweite Pressefreiheit…

3. Mai 2024