Der Kurierdienst Veloce entließ Mitarbeiter, nachdem diese ankündigten, einen Betriebsrat zu gründen. Es war nicht das erste Mal, dass Veloce Mitarbeiter kündigte, die sich organisieren. Doch diesmal haben die Boten gewonnen: Veloce nahm die Kündigungen zurück und ein Betriebsrat vertritt jetzt die Fahrer. Nach Mjam und lieferservice.at ist Veloce der dritte Fahrradzustelldienst, bei dem es einen Betriebsrat gibt.
Gewerkschaften sind nicht beliebt bei Zusteller-Firmen: Sollen sie doch überlange arbeiten, wenig verdienen und jederzeit kündbar sein. Doch nach Mjam ist jetzt auch den Boten von Veloce ein “gewaltiger Erfolg” gelungen, wie ein Mitarbeiter sagt.
Seit 2004 stand der Kurier-Dienst Veloce in der Kritik, die Gründung eines Betriebsrats zu verhindern. In der Corona-Krise ist der Konflikt neu aufgeflammt: Veloce-Boten holen in Wien die Tests von Verdachtspersonen ab und bringen sie ins Labor. Doch trotz Kontakt mit Corona-Verdachtspersonen bekamen die Boten selbst keine Corona-Tests vom Arbeitgeber. Veloce verlangte außerdem von den Boten bis zu elf Tage am Stück zu arbeiten – sonst floß keine Prämie, ohne die das Gehalt sehr niedrig ist. Viele Botenfahrer sind nicht fix angestellt, einen großen Teil der Belegschaft machen freie Dienstnehmer und Kräfte aus Subunternehmen aus. Der Anteil ist in den letzten Jahren immer größer geworden, Für sie gilt der seit 1. Jänner 2020 gültige Kollektivvertrag für Fahrradboten nicht.
Die Mitarbeiterinnen versuchten daher einen Betriebsrat zu gründen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Daraufhin wurden sieben von ihnen gekündigt. Doch diesmal ging es anders aus: Veloce hat die Kündigungen zurückgenommen und einen Betriebsrat gibt es jetzt auch. Am 4. Jänner haben die Mitarbeiter einen Betriebsrat gewählt und bereits am ersten Tag haben sich die Arbeitsbedingungen verbessert – vor allem die Arbeitszeiten. Der neu gewählte Betriebsratsvorsitzende Jakob Zelger will jetzt alles dafür tun, den Arbeitsalltag der FahrradbotInnen stetig zu verbessern.
Veloce hat schlechten Ruf unter Boten
Auf dem Arbeitgeber-Bewertungsportal Kununu kommt der Kurierdienst bislang nicht gut weg: 1,7 von fünf Sternen erhält das Unternehmen. Vergleichbare Arbeitgeber wie die Post, Mjam oder DHL liegen immerhin bei drei bis vier Sternen – auch dort sind die Arbeitsbedingungen nicht gut. Die Veloce-Kuriere stellen laut Stellenausschreibung “100 bis 150 Pakete pro Tag zu, meist an private Empfänger”.
Für Tagestouren von “ca.” neun Stunden mit dem Auto winkt ein Vollzeit-Gehalt von 1.700-1.900 Euro netto im Monat. In einer anderen Ausschreibung für Fahrrad- und Moped-Kuriere werden 1.600 bis 1.800 Euro netto geboten. Das System funktioniert mit einer Mischung aus Grundgehalt und Prämien ab einer gewissen Paketleistung.
Betriebsrats-Gründer einen Tag vor Betriebsversammlung gekündigt
Die Boten wollten sich die Arbeit ohne Kollektivvertrag nicht gefallen lassen und kündigten in der Personalabteilung an, einen Betriebsrat zu gründen. Die Versammlung zur Gründung setzten sie für 6. Dezember an. Am Tag nach dem Termin bei der Personalabteilung fanden die Betriebsrats-Gründer eine Kündigung in ihrer Inbox. Ende des Dienstverhältnisses: 5. Dezember, einen Tag vor der Gründungsversammlung.
Paul Brandstätter, Chef von Veloce, will die Kündigungen nicht mit der Organisierung der Mitarbeiter in Verbindung gebracht wissen. Man habe schon vor dem Bekanntwerden der geplanten Betriebsrats-Gründung den Plan gefasst, Personal abzubauen. Der Grund: Wegen des Lockdowns sei die Auftragslage zurückgegangen, meldet er auf Puls 24-Anfrage. “Das war eine klare Motivkündigung”, sagte hingegen Helmut Gruber von der Gewerkschaft vida, die die Boten in ihrem Kampf unterstützt.
Auch ein Veloce-Mitarbeiter zweifelt Brandstätters Erklärung an: Veloce liefert auch für Online-Shopping aus, von Willhaben bis Amazon, was in der Krise boomte. “Für den Bereich Amazon-Zusteller werden sogar aktiv Leute gesucht”, erzählt er. Eine Nachricht des Managements an die Boten, die KONTRAST zugespielt wurde, belegt: An der Auftragslage hapert es nicht. “Aufgrund der hohen Auftragslage benötigen wir Fahrer, die – wann auch immer heute einspringen möchten”, heißt es in der Chat-Nachricht.
Veloce-Boten nehmen Corona-Tests ab – und werden selber nicht getestet
Als 2004 Mitarbeiter einen Betriebsrat gründen wollten, ließ Veloce-Chef Paul Brandstätter den Aushang zur Betriebsratsgründung zwei Mal entfernen. Die Gewerkschaft reichte Klage wegen Urkundenunterdrückung ein. Die Boten gingen in den Streik, bei dem sie die Gewerkschaft finanziell unterstützte – denn als freie Mitarbeiter waren sie an den Streiktagen ohne Einkommen. Sie haben kein Streikrecht und kein Recht, sich betriebsrätlich zu organisieren. Es gibt keine Kündigungsfristen und kein Gehalt, sondern Bezahlung im Akkordsystem: Bezahlt wird nur die Arbeitsleistung, nicht die Arbeitszeit. Damit gibt es auch kein 13. und 14. Gehalt, kein Kranken- und kein Urlaubsgeld.
Neben der Gründung eines Betriebsrats forderten die Boten damals eine erhöhte Bezahlung pro Fahrt. Stattdessen wurde zuerst der gescheiterte Betriebsrats-Gründer und dann alle 20 Mitstreiter im Streik gekündigt. Brandstätter kündigte einen “Neubeginn mit neuen Fahrern” an. Das dürfte sich jetzt wiederholen.
“Außerdem hat der Botendienst durch Corona einen Riesenauftrag bekommen. In einer groß angekündigten Aktion engagierte die Stadt Wien Veloce für die mobile Testung von Corona-Verdachtsfällen. Was der Botendienst am Riesenauftrag verdient, ist nicht bekannt” Gab es hier keine Ausschreibung? Sollten die Kosten, die die Stadt trägt nicht öffentlich einsehbar sein?
Es ist unglaublich! Als ich von dem neuen Corona-Test-Projekt von Veloce gehört habe, war mir von Anfang an klar, dass das große Probleme für die Boten/Botinnen.und im schlimmsten Fall auch für die Getesteten bringen würde. Ich kann mich noch gut an die Situation 2004 erinnern. Ich habe damals bei Veloce gearbeitet. Offenbar hat sich nichts nachhaltig zum Guten verändert.