Frauen dürfen sich von der ÖVP unter Sebastian Kurz nicht viel erwarten. Weniger Geld für Alleinerzieherinnen, Kürzungen bei der Kinderbetreuung, Einschnitte beim Gewaltschutz. Und nebenbei auch noch gegen die Anrechnung von Karenzzeiten stimmen. Es gibt viele gute Gründe, warum Frauen nicht die ÖVP wählen sollten.
Sieht man sich die Kurz-Strache-Regierung an, merkt man schnell: Frauen waren für sie nur eine Randgruppe der Gesellschaft. Eine, bei der man ruhig kürzen und die man ignorieren konnte. Ein prägnantes Beispiel war der Umgang mit dem Frauenvolksbegehren: Fast 500.000 Menschen haben für Lohngleichheit, für kürzere Arbeitszeit, für weniger Gewalt unterschrieben. Doch als das Volksbegehren im Parlament diskutiert wurde, schwänzte die gesamte Regierung die Parlamentssitzung:
Der Familienbonus war eines der „Leuchtturm-Projekte“ von Sebastian Kurz. Seit Jänner 2019 können Familien 1.500 Euro pro Kind von der Steuer absetzen. Das Problem dabei: Nur wer mindestens 1.500 Euro Steuern zahlt, bekommt auch die volle Unterstützung. Das ist nur für die 44 Prozent Besserverdiener der Fall. Der Rest bekommt überhaupt keine Unterstützung oder nicht den vollen Betrag. Besonders betroffen: Alleinerzieherinnen. Sie bekommen gerade einmal 250 Euro pro Kind und Jahr. Kinder von Alleinerzieherinnen waren ÖVP und FPÖ also nur 1/6 so viel Wert wie Kinder gutverdienender Eltern.
Dafür kritisiert, antwortete Kurz, dass sich Alleinerziehende doch den Steuerbonus von den Ex-Partnern holen könnten. Was er nicht erwähnt: 1. Wenn der Ex nicht viel verdient, nützt die Kurz-Idee der Mutter nichts. 2. Mütter haben es häufig schon schwer, an den Unterhalt zu kommen, der ihnen vom Ex-Partner für die gemeinsamen Kinder zusteht. Dann zu glauben, sie würden einfach mal einen Steuerbonus weiterüberwiesen bekommen, ist realitätsfern.
Für ihr Projekt „Familienbonus“ haben ÖVP und FPÖ 1,5 Milliarden locker gemacht. Zum Vergleich: Mit dieser Summe könnte man 40.000 neue Kindergarten-Plätze schaffen oder das zweite Gratis-Kindergartenjahr finanzieren: Maßnahmen, von denen jedes Kind profitieren würde.
Kurz hat im Wahlkampf 2017 noch behauptet, er hätte ein Steuer-Programm für Klein- und Mittelverdiener. Das ließ vor allem Frauen aufhorchen, die im Schnitt niedrigere Einkommen haben als Männer. Doch die Realität sieht anders aus. Armin Wolf hat schon 2017 in der ZIB 2 nachgefragt: Was hat eine Friseurin, die 1.500 Euro verdient, von den ÖVP-Plänen? Offenbar recht wenig: Ein Plus von 9 Euro im Monat, wie Wolf vorrechnet. Im Vergleich dazu würden Frauen (und Männer) etwa 44 Euro monatlich mehr zum Leben haben, wenn man den Steuerfreibetrag auf 1.700 Euro erhöht.
Für jene, die so wenig verdienen, dass sie keine steuerlichen Beiträge leisten können, hatte Kurz nichts im Programm. Der Journalist Peter Lingens brachte es auf den Punkt:
356.500 ArbeitnehmerInnen, darunter beispielsweise Supermarkt-Angestellte, Friseurinnen, Rechtsanwaltskanzleiassistenten und Konditoreikellnerinnen, verdienen bei einem Vollzeitjob weniger als 1.700 Euro brutto pro Monat. Zwei Drittel von ihnen sind Frauen. 1.700 Euro Mindestlohn und eine Befreiung von der Lohnsteuer bis zu dieser Grenze würde Frauen mit kleinem Einkommen tatsächlich besserstellen. Doch für die ÖVP ist das keine Option.
Sogar Kurz selbst bestätigt das im ZIB2-Interview:
Wolf: „Für Leute, die keine Steuern zahlen, gibt es gar nichts in Ihrem Programm.“
Kurz: „Na ja, also Herr Wolf, das ist selbstredend.“
Auf EU-Ebene haben ÖVP-Abgeordnete mehrmals gegen Gleichstellungs-Vorhaben gestimmt. Am 3. Oktober 2017 beschloss das EU-Parlament eine Resolution, die unter anderem ein Recht auf die Rückkehr zu einem Vollzeitdienstverhältnis nach einem Wechsel in Teilzeit, zum Beispiel nach der Geburt eines Kindes. Die ÖVP-Abgeordneten stimmten auch dagegen.
Dabei würde ein leichterer Wechsel in eine Vollzeit-Stelle vielen Frauen helfen. Jede 2. Frau in Österreich arbeitet Teilzeit. Das ist eine der Hauptursachen für Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen und für zu niedrige Pensionen im Alter. Viele Frauen in Teilzeit-Jobs würden gern mehr arbeiten und mehr verdienen, bekommen aber keinen Vollzeit-Vertrag.
Oberösterreich wird von ÖVP und FPÖ regiert. Seit Februar 2018 müssen Eltern in diesem Bundesland für ihre Kindergartenkinder eine Gebühr von 42 bis 110 Euro pro Monat für die Betreuung am Nachmittag bezahlen. In vielen Gemeinden wurden mehr als die Hälfte der Kinder abgemeldet und Kinder-Gruppen haben bereits geschlossen.
Die Folgen in Zahlen: 38 Gemeinden haben nun keine Nachmittagsbetreuung mehr. Insgesamt haben 2018 67 Gemeinden ihr Angebot am Nachmittag reduziert.
„Ohne Nachmittagsbetreuung kann ich nur mehr drei Stunden in der Arbeit sein – mit 2 Stunden Fahrtzeit rechnet sich das nicht. Ich müsste meine 25 Stunden auf 15 kürzen“, sagt Simone Grocher, eine betroffene Mutter im Gespräch mit Kontrast.at.
Weniger Kinderbetreuung heißt in der Regel für Frauen, dass sie ihre Jobs einschränken – oder sogar aufgeben müssen – weil ihre Kinder sonst unbetreut sind. Und wenn doch eine Betreuung vorhanden ist, kommt sie den Familien teuer zu stehen.
ÖVP und FPÖ haben das Förderbudget des Frauenministeriums 2018 um 179.000 Euro gekürzt. 2019 wurden weitere 230.000 Euro gestrichen. Von den Kürzungen betroffen waren Beratungs- und Interventionsstellen:
Zum Weiterlesen
Wenn der Vater nicht zahlt – Warum wir ein neues Unterhaltsrecht brauchen
Kurz über sein Wahlprogramm: „Die Friseurin und der Kellner bekommen nichts. Selbstredend“
Die ÖVP-Grünen-Regierung strebt eine Annäherung an die NATO an. Gemeinsam mit Irland, Malta und der…
Österreichs Konservative scheinen mit Wehmut zurückzublicken. Zuerst haben die Herrschaften der Industriellenvereinigung mit der Forderung…
Am 9. Juni findet die EU-Wahl statt. Nach der Wahl bilden unsere österreichischen Parteien im…
Eine Frauenpolitik aus den 50ern, Zerschlagung der Arbeiterkammer und ein schleichender EU-Austritt: Das sind nur…
Das Europäische Parlament beschließt Gesetze zum Kampf gegen die Klimakatastrophe und zum Schutz der Menschenrechte:…
Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlichen jedes Jahr ein Ranking, wie es um die weltweite Pressefreiheit…